
Vortrag von Premierminister Abe im Rahmen des Forums „Ein starkes Land“ der Junior Chamber International Japan
in Yokohama am 20.07.2014
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Foto: Pressereferat, Amt des Premierministers |
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
heute sind hier von überall aus Japan junge und ambitionierte Menschen zusammengekommen, und ich spüre ihren Eifer, ein starkes Japan zu schaffen. Bei der Unterhauswahl vor zwei Jahren habe ich meinen Wahlkampf mit dem Slogan „Holt Japan zurück!“ geführt und damit erneut eine Koalition aus Liberaldemokratischer Partei und Komei-Partei an die Regierung gebracht. Seitdem steht die Wirtschaft für mich an oberster Stelle. Warum messe ich dem Wiedererstarken der Wirtschaft so große Bedeutung bei? Selbstverständlich, weil ohne eine starke Wirtschaft und wirtschaftliches Wachstum die finanzielle Basis für die überaus wichtige soziale Sicherheit nicht gewährleistet ist. Die Sozialausgaben steigen von Jahr zu Jahr, und sie können nur durch den Wohlstand finanziert werden, den wir alle zusammen hier in Japan hervorbringen. Deshalb brauchen wir Wachstum. Auch die Ausgaben für die Bildung werden erst durch den Schweiß und die Weisheit der Menschen in diesem Land sowie durch Wirtschaftswachstum ermöglicht. Darüber hinaus müssen wir die Ausgaben für die Verteidigung gewährleisten, um unser Land beschützen zu können. Die Grundlagen dafür, Japan eine helle Zukunft zu bereiten, beruhen allein auf unserer wirtschaftlichen Stärke. Auch dafür, dass die ganze Welt unser Land beachtet und die Präsenz Japans innerhalb der Staatengemeinschaft weiter an Gewicht gewinnt, benötigen wir eine starke Wirtschaft, die auf dem Austausch mit anderen basiert.
Mehr als diese eben angeführten Gründe existiert jedoch ein weiterer besonderer Grund, warum ich meine ganze Aufmerksamkeit dem wirtschaftlichen Wachstum widme. Das größte Problem bildet nämlich der Verlust des Selbstvertrauens der Menschen in Japan in den vergangenen fünfzehn bis zwanzig Jahren, in denen unser Land unter der Deflation litt. Für Japan schien die Zeit, in der unser Land und seine Wirtschaft wuchsen, vorbei zu sein. „Es ist schwer, Wirtschaftswachstum zu erzielen, wenn die Bevölkerung schrumpft… Japan kann wegen der Schulden nicht weiter wachsen, und eine helle Zukunft ist unmöglich“. Solche und ähnliche Überlegungen waren es, die die Menschen in Japan für sich anstellten. Mein Ziel ist es aber gerade, den Menschen das verlorene Vertrauen in sich selbst zurückzugeben und Ihnen aufzuzeigen, dass es sich wieder lohnt, sich anzustrengen – dass, wenn alle zusammen Schweiß vergießen, der morgige Tag besser sein wird als der heutige und dass wir im nächsten Jahr ein besseres Leben haben werden als in diesem Jahr. Damit die Menschen in unserem Land ihr Vertrauen zurückerlangen und Japan erneut zu einem leuchtenden Land wird, habe ich in der Form von drei Pfeilen, die nacheinander abgeschossen wurden, eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Wie sieht es nun als Resultat dieser Maßnahmen heute aus? Mit der Erstellung der Wachstumsstrategie im Juni letzten Jahres habe ich mich der Herausforderung gestellt, Reformen umzusetzen, die bisher für unmöglich gehalten wurden. So habe ich den seit rund sechzig Jahren bestehenden Strommarkt vollständig liberalisiert, eine Reform zur industriellen Nutzung der regenerativen Medizin angestoßen sowie das seit rund vierzig Jahren bestehende System der Regulierung des Reisanbaus abgeschafft.
Heute hat sich Japan infolge der drei Pfeile eindeutig verändert. Die Wachstumsrate des japanischen BIP liegt bereits das sechste Quartal in Folge im Plus. Das Verhältnis der offenen Stellen pro Bewerber hat sich seit dem Antritt meiner Regierung vor achtzehn Monaten stetig verbessert. Es ist heute auf dem höchsten Stand seit 21 Jahren und elf Monaten. Des Weiteren haben sich in diesem Frühjahr zahlreiche Unternehmen dazu entschlossen, Löhne und Gehälter anzuheben. Laut einer Untersuchung des Gewerkschaftsdachverbandes Rengo steigen die Monatslöhne und -gehälter um mehr als zwei Prozent. Diese Steigerungsrate von über zwei Prozent ist der höchste Zuwachs seit fünfzehn Jahren. Auch die Bonuszahlungen in diesem Sommer sind laut einer Untersuchung um 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dies ist der höchste Wert in den vergangenen dreißig Jahren. Dank dieser Entwicklung wirkte sich die erstmals seit siebzehn Jahren im April dieses Jahres vorgenommene Erhöhung der Verbrauchssteuer nur kurzzeitig negativ auf den Konsum aus. Sowohl die Supermärkte als auch die Kaufhäuser und der Elektrohandel befinden sich wieder auf dem Weg der Erholung. Auch bei den Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen, die lange stagnierten, kann man inzwischen von einem echten positiven Trend sprechen.
Indem wir diesem positiven Kreislauf der Wirtschaft, der nun ohne Zweifel in Gang gekommen ist, nachdrücklich weiteren Schwung verleihen, müssen die so entstandenen Früchte den kleinen und mittleren Unternehmen sowie allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Damit dies geschieht, habe ich im letzten Monat die Wachstumsstrategie weiter verbessert. Die Reformen meiner Regierung kennen kein Ende. Ich bin der Auffassung, dass die Zügel in diesem Bereich nicht gelockert werden dürfen. Denn die bisherigen Reformen zeitigen nun endlich Resultate und lassen uns die Ankunft einer neuen Gesellschaft erahnen.
Vor zwei Tagen fand in der Stadt Kitakyushu, die eine Vorreiterrolle bei der Schaffung einer Gesellschaft anstrebt, die auf Energiegewinnung durch Wasserstoff basiert, die Probefahrt eines Autos mit Wasserstoffbrennzellen statt. Dieses Automobil ist ein innovatives Gefährt, das kein Kohlenstoffdioxid ausstößt und umweltfreundlich ist. Allerdings bestehen in Bezug auf den Wasserstofftank Vorschriften des Wirtschaftsministeriums sowie des Verkehrsministeriums. Und bei den Tankstellen für Wasserstoff existieren neben Bestimmungen des Wirtschaftsministeriums auch Vorschriften des Innenministeriums in Bezug auf den Brandschutz sowie des Verkehrsministeriums in Bezug auf die Stadtplanung. Es gibt also eine lange Reihe von Vorschriften und Regulierungen. Im letzten Jahr hatte ich angekündigt, dass ich solche Vorschriften umfassend überarbeiten werde, und es wurde ein 24 Punkte umfassendes Deregulierungsprogramm aufgelegt. Nun endlich sind Autos mit Wasserstoffbrennzellen marktreif. Das wesentliche Merkmal der Abenomics besteht darin, dass die Früchte der Reformen allen Menschen im Land zugutekommen. Im Rahmen der nun überarbeiteten Wachstumsstrategie wird durch eine Reform der Unternehmenssteuer sowie einen Ausbau der Corporate Governance mit dem Schwerpunkt Wachstum das „Potential für das Generieren von Profit“ ausgebaut. Auch bei den sogenannten „harten Brocken“ unter den Regulierungen setzt mein Deregulierungsbohrer seine Arbeit unermüdlich fort. Wir stellen uns nun der Herausforderung einer umfassenden Reform des Systems der landwirtschaftlichen Kooperativen – die erste seit sechzig Jahren. Und wir werden zudem Patienten leichteren Zugang zu neuesten Arzneien und Behandlungsmethoden ermöglichen, wenn sie dies wünschen. Darüber hinaus werden wir ein neues System in Bezug auf die Arbeitszeit einführen, bei dem die Bewertung nicht über die geleistete Arbeitszeit, sondern über die Resultate der Arbeit erfolgt. Der Entfaltung bislang verborgener Potentiale kommt bei den Abenomics eine Schlüsselfunktion zu.
Ein Hort besonders großer, bisher noch schlummernder Potentiale ist das schöpferische Potential der Regionen, die sich durch eine große Individualität auszeichnen. Unter den heute hier anwesenden Teilnehmern sind wohl nicht wenige, die der Ansicht sind, dass die konjunkturelle Erholung bei ihnen zuhause noch nicht angekommen ist. Zudem sehen sich die Regionen mit der ernsten Aufgabe eines rasch voranschreitenden Bevölkerungsrückgangs und der Überalterung konfrontiert. Wir müssen Regionen schaffen, die voller Reize sind und in denen junge Menschen Träume für ihre Zukunft haben, mit voller Energie arbeiten, Kinder aufziehen und der nächsten Generation ein Leben in Wohlstand bereiten können. Städte, die nur eine schlechte Imitation echter Metropolen sind, werden gegenüber dem wirklichen Tokyo oder Osaka keine Chance haben. Die verschiedenen Regionen müssen vielmehr ihren jeweils ganz eigenen Charakter als Region entdecken. Damit sich die Regierung hierfür geschlossen und mit ganzer Kraft einsetzen kann, wurde unter meiner Leitung das „Gremium für die schöpferische Gestaltung von Städten, Menschen und Arbeit“ eingerichtet, dem alle Kabinettsmitglieder angehören, und das das schöpferische Potential der Regionen zur Entfaltung bringen wird.
In Tottori, das ich vor kurzem besucht habe, wird die während meiner ersten Amtszeit ins Leben gerufene „Hometown Tax“, eine Art freiwillige Spende an Heimatorte, geschickt genutzt, um den Spendern heimische Produkte wie Bier und Schinken als Geschenk zu überreichen. Ziel meines Besuchs war es, dieses System möglichst vielen Menschen bekannt zu machen; der Umsatz bei diesen Produkten hat inzwischen erheblich zugenommen. Auf diese Weise entwickeln sich bislang unbekannte Regionen in Gebiete, die ihre besonderen Spezialitäten ins ganze Land verschicken. Ich möchte, dass alle Menschen in Japan diese vielfältigen heimatlichen Spezialitäten kennenlernen und werde dafür ein Gesetz vorbereiten, das dieses gemeinsame Engagement von Zentralregierung und Regionen aktiv unterstützt. Aus der Stadt Fukuoka, die den Status einer strategischen Sonderzone innehat und sich für die Förderung von Unternehmensgründungen einsetzt, hörte ich große Hoffnungen und zugleich auch Sorgen von Seiten der Unternehmensgründer. Damit die einzelnen Regionen junge Menschen anziehen, müssen zahlreiche neue Unternehmen entstehen, und auch die kleinen und mittleren Unternehmen müssen sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Fast alle Besitzer kleiner und mittlerer Unternehmen haften bei Darlehen mit ihrem persönlichen Vermögen. Wenn dann etwas schief geht, haben sie praktisch alles verloren. Man muss zugeben, dass diese Regelung dem Eifer derjenigen in unserem Land, die ein neues Unternehmen gründen wollen, oft einen großen Dämpfer versetzt. Zugleich ist dieses System der Haftung mit dem persönlichen Vermögen die Ursache dafür, dass vielen eine erneute Chance verwehrt wird. Wer einmal mit seinem Vorhaben gescheitert ist, der liegt völlig am Boden, und es ist dann schwierig, sich noch einmal einer neuen Herausforderung zu stellen. Weil aber viele Unternehmer, die beim ersten Mal gescheitert sind, aus dieser Erfahrung lernen und es beim nächsten Mal oft besser machen, gibt es zum Beispiel in den Vereinigten Staaten ein System, das solchen Unternehmern die Aufnahme von Darlehen erleichtert. Menschen, die eine solche Erfahrung des Scheiterns bereits gemacht haben, sind hier einfach im Vorteil. Dass das stimmt, weiß ich aus eigener Erfahrung – schließlich bin auch ich in meiner ersten Amtszeit als Premierminister gescheitert.
Im Februar dieses Jahres traten neue Richtlinien in Kraft, die es bei einer eindeutigen Trennung von Privat- und Unternehmensvermögen möglich machen, auch ohne persönliche Haftung Darlehen zu erhalten. Zwei Förderbanken, die staatliche Japan Finance Corporation (JFC) und die Shoko Chukin Bank, vergeben bereits auf der Grundlage dieser Richtlinien Darlehen ohne persönliche Haftung. Ich bin davon überzeugt, dass die Abkehr vom hierzulande üblichen Brauch der Haftung mit dem persönlichen Vermögen dazu beitragen wird, starke Regionen zu schaffen. Die wichtigste Ursache für Sorgen bei Unternehmensgründungen in den Regionen ist die Befürchtung, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen. Daher wurde ein System der bevorzugten Beschaffung ins Leben gerufen, bei dem in den ersten zehn Jahren nach der Gründung eines kleinen oder mittleren Unternehmens dessen Produkte oder Dienstleistungen ohne Ausschreibungsverfahren auf freiwilliger Basis bevorzugt angeschafft bzw. in Anspruch genommen werden. Wir werden dem Parlament während seiner außerordentlichen Sitzungsperiode im kommenden Herbst einen ersten Gesetzentwurf in Bezug auf die Förderung der schöpferischen Potentiale der Regionen vorlegen und uns mit ganzer Energie für eine zeitnahe Umsetzung einsetzen.
Neben den Regionen bildet in Japan das Potential der Frauen das größte schlummernde Potential, das noch seiner Entfaltung harrt. Selbst in diesem großen Konferenzsaal mit so vielen Teilnehmern sehe ich nur hier und da einzelne Frauen unter dem Zuhörern. Vor kurzem habe ich in der Stadt Iizuka in der Präfektur Fukuoka die Besitzerin eines Geflügelhofs kennengelernt. Durch ihren Kontakt mit den Verbrauchern wurde sie dazu angeregt, nicht nur Eier, sondern auch Eiprodukte wie Pudding oder Speiseeis zu vertreiben. Dafür nutzt sie geschickt das Internet aus einer typisch weiblichen Perspektive heraus und hat so ihr Unternehmen erheblich ausgebaut. Diese Unternehmerin ist ein gutes Beispiel für die sogenannte sechste Industrialisierung der Landwirtschaft. Eines meiner Lieblingsgerichte ist Eierreis, und auch bei diesem Gericht hatte die Unternehmerin den Einfall, ein besonderes Topping mit Zwiebeln zu kreieren. Ich habe dieses Topping probiert und es schmeckt wirklich ausgezeichnet. Ich denke, auch diese Kreation dürfte viele Verbraucher überzeugen. Auf diese Weise habe ich zudem erkannt, dass bei der von mir angestrebten Freisetzung der schöpferischen Potentiale der Regionen dem Potential der Frauen eine besonders große Bedeutung zukommt. Ich appelliere an die Frauen, sich unabhängig von ihrem Alter dieser Herausforderung zu stellen. Um ein Umfeld zu gestalten, in dem Frauen ohne weiteres berufstätig sein können, werden wir die Zahl der Kitas so umfassend ausweiten, dass in Japan niemand mehr das Wort Warteliste in Bezug auf einen Kitaplatz verwenden muss. Durch die Nutzung der Grundschulen als Horte werden wir auch die bisher bestehende Barriere der „ersten Grundschulklasse“ überwinden. Ich möchte die Junior Chamber International Japan bitten, sich ebenfalls für die Realisierung einer Gesellschaft einzusetzen, in der die Frauen leuchten können.
Japan wieder zurückholen. Eine weitere Säule hierfür bildet die Außen- und Sicherheitspolitik. Ich bin davon überzeugt, dass die Vertiefung des Zusammenwirkens mit den Staaten, mit denen wir die grundlegenden Werte Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit teilen, einen wichtigen Beitrag für Frieden und Stabilität in Japan und in der Welt leistet. Und die wichtigste Aufgabe für mich sowie für meine Regierung besteht darin, in jedweder Situation die Unversehrtheit von Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger sowie ihr Führen eines friedlichen Lebens in diesem Land zu gewährleisten. Das sicherheitspolitische Umfeld, in dem Japan sich heute befindet, gestaltet sich zunehmend schwierig. Es ist nicht länger möglich, dass ein Land seine Bürgerinnen und Bürger aus eigener Kraft beschützt. Am 1. Juli hat das Kabinett Richtlinien für die Ausarbeitung von neuen Gesetzesvorschriften in Bezug auf die Sicherheit verabschiedet. Es werden nun rasch eigene gesetzliche Regelungen vorbereitet, die uns ein umgehendes Reagieren auf alle möglichen Situationen ermöglichen werden und das Abschreckungspotential erhöhen. Im Rahmen dieses Vorgehens hat das Kabinett zudem – wenn auch provisorisch – beschlossen, teilweise eine eingeschränkte Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung zu gestatten, wobei die bereits bestehenden Bestimmungen der Verfassung selbstverständlich erhalten bleiben. Ein Beispiel: Im Umfeld Japans startet womöglich ein Land eine ballistische Rakete, die in Richtung Japan fliegt. Ein US-Zerstörer der Aegis-Klasse, der im Rahmen der Raketenabwehr im Japanischen Meer stationiert ist, wird womöglich eine Rakete vom Typ SM3 starten, um die ballistische Rakete abzufangen oder er verfolgt den genauen Kurs dieser Rakete. Dafür richtet das Schiff alle seine Fähigkeiten auf den Luftraum. Dadurch wird aber die unmittelbare Umgebung des Schiffes vernachlässigt. Um hier Schutz zu bieten, ist ein weiterer Aegis-Zerstörer bzw. ein anderes Schiff mit entsprechenden Fähigkeiten erforderlich. Ein Aegis-Zerstörer wäre hier am besten. Die Zahl der Aegis-Zerstörer, die im Rahmen der 7. US-Flotte operieren, ist jedoch begrenzt. Sollte nun ein Aegis-Zerstörer der Japan Maritime Self Defence Force (JMSDF) in der Nähe sein, dann könnte dieser Zerstörer z.B. den Start einer Schiffsabwehrrakete erkennen, während der US-Zerstörer dazu nicht in der Lage wäre. Sollte dem japanischen Aegis-Zerstörer nun nicht erlaubt sein, die anfliegende Rakete abzufangen, obwohl er dazu in der Lage ist? Es ist klar, dass, sollte sie nicht abgefangen werden, in dem Augenblick das enge japanisch-amerikanische Bündnis ernster Gefahr ausgesetzt wäre. Ein weiteres Beispiel: Im Umfeld Japans bricht ein Konflikt aus. Ein amerikanisches Schiff, das japanische Staatsbürger aus diesem Land evakuiert und nun an Bord hat, dürfte aber nicht von einem Schiff der JMSDF beschützt werden. Es stellt sich die Frage, ob das wirklich so in Ordnung ist.
Im Rahmen der japanischen Verfassung habe ich die Pflicht, mich auf der Grundlage eben dieser Verfassung mit der Aufgabe zu befassen, ob es wirklich angeht, hier nicht einzugreifen, um das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger zu beschützen sowie ihr Führen eines friedlichen Lebens zu gewährleisten. Ist es wirklich in Ordnung zu behaupten, solche Fälle träten so gut wie nie ein und deshalb die Augen vor ihnen zu verschließen? Ich denke nicht, dass die Verfassung, die aus dem Wunsch heraus geschaffen wurde, das Glück aller Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, der Regierung in solchen Fällen vorschreibt, sie dürfe ihrer Verpflichtung zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger nicht nachkommen. Daher wurde nun der besagte Kabinettsbeschluss verabschiedet. Es wird kritisiert, Japan werde dadurch zu einem Land, das Krieg führen dürfe oder es könne nun in einen Krieg verwickelt werden. Das ist eine Kritik, die bereits früher zu hören war. Als 1960 der japanisch-amerikanische Sicherheitsvertrag erneuert wurde, bestand das wichtigste Argument gegen diese Erneuerung darin, Japan könne durch die Erneuerung des Vertrags in einen Krieg verwickelt werden. Die Medien, die sich gegen die Erneuerung wandten, wiederholten dieses Argument wieder und wieder, so dass sich die Menschen schließlich wirklich bedroht fühlten und sich gegen die Erneuerung des Vertrags erhoben. Seitdem sind fünfzig Jahre vergangen. Und … wurde Japan in einen Krieg verwickelt?
Im April stattete US-Präsident Obama Japan einen Besuch ab. Dabei gab er bekannt, dass die Vereinigten Staaten den Artikel 5 des Sicherheitsvertrags auf alle Territorien, die sich unter japanischer Verwaltungshoheit befinden – darunter auch die Senkaku-Inseln – anwenden werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie diese Territorien gemeinsam mit uns verteidigen werden. Diese Zusage dürfte wohl von fast allen Zeitungen begrüßt worden sein, und auch eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern hat die Zusage unterstützt. Ich möchte hier jedoch darauf hinweisen, dass diese Zusage ohne die damalige Erneuerung des Artikels 5 nicht möglich gewesen wäre. Gerade weil der Vertrag damals erneuert wurde, besteht heute dieses Abschreckungspotential. Unterstützen wir die Zusage nicht gerade deshalb, weil sie uns spüren lässt, dass Japan wirklich beschützt wird? Ich frage mich, warum die Zeitungsverlage, die sich damals gegen den Vertrag wandten, diesen heute unterstützen können. Wir müssen uns auch in Zukunft entschlossen und mutig dieser Aufgabe stellen, um das Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Erlauben Sie mir zum Schluss des heutigen Vortrags, dass ich Ihnen eine Äußerung des australischen Premierministers Abbott mitteile, die er bei meinem jüngsten Besuch dort gemacht hat. Im Rahmen dieses Besuchs wurde mir als erstem Premierminister Japans die Ehre zuteil, vor dem australischen Parlament zu sprechen. Nach der Rede gaben Premierminister Abbott und ich gemeinsam eine Pressekonferenz. Dabei wandte sich der Premier direkt an die Medienvertreter und lobte Japan folgendermaßen: „Japan sollte fair bewertet werden. Man darf es nicht an dem messen, was es vor siebzig Jahren getan hat, vielmehr sollte man es an seinem heutigen Handeln messen. Japan hat seit dem Ende des Krieges als ein vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft einen kontinuierlichen Beitrag in der Welt geleistet.“ Ich denke, das heutige Japan darf stolz sein, weil es ein Land ist, das Freiheit und Demokratie aufrichtig schützt, das Völkerrecht achtet und die grundlegenden Menschenrechte verteidigt. Es hat mit ganzer Kraft seinen Weg als ein dem Frieden verpflichteter Staat beschritten. Japan wird nun einen noch größeren Beitrag für die Welt leisten. Ich bin davon überzeugt, dass wir dadurch unser Land und unsere Region zu einer sehr viel besseren, friedlichen und stabilen Region machen können. Vor zwei Jahren hieß es, Japan gehe seiner Abenddämmerung entgegen. Heute beginnen wir unser Selbstvertrauen zurückzuerlangen und wir wissen, dass unser Land sich keinesfalls im Niedergang befindet. Ich glaube fest daran, dass, wenn Sie alle, die Sie heute hier zusammengekommen sind, an Ihren Hoffnungen für die Zukunft festhalten und voller Selbstvertrauen Ihren Weg weiter voranschreiten, Sie ohne Zweifel eine neue Morgensonne begrüßen können. Lassen Sie uns gemeinsam ein starkes Japan schaffen! Lassen Sie uns diese Aufgabe gemeinsam angehen!
Vielen Dank.