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Neues aus Japan Nr.129 August 2015

Rede von Premierminister Shinzo Abe beim Festakt anlässlich des zwanzigsten „Tags des Meeres“

am 20.07.2015


Foto: Cabinet Public Relations Office

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich danke Ihnen vielmals für Ihre Anwesenheit bei diesem Festakt anlässlich des zwanzigsten Jahrestags des erstmaligen Begehens des „Tags des Meeres“ als Feiertag.

Heute vor 140 Jahren kehrte Seine Majestät der Meiji Tennō wohlbehalten von einer Inspektionsreise in die Regionen Tōhoku und Hokkaidō nach Yokohama zurück. Dies ist der Ursprung des „Tags des Meeres“. Das Schiff, auf dem der Kaiser diese Reise unternahm, war die „Meiji Maru“, ein Patrouillenschiff mit der neuesten Technik der damaligen Zeit.

Die „Meiji Maru“ befuhr die weiten Meeresgebiete im Umkreis Japans und gelangte 1875 auch zu den Ogasawara-Inseln. Dort landete das Schiff zwei Tage vor einer britischen Expedition – gerade einmal zwei Tage. Dieser kleine Unterschied hat darüber entschieden, dass die Ogasawara-Inseln japanisches Territorium wurden. Hätte es dieses Schiff nicht gegeben, wären die reichen Meeresressourcen im Umfeld dieser Inselgruppe womöglich an Großbritannien gefallen.

Japan besitzt die sechstgrößte ausschließliche Wirtschaftszone weltweit. Rund ein Drittel dieses riesigen Meeresgebietes sind der Existenz der Ogasawara-Inseln zu verdanken. Von überall her aus Japan steuern Fischer diese Gewässer an. Es ist keineswegs übertrieben zu behaupten, dass diese Inselgruppe den Menschen in Japan die Segnungen des Meeres in Form von Fischen und Meeresfrüchten im Übermaß schenkt. Im Durchschnitt findet man an den Küsten Japans alle fünf Kilometer ein Fischerdorf. Ich denke, kein anderes Land auf der Welt kann eine ähnliche Dichte aufweisen.

Einige von Ihnen mögen nun denken, dass die japanischen Fischerdörfer im Niedergang begriffen sind. Dies stimmt jedoch nicht. In der Stadt Ōarai in der Präfektur Ibaraki betreibt die Frau eines Fischers ein kleines Restaurant namens „Mamas Laden“. Vor diesem Restaurant bildet sich regelmäßig eine lange Schlange von Gästen, die darauf warten, die fangfrischen Meeresprodukte aus der Region zu kosten. Gerade die Frauen zeigen bei der sogenannten sechsten Industrialisierung großes Engagement und spielen hier eine zentrale Rolle. Obwohl dieses Restaurant durch das schwere Erdbeben im Osten Japans schwer beschädigt wurde, konnte es nur 81 Tage nach dem Erdbeben wiedereröffnet werden. Heute genießt es größeren Zulauf als vor dem Erdbeben. Die Fischerdörfer in unserem Land werden auch in Zukunft Orte sein, in denen die Menschen gerne leben und arbeiten. Sie vermitteln das Gefühl einer hoffnungsvollen Zukunft.
Es geht aber nicht allein um die Ressourcen des Meeres. Mehr als 99 Prozent der Import- und Exportgüter Japans und über vierzig Prozent des innerjapanischen Transports erfolgen auf dem Seeweg. Die Menschen in unserem Land sind daher so eng mit dem Meer verbunden, dass wir uns ein Leben ohne Meer überhaupt nicht vorstellen können.

Seit alters her bildet die Freiheit der Meere und des Handels die Grundlage für den Fortschritt der Menschheit. Ich habe die Staatengemeinschaft wiederholt dazu aufgerufen, Konflikte keinesfalls mit Gewalt oder durch Drohungen, sondern allein mit friedlichen Mitteln auf der Grundlage des Völkerrechts zu lösen. Der Starke pocht gegenüber dem Schwachen auf sein Recht – so etwas darf es mit Blick auf die Freiheit der Meere nicht geben. Es ist vielmehr für uns alle von Vorteil, wenn das „Meer“ als öffentliches Gut, das für Frieden und Gedeihen der internationalen Gemeinschaft unerlässlich ist, und auf der festen Grundlage der Herrschaft des Rechts erhalten bleibt.

„Das Meer gehört allen.“ Dieser Ausspruch des „Vaters des Völkerrechts“, Hugo Grotius, vor 400 Jahren behält auch für die Zukunft unverändert seine Gültigkeit. Wir müssen dieses wundervolle Meer an die nächste Generation weitergeben. Die Existenz von Piraten, die weltweit die Seewege bedrohen, stellt nicht nur für Japan, sondern für alle Staaten, die Seehandel treiben, eine ernste Bedrohung dar. Japan muss sich von einem „Land, das durch das Meer beschützt wird“, zu einem „Land, das das Meer beschützt“, wandeln. Wir müssen daher eine führende Rolle bei der Bewahrung freier und friedlicher Meere übernehmen.

In Asien haben zwanzig Staaten unter der Führung Japans das “Regional Cooperation Agreement on Combating Piracy and Armed Robbery against Ships in Asia (ReCAAP)” unterzeichnet. Von Singapur aus unternehmen die Mitgliedsstaaten Aktivitäten zur Überwachung der Gewässer in der Region. Vor der Küste Somalias wirken Fregatten und Aufklärungsflugzeuge der Japan Self-Defense Forces mit Beamten unserer Küstenwache zusammen, um die zivile Schifffahrt in diesem Gebiet zu beschützen. Als Resultat des engen Zusammenwirkens mit der Staatengemeinschaft konnte die Zahl der Fälle von Piraterie vor Somalia von einstmals über 200 Vorfällen auf null Fälle in der ersten Hälfte dieses Jahres reduziert werden.

1896 wurde die „Meiji Maru“ außer Dienst gestellt und diente fortan als Ausbildungsstätte für junge Kadetten der Handelsmarine. Im Zeitraum von fünfzig Jahren bis 1945 schrubbten mehr als 5.000 angehende Offiziere jeden Morgen das Schiffsdeck, enterten die Masten hinaus und setzten die Segel. Gerade auch wegen dieser strengen Lehrzeit entwickelten die Absolventen eine besondere Zuneigung zur „Meiji Maru“ als ihre Heimat, wenn sie voller Stolz ihrem Beruf auf den Meeren der Welt nachgingen.

Bedauerlicherweise nimmt die Zahl der maritimen Studiengänge an den Hochschulen Japans immer mehr ab. In meiner Jugend war der Beruf des Seemanns, der die sieben Weltmeere befährt, noch der Traum vieler junger Menschen. Ich möchte auch die jungen Menschen von heute dazu aufrufen, für sich ihre Zukunft auf dem Meer zu entdecken. Für Japan wird das Meer auch weiterhin die Quelle zahlreicher Wohltaten sein. Beispielsweise hat man in den letzten Jahren herausgefunden, dass die Meere um Japan herum die unterschiedlichsten Rohstoffe beherbergen. Nennen möchte ich z.B. Methanhydrat. Das Meer bietet uns sowohl Ressourcen als auch Arbeit. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn sich auch die jungen Menschen künftiger Generationen der Herausforderung der Erschließung der Meere stellen könnten.

Hierfür brauchen wird eine neue „Meiji Maru“, die die jungen Menschen ausbildet und die ihnen als emotionale Heimat dienen kann. Um die Ausbildung von Experten für maritime Technologien mittels eines ganz Japan umfassenden Ansatzes zu fördern, haben Wirtschaft, Wissenschaft und Staat in einer gemeinsamen Kraftanstrengung das Konsortium „Meer der Zukunft – Ausbildungsprojekt für Pioniere“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Konsortiums werden private Unternehmen Experten an Hochschulen entsenden, die dort als Lehrkräfte einen praxisorientierten Unterricht bieten und den Studierenden zugleich Praktikumsangebote vor Ort ermöglichen.
Es ist mein Ziel, die Zahl der Experten im Bereich der maritimen Technologien in Japan von derzeit rund 2.000 bis zum Jahr 2030 auf rund 10.000 zu verfünffachen. Die von diesem Konsortium ausgebildeten Humanressourcen werden an führender Stelle die Erschließung der Meere vorantreiben und uns so neue Wohltaten des Meeres erschließen.

Selbstverständlich beschränkt sich diese Ausbildung von humanen Ressourcen nicht auf junge Leute aus Japan selbst. „Die Meere sind miteinander verbunden. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir über die Grenzen unseres eigenen Landes hinaus kooperative Beziehungen gestalten und ein gemeinsames Bewusstsein entwickeln.“ Dies sind die Worte eines Auszubildenden aus Indonesien, der seine Ausbildung in Japan erhalten hat. Es ist die Bestimmung Japans, sein Wissen und seine Erfahrungen mit den Kameraden, mit denen wir durch das Meer verbunden sind, zu teilen und so einen Beitrag für Frieden und Wohlstand in der ganzen Welt zu leisten.

Eine Persönlichkeit, die dabei an vorderster Stelle steht, ist Yohei Sasakawa, der Präsident der Nippon Foundation, der heute unter uns weilt. Die Nippon Foundation hat bisher 1.075 jungen Menschen aus 129 Staaten ein Auslandsstudium ermöglicht; und die Absolventen sind heute als „Sasakawa Fellows“ auf der ganzen Welt aktiv. Sie setzen das Wissen der weltweit führenden maritimen Staaten in die Praxis um und sind in vorderster Reihe in den maritimen Behörden zahlreicher Staaten tätig. Für diese Verdienste wurde Herr Sasakawa nun mit dem International Maritime Price der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) ausgezeichnet. Ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident Sasakawa, an dieser Stelle noch einmal für Ihr bisheriges Engagement ganz herzlich danken.

Auch meine Regierung darf bei ihrem Engagement nicht zurückstehen. Ab kommendem Herbst wird an japanischen Hochschulen der weltweit erste Master-Studiengang für maritime Sicherheit angeboten, der Führungskräften aus asiatischen Ländern offen steht. Dabei geht es nicht allein um das Aneignen von Wissen. Vielmehr soll Asien über die Wogen des Meeres hinweg als Ganzes „den selben Geist miteinander teilen“. Dies ist das eigentliche Ziel der Ausbildung.

Es war der damalige Industrieminister Hirobumi Ito, der das in Großbritannien gebaute schöne Segelschiff auf den Namen „Meiji Maru“ taufte und ihm Leben einhauchte. Er war einer der fünf berühmten Modernisierer Japans aus Chōshū, der zusammen mit seinen vier Kameraden das Meer überquerte und ins Ausland ging. Auf diese Weise wurden diese Persönlichkeiten zur treibenden Kraft für die Modernisierung unseres Landes. Das Meer bietet unbegrenzte Möglichkeiten. Ich hoffe, dass sich junge Menschen nicht vor den Wogen fürchten, sondern den Sprung ins Meer wagen und sich dort für sich selbst die Zukunft erschließen.

Zusammen mit dem aufrichtigen Dank für die Wohltaten des Meeres wünsche ich mir, dass Japan als maritimer Staat weiterhin gedeihen möge. Ich beende meine Ansprache zum zwanzigsten „Tag des Meeres“ mit dem Wunsch, dass die Meere dazu beitragen mögen, der Welt Frieden und Wohlstand zu bringen.

Vielen Dank.

 

 


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