
Rede von Premierminister Shinzo Abe beim Asien-Afrika-Gipfel in Jakarta
am 22.04.2015
anlässlich der Gedenkveranstaltung zur Asien-Afrika-Konferenz in Bandung 1955
Fotos: Cabinet Public Relations Office
Erlauben Sie mir, dass ich zunächst meine herzlichsten Glückwünsche an Seine Exzellenz Joko Widodo, den Präsidenten der Republik Indonesien, sowie an all diejenigen richte, die sich für die Gastgeberrolle Indonesiens bei dieser Zusammenkunft zur Feier des 60. Jahrestags der Bandung-Konferenz in so hohem Maße engagiert haben.
Es erfüllt mich mit Stolz, hier als Vertreter eines Landes zu stehen, das zu den asiatischen und afrikanischen Staaten zählt.
Lasst uns zusammen leben
Zusammen leben. Dies sind die Worte, die der damalige indonesische Präsident Soekarno ausrief. Und diesen Schwur, der den Geist von Bandung repräsentiert, teilen wir auch heute – sechzig Jahre später – noch immer miteinander.
Seit jeher sind in Asien und Afrika die verschiedensten Ideen und Religionen entstanden, die sich dann über die ganze Welt ausgebreitet haben. Die Geisteshaltung der Großzügigkeit, die als ein Ergebnis unserer Vielfalt zu preisen ist, stellt ein wichtiges gemeinsames Gut dar, auf das wir zu Recht stolz sein können.
Indem sie eben diese Haltung bewahrten, waren es unsere Freunde in Asien und Afrika, die Japan nach dem Zweiten Weltkrieg neuen Auftrieb gaben, so dass unser Wiedereintritt in die Staatengemeinschaft möglich wurde. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und unseren Freunden dafür noch einmal unseren aufrichtigen Dank aussprechen.
Es mag eine Notwendigkeit der Geschichte gewesen sein, dass vor sechzig Jahren zahlreiche Staaten Asiens und Afrikas hier zusammenkamen, um ihre feste Einigkeit zu demonstrieren. Denn unsere Vorväter wurden von einem gemeinsamen Wunsch angetrieben: dem Wunsch nach Frieden.
Lasst uns die Aufgaben zusammen in Angriff nehmen
Und heute, da wir erneut hier zusammengekommen sind, teilen wir sehr viel mehr gemeinsame Herausforderungen miteinander als vor sechzig Jahren.
Wir dürfen niemals die Anwendung von Gewalt durch Stärkere hinnehmen, die auf diese Weise Schwächere unter Druck setzen. Die Weisheit unserer Vorväter in Bandung kam darin zum Ausdruck, dass die Würde souveräner Staaten durch die Herrschaft des Rechts geschützt werden sollte – unabhängig davon, ob sie groß oder klein sind.
Weltweit werden wir Zeugen abscheulicher Taten, die von Terroristen begangen werden. Wir dürfen ihnen nirgendwo auf der Welt Unterschlupf gewähren.
Staatengrenzen verlieren angesichts von Infektionskrankheiten oder Naturkatastrophen ihre Bedeutung. Der Klimawandel bedroht das Überleben fragiler Inselstaaten und birgt sogar das Risiko ihres gänzlichen Verschwindens. Kein Land kann solche Probleme aus eigener Kraft lösen.
Lasst sie uns gemeinsam in Angriff nehmen.
Wir müssen der Welt erneut unsere feste Einigkeit unter Beweis stellen.
Japans Entschlossenheit
Japan ist angesichts dieser Umstände fest entschlossen, für die Lösung dieser Fragen auch weiterhin alles in seinen Kräften Stehende zu tun, so wie wir dies bisher bereits getan haben.
„Abstand nehmen von Akten der Aggression, von entsprechenden Drohungen oder von der Anwendung von Gewalt, die sich gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit irgendeines Landes richtet. […] Beilegung aller internationaler Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln […]“
Dies sind einige der Prinzipien von Bandung, die wir bekräftigt haben. Japan, das aufrichtiges Bedauern über den letzten Krieg empfindet, hat damals das Versprechen gegeben, stets ein Land zu bleiben, das sich diesen Prinzipien unter allen Umständen verpflichtet fühlen wird.
Mein Land war damals zudem entschlossen, zusammen mit den Staaten Asiens und Afrikas, die unter dem Schirm der Prinzipien von Bandung nach Frieden und Wohlstand strebten, an vorderster Stelle zu gehen.
So begann unsere Reise. Sie führte uns vor sechzig Jahren zunächst nach Indien, wo wir uns gemeinsam mit den Bauern dieses Landes für den Ausbau der Fähigkeiten bei der Nutzung landwirtschaftlicher Maschinen einsetzten. Die Reise führte uns weiter nach Sri Lanka, wo wir wiederum Hand in Hand mit den Menschen vor Ort Epidemien bekämpften, die die Viehwirtschaft des Landes bedrohten.
Die nächste Station unserer Reise war Afrika, wo wir mit den Menschen dort sowohl unsere Arbeitsethik als auch unser Wissen in Bezug auf die Herstellung von Gütern teilten, die in unseren Unternehmen entstanden und auf die wir stolz sind. So hat etwa die Idee von „Kaizen“ mittlerweile in Äthiopien Fuß gefasst, wo ein Labor mit genau diesem Namen großen Anteil an der Verbesserung der Arbeitsproduktivität dieses Landes hatte.
1993 rief Japan den TICAD-Prozess (Tokyo International Conference on African Development) ins Leben und lud die Staatschefs Afrikas nach Japan ein. Seitdem führen wir im Rahmen dieses Forums einen regelmäßigen Dialog über unser weiteres Zusammenwirken mit Blick auf die Zukunft.
Die vergangenen sechzig Jahre haben das Antlitz unserer Erde dramatisch verändert.
Nun stehen mehr als jeder andere Asien und auch Afrika, wo der Geist des Wachstums zu spüren ist – gemeinsam mit vielfältigen Grundlagen als Potential für weiteres dynamisches Wachstum.
Ich sage Ihnen heute, dass die Staaten Asiens und Afrikas nun nicht länger Empfänger der Hilfe meines Landes sind. Vielmehr sind sie Japans Partner für mehr Wachstum.
Die nächste TICAD-Zusammenkunft im kommenden Jahr wird erstmals auf afrikanischem Boden stattfinden, wo wir mittlerweile eine unbändige Energie erleben können. Ob wir uns für den Aufbau humaner Ressourcen oder für den Ausbau der Infrastruktur engagieren – beides stellt eine Investition in die Zukunft dar.
Lasst uns zusammen gedeihen
Lasst uns zusammen gedeihen.
Die Möglichkeiten Asiens und Afrikas sind unbegrenzt.
Wir müssen offene und dynamische Märkte schaffen. Wir müssen diese Märkte bzw. Möglichkeiten in Grundlagen dafür verwandeln, dass unsere Kindern und Enkel Wohlstand genießen können. TTP, RCEP und FTAAP – all diese Abkommen führen meiner Meinung nach letztendlich nach Afrika.
Menschen verfügen stets über Potential für noch mehr Wachstum. Wir müssen die Vielfalt der Menschen in den einzelnen Staaten dafür nutzen, dass sie als Antrieb für kräftiges Wachstum wirken kann. Japan unterstützt nachdrücklich die Förderung der Frauen. Hand in Hand mit den jungen Menschen in Asien und Afrika, die voller Ambitionen sind, werden wir diese jungen Menschen in eine Generation verwandeln, die als Träger der industriellen Entwicklung in diesen Ländern fungieren kann.
Japan ist fest entschlossen, das Wachstum in Asien und Afrika zu einer kontinuierlichen und keineswegs kurzlebigen Entwicklung zu machen. Eingedenk dieser Entschlossenheit werden wir in den kommenden fünf Jahren 350.000 Menschen aus diesen Regionen technologische Expertise und industrielles Wissen vermitteln.
Schlussbetrachtung
Meine Damen und Herren,
unsere Länder sind wirklich von einer großen Vielfalt geprägt. Unsere politischen Systeme weisen erhebliche Unterschiede auf. Das Niveau unserer industriellen Entwicklung ist nicht dasselbe. Auch unsere Kulturen sind unterschiedlich. Keine Gesellschaft gleicht der anderen.
Nichtsdestoweniger rief Präsident Soekarno vor sechzig Jahren die Delegierten, die hier zusammengekommen waren, dazu auf, über Folgendes nachzudenken:
„Welcher Schaden liegt in der Vielfalt, wenn in Bezug auf den Willen Einheit besteht?“
Gemeinsam stehen wir heute vor zahlreichen Herausforderungen. Diese Tatsache sollte uns – sobald wir sie einmal erkannt und akzeptiert haben – in dieser „Vielfalt in der Einheit“ leicht zusammenführen können.
Ich möchte noch einmal Präsident Soekarno zitieren: „Wir Asiaten und Afrikaner müssen vereint sein“, um die vielfältigen Herausforderungen zu meistern, denen wir uns heute gegenübersehen.
Lassen Sie uns alle unsere große Vielfalt preisen. Und lassen Sie uns gemeinsam Frieden und Wohlstand für unsere Kinder und Enkel schaffen.
Vielen Dank.