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Neues aus Japan Nr.125 April 2015

„Was die Vereinten Nationen für Japan bedeuten“

Rede von Premierminister Shinzo Abe
an der United Nations University in Tokyo
am 16.03.2015

 
Fotos: Cabinet Public Relations Office

 

Sehr geehrter Herr Rektor Malone,
für Ihre freundlichen Worte danke ich Ihnen vielmals. Sehr geehrter Herr Generalsekretär Ban, Ihr Vortrag hat mich tief beeindruckt. Auch Ihnen möchte ich ganz herzlich danken.

 

Eine Zeit zum Handeln und Japans Entschlossenheit

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
dieses und das nächste Jahr stellen für die Vereinten Nationen und tatsächlich auch für Japan einen außerordentlich wichtigen Zeitraum dar.
Für die Vereinten Nationen jährt sich in diesem Jahr der Jahrestag ihrer Gründung zum 70. Mal. Und Japan wird im kommenden Jahr das 60-jährige Jubiläum seiner Aufnahme in diese Staatenorganisation feiern. Wir haben uns dazu entschlossen, diese beiden Jahre als einen „Zeitraum für konkretes Handeln“ zu gestalten.

Immer wieder reichen die Aufgaben, denen wir uns gegenüber sehen, über den Rahmen einzelner Staaten hinaus, seien es Extremismus, Terrorismus, nukleare Proliferation, Klimawandel oder schreckliche Epidemien.
Allerdings lehrt uns die Situation eins - und zwar nur diese eine Sache: Wir dürfen uns unter keinen Umständen auseinanderdividieren lassen. Die Staaten müssen heute noch enger zusammenstehen als jemals zuvor.

In diesem Jahr strebt Japan bei den Wahlen zum Sicherheitsrat zum elften Mal einen Sitz in diesem Gremium an. Wir sind entschlossen, bei den Diskussionen sowohl innerhalb der VN als auch außerhalb der Organisation bei allen Themen an führender Stelle mitzuwirken.
Ich möchte die Gemeinschaft der VN davon überzeugen, das Konzept von „Human Security“, das Japan seit vielen Jahren aktiv fördert, in die neue Entwicklungsagenda aufzunehmen.
Insbesondere aber läuft uns bei der Reform des Sicherheitsrats die Zeit für weitere Diskussionen davon. Es ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem wir konkrete Ergebnisse vorlegen müssen.

Japan ist stolz darauf, dass wir auf eine Vielzahl von Errungenschaften blicken können, die wir geleistet haben. Unser Land steht nun bereit, die Rolle eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats auszufüllen. Dies gilt für das bisherige Japan und es gilt auch für das künftige.

Nehmen Sie zum Beispiel einen der neuen Bereiche, in denen man künftig noch mehr von Japans einzigartigem Beitrag erwarten darf.
Einer dieser Bereiche ist die sogenannte „Smart Platinum Society“, d.h. eine Gesellschaft, in der ältere Menschen mittels des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien, Robotern und weiteren Technologien dieser Art in die Lage versetzt werden, bis ins hohe Alter ein erfülltes und aktives Leben zu führen.
Nun, da sich die VN anschicken, die Herausforderungen der Alterung der Gesellschaft in Angriff zu nehmen, hat Japan, das die Welt beim Weg in diese „Platinisierung“ anführt, die Absicht, diese Herausforderungen unter Nutzung aller technologischen Fähigkeiten, die uns zur Verfügung stehen, zu meistern.

 

Japan fühlt sich auch heute der vor sechzig Jahren gegebenen Zusage verpflichtet

Dieses und das nächste Jahr bietet Japan die Gelegenheit, auf den Weg zurückzublicken, den wir gemeinsam mit den VN beschritten haben, damit wir unsere Entschlossenheit in Bezug auf die Zukunft erneuern.
Während wir aufrichtiges Bedauern über den Krieg empfinden, haben wir den von uns beschrittenen Weg seit dem Ende des Krieges der Gestaltung eines freiheitlichen und demokratischen Staatswesens verschrieben, das die Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts hochhält.

Unser Ziel war es stets, ein Land zu werden, das in der Lage ist, einen Beitrag für Frieden, Wachstum und Wohlstand in der Region Asien-Pazifik sowie weltweit zu leisten.
Das war genau das Ziel, dem sich unsere Eltern und Großeltern verschrieben haben. Wie glücklich und dankbar müssen sie gewesen sein, als Japan in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde. Dies ist etwas, was wir nachfolgenden Generationen versuchen sollten, uns von Zeit zu Zeit in Erinnerung zu rufen.

An dem Tag, an dem Japan in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde, führte der damalige Außenminister Mamoru Shigemitsu in seiner Rede vor den VN aus: „Japan […] erkennt die in der Charta der Vereinten Nationen aufgeführten Verpflichtungen an und wird diese mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln achten.“
Mein Großvater Nobusuke Kishi, der Shigemitsu als Außenminister nachfolgte, betonte ebenfalls in einer seiner Reden vor dem japanischen Parlament: „Japan steht jederzeit bereit, so viele Beiträge zu leisten wie notwendig sind, um die Autorität der Vereinten Nationen zu stärken und Frieden in der Welt durch die VN zu verwirklichen.“

Indem wir an dieser Absicht festhielten, mit der unser Weg begann, ist Japan bis heute ein stabiler und robuster Pfeiler, der die Vereinten Nationen stützt.
Auch künftig wird es für uns von großer Bedeutung sein, uns das Hochgefühl und die Wertschätzung in Erinnerung zu rufen, die unser Land vor sechzig Jahren erfüllte und uns mit Blick auf unsere heutigen Zusagen demselben anfänglichen Geist zu verschreiben. Dies möchte ich vor allem der jüngeren Generation in meinem Land vermitteln, die als Träger unserer Zukunft fungieren wird.

 

Finanzielle Beiträge leisten und Ideen aufzeigen

Es war der zweite Generalsekretär der VN, Dag Hammarskjold, der einmal sagte, die Vereinten Nationen seien „NICHT gegründet worden, um die Menschheit ins Paradies zu führen, ...“ – sein berühmter Spruch geht weiter: „…SONDERN um die Menschheit vor der Hölle zu bewahren.“
Wir werden noch heute von diesen Worten eines Mannes, der auch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges niemals die Existenzberechtigung der Vereinten Nationen aus dem Blick verlor, zutiefst berührt.

Was aber Japan anbelangt, so brauchte uns niemand von der großen Bedeutung der Vereinten Nationen zu überzeugen.
Warum war das so? Weil die Menschen in Japan stets danach getrachtet haben, wie sie die Ideale der Vereinten Nationen unter allen Umständen bewahren können. Die Summe aller Beiträge an die VN sowie finanziellen Zuwendungen an Blauhelmmissionen, die Japan geleistet hat, übersteigt ohne weiteres die Marke von 20 Mrd. US-Dollar. Und das ist nur der damalige Zeitwert. Das einzige Land, das in den letzten etwa dreißig Jahren einen größeren finanziellen Beitrag geleistet hat als Japan, sind die Vereinigten Staaten.
Unsere Leistungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit belaufen sich auf 324,9 Mrd. US-Dollar, auch dies nur der damalige Zeitwert.

Ich möchte hier aber nicht Eigenlob betreiben. Ich erzähle Ihnen diese Dinge nur, damit Sie begreifen, dass Japan sich nach wie vor dem anfänglichen Geist verpflichtet fühlt, der uns vor 59 Jahren erfüllte, und auch, um uns selbst daran zu erinnern.

Gewähren Sie mir an diesem Punkt Ihre Aufmerksamkeit. Eine Reform der VN ist unerlässlich, damit diese Organisation weiterhin in der Lage ist, die wechselnden und zunehmend komplexer werdenden Herausforderungen innerhalb der Staatengemeinschaft in Angriff zu nehmen. Die Verwirklichung dieser Reform einschließlich derjenigen des Sicherheitsrats ist absolut notwendig.

Ich habe hier einen weiteren Punkt, auf den ich mit Blick auf das Verhältnis Japans zu den Vereinten Nationen hinweisen möchte.

Das war während der 1990er Jahre, als unsere Seite, d.h. die Seite, die ein freies und demokratisches politisches sowie wirtschaftliches System genoss, siegreich aus dem Kalten Krieg hervorging.
Zusammen mit führenden Persönlichkeiten wie Dr. Amartya Sen und Dr. Sadako Ogata setzte sich Japan für einen Wandel in Bezug auf das Konzept von Sicherheit ein.
Es war zur damaligen Zeit, als das Wort „human“ zusätzlich zum Wort „national“ dem Begriff „Sicherheit“ vorangestellt wurde.
Es war zudem die Zeit, als Japan – eingedenk der Veränderungen im Hintergrund – mit fester Überzeugung seine seit langem gehegte Philosophie als Ziel für die Vereinten Nationen und als eine Angelegenheit für die gesamte Menschheit entschlossen weiter verfolgte.
Dies haben wir getan, weil wir jedem einzelnen Menschen große Bedeutung beimessen, ihm Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen und ihn von Mangel und Furcht befreien – ein Weg, den Japan seit der frühen Moderne kontinuierlich beschritten hat.

 

Die Art und Weise der von Japan entwickelten Unterstützung

Tatsächlich ist es die Bildung, die die Würde des Menschen als menschliches Wesen fördert und die Grundlagen für Frieden und Wohlstand schafft. Bildung beugt Kriminalität und Extremismus vor und führt zu sozialer Stabilität.

Dass ausnahmslos alle Kinder eine qualitativ hochwertige Ausbildung verdienen, bildete stets eine der Säulen der Entwicklungszusammenarbeit Japans im Bereich Bildung.
Wir bauen Schulen in den Dörfern. Wir bauen dort hygienisch einwandfreie Sanitärsysteme auf und befreien so Mädchen von Angst und Sorge.
Viele Frauen verbringen den halben Tag mit dem Tragen von Wasser, und diese ermüdende Arbeit lastet schwer auf ihren Schultern. Japan hält diese Bedingungen für ungerecht und strebt daher die Stärkung jeder einzelnen Frau und jedes Mädchens an.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wir verfolgen diesen Ansatz bis zum heutigen Tag.
Tagtäglich rufe ich dazu auf, eine „Gesellschaft zu schaffen, in der Frauen leuchten“. Ich werde diesen Appell auch in Zukunft an alle richten und nicht aufgeben.
Im letzten Jahr veranstaltete Japan mit großem Erfolg das Symposium WAW!, die „World Assembly for Women“. Wir werden diese Veranstaltung so lange weiterführen, bis wir einen Wandel innerhalb der Gesellschaften erreicht haben. Ich rufe alle Beteiligten dazu auf, auch in diesem Jahr Ende August wieder nach Japan zu kommen.
Dieses Jahr werden wir unsere Beiträge für die Frauenorganisation der VN gegenüber dem vorletzten Jahr verzehnfachen.

Bei der Einrichtung des Global Fund hat Japan an führender Stelle mitgewirkt und sich unermüdlich für seinen Ausbau eingesetzt. Dieser Fonds hat das Ziel, die „drei großen“ Infektionskrankheiten AIDS, Malaria und Tuberkulose endlich in den Griff zu bekommen und zu überwinden.
Auch in diesem Jahr wird Japan Mittel in Höhe von 190 Mio. US-Dollar für den Fonds bereitstellen. Darüber hinaus wird im kommenden Dezember hier in Tokyo eine Konferenz stattfinden, um die weitere Zukunft dieses Fonds zu diskutieren. In Kürze wird Japan im Rahmen eines ganz neuen Ansatzes der kenianischen Regierung finanzielle Zusammenarbeit im Umfang von rund 33 Mio. US-Dollar bereitstellen, um deren Gesundheitspolitik als Ganzes zu unterstützen. Diese Gesundheitspolitik setzt sich für die Förderung von „UHC“ oder „Universal Health Coverage“ ein und verfolgt das Ziel, jedem Einzelnen Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung zu erschwinglichen Kosten zu gewähren.

Dies ist die Art von Entwicklungszusammenarbeit, die wir in den vergangenen zwanzig Jahren unermüdlich geleistet haben. Sie macht deutlich, dass sich unsere Philosophie für diese Zusammenarbeit auf dem Konzept von Human Security gründet. Und vor kurzem haben wir dies mit der Veröffentlichung von Japans „Development Cooperation Charter“ auch ganz offiziell in den Mittelpunkt unserer Entwicklungszusammenarbeit gerückt.
Entwicklung muss nachhaltig sein und sich auf eine langfristige Perspektive gründen. Zusätzlich zur Befreiung von Mangel und Furcht ist es für Entwicklung erforderlich, dass den Menschen die Freiheit zum Träumen gewährt wird. Gerade aus diesem Grund streben wir ein Wachstum an, das von Qualität geprägt ist.
Diese Überlegungen sind es, die in unsere „Development Cooperation Charter“ einfließen. Ich hoffe sehr, dass dies zur Diskussion über die Post-2015-Entwicklungsagenda beitragen wird.

 

Hiroshima, Nagasaki und die Schaffung von Frieden

In seiner Rede vor 59 Jahren am selben Tag, als Japan Mitglied der Vereinten Nationen wurde, erklärte der damalige Außenminister Shigemitsu: „Als einziges Land, das die Schrecken der Atombombe selbst erlebt hat, kennt Japan deren tragische Konsequenzen.“
Es stimmt zweifellos, dass Japan besser als jedes andere Land weiß, dass sich Hiroshima und Nagasaki niemals wiederholen dürfen. Dies ist genau der Grund, warum sich mein Land innerhalb der Vereinten Nationen unermüdlich für die Notwendigkeit der vollständigen Abschaffung von Kernwaffen einsetzt.

In diesem Jahr jähren sich auch die Jahrestage der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 70. Mal. Wir werden in beiden Städten internationale Konferenzen veranstalten, um auf die große Bedeutung der nuklearen Abrüstung und die Gefahr der Weiterverbreitung hinzuweisen. Darüber hinaus wird unser Land auch in diesem Jahr erneut der Generalversammlung der VN einen Resolutionsentwurf für die nukleare Abrüstung vorlegen.

Anfang des Jahres habe ich die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besucht. Dieser Besuch hat einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Ich habe erkannt, wie unerbittlich Menschen dabei sein können, wenn sie eine bestimmte Gruppe von Menschen ausgrenzen und zum Ziel von Diskriminierung und Hass machen. Im Rahmen seiner Außenpolitik verfolgt Japan ein bescheidenes aber kontinuierliches Engagement auf Mindanao (Philippinen) oder in Sri Lanka, um den Hass zu überwinden und die Aussöhnung zu fördern. Im kommenden Juni werden wir ein „Seminar über Friedensschaffung, nationale Aussöhnung und Demokratisierung in Asien“ veranstalten.
Dieses Seminar wird es Ländern in Asien ermöglichen, ihre eigenen Erfahrungen auf diesen Gebieten vorzustellen. Die Veranstaltung wird hier in der United Nations University stattfinden.

Ich nehme an, Ihnen allen ist bereits bekannt, dass Japan sich nun einem „proaktiven Beitrag zum Frieden auf der Grundlage des Prinzips der internationalen Zusammenarbeit“ verschrieben hat. Es versteht sich von selbst, dass die Kooperation und das Zusammenwirken mit den Vereinten Nationen den eigentlichen Kern dieses Engagements ausmachen.
Ich möchte Sie darüber hinaus alle bitten, im Gedächtnis zu behalten, dass Japan nun zudem ein umfangreiches Programm zur professionellem Ausbildung von Personal für die Schaffung von Frieden ins Leben gerufen hat.

 

Die Vereinten Nationen müssen mit der Zeit schritthalten

Als Schlussbemerkung meiner heutigen Ausführungen möchte ich unterstreichen, dass wir die Langlebigkeit einer Organisation wie die Vereinten Nationen nur dann feiern, wenn dies als Beweis dafür gilt, dass diese Organisation sich kontinuierlich weiterentwickelt.
Gerade jetzt leiden Menschen unter der Ebola-Epidemie, und es gibt Menschen, deren Leben durch gesetzlose Terroristen bedroht ist. Manche arbeiten eifrig daran, Massenvernichtungswaffen zu bauen, während wieder andere danach trachten, diese Waffen weiterzuverbreiten.

Die Vereinten Nationen sind eine Organisation, die seit ihren Anfängen stets mit der Zeit schritthalten musste. Sie ist eine Institution, die dazu verpflichtet ist, sich immer weiterzuentwickeln. Der Grund dafür ist, dass es immer wieder neue Aufgaben geben wird, die neue Formen des Engagements verlangen.

Zum Schluss möchte ich daher daran erinnern, dass die Reform der Vereinten Nationen eine Angelegenheit von großer Dringlichkeit ist und dass wir keine Mühe scheuen werden, um diese Reform zu verwirklichen.

Vielen Dank.

 

 


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