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Neues aus Japan Nr.131 Oktober 2015

Yokochō – Japans kleine Kneipenviertel verströmen einen Hauch von Nostalgie

Auf Japanisch bedeutet yokochō wörtlich eine „Gasse, die seitlich von einer großen Straße abzweigt“. Allerdings bezeichnet man damit auch die kleinen Kneipen und Bars, die sich oft in großer Zahl in eben diesen engen Gassen aneinanderreihen. Kleine Viertel mit yokochō findet man in fast allen japanischen Städten, und – wie nicht anders zu erwarten – gerade in den Großstädten Tokyo und Osaka sind sie besonders häufig anzutreffen. In Tokyo gibt es beispielsweise das Omoide Yokochō („Yokochō der Erinnerungen“) in Shinjuku, Nonbei Yokochō („Yokochō der Trunkenbolde“) in Shibuya und Harmonica’s Yokochō in Kichijoji. Diese für ihr historisches Flair bekannten Viertel entwickelten sich aus kleinen Marktständen, die nach dem Krieg überall in der weitgehend zerstörten Stadt aus dem Boden schossen. Beliebt sind diese yokochō traditionell besonders bei Männern mittleren und höheren Alters.

 


In Tokyos Omoide Yokochō Viertel, einem typischen japanischen
Kneipenviertel, wird das Eintopfgericht motsuni in großen Töpfen gekocht.

 

Wenn man durch die engen Gassen eines yokochō Viertels mit seinen vielen kleinen Kneipen streift, fühlt man sich gleichsam in die Vergangenheit zurückversetzt. Die Kneipen und Bars, in denen die Gäste Schulter an Schulter sitzen, vermitteln eine gemütliche und offene Atmosphäre, in der sich alle Anwesenden frei und ungezwungen miteinander unterhalten können. Aus großen Töpfen steigt der aromatische Duft von Eintopfgerichten wie motsuni, einem traditionellen Gericht mit Rindfleisch oder Hühnerinnereien auf, und auf kleinen Holzkohlegrills brutzeln yakitori, kleine Hühnerfleischspieße. Dies sind typische Gerichte, die seit den frühen Tagen der yokochō den Appetit der Gäste anregen und stillen.

 

 
Links: Neben motsuni sind yakitori (Hühnerspieße) ein Standardgericht in den Kneipen und Bars.
Rechts: Der Duft gegrillter yakitori lockt Gäste von der Straße in die Kneipen.

 

Im Wandel der Zeit: yokochō ziehen heute auch jüngere Menschen und Frauen an

Seit einiger Zeit erfahren die yokochō einen Wandel in eine neue Richtung, der gleichzeitig einen regelrechten Boom ausgelöst hat. Die Gäste in den beliebten yokochō Kneipen sind nun nicht länger ausschließlich Männer mittleren oder höheren Alters; vielmehr sieht man nun zunehmend auch jüngere Leute und Frauen unter den Gästen. Zu den Gründen für diese Entwicklung gehört neben den relativ günstigen Preisen für Getränke und Speisen auch die Ausweitung des Speiseangebots, das nun neben den traditionellen motsuni und yakitori auch andere Gerichte umfasst. Vor allem aber fühlen sich die Menschen von der gemütlichen Atmosphäre angezogen, in der sich jeder frei und ungezwungen unterhalten kann.

Womöglich bietet ein Besuch in den yokochō Vierteln auch jungen Menschen und Frauen die Gelegenheit, einmal Pause vom immer gleichen Alltagsleben zu machen und selbst eine Atmosphäre der Herzlichkeit zu erleben, wie es sie früher gab. Heutzutage ist daher der Anblick einer Gruppe junger Frauen, die in eine yokochō Kneipe oder Bar strömen, keine Seltenheit mehr. Die Viertel entwickeln sich sogar zu Anziehungspunkten für Touristen, da sie einen Einblick in das echte Leben und den herzlichen Charakter der Menschen in Japan ermöglichen.

 


Das Ebisu Yokochō ist relativ neu und vor allem bei jüngeren Gästen sehr beliebt. Die Atmosphäre
unterscheidet sich jedoch nicht von den traditionellen yokochō und vermittelt den nostalgischen
Charme vergangener Zeiten.

 

Den Reiz der yokochō an die kommenden Generationen weitergeben

Zusammen mit diesem Wandel gab es in den letzten Jahren auch Bestrebungen, völlig neue yokochō zu schaffen. 2008 beispielsweise öffnete das Ebisu Yokochō seine Pforten. Dieses Viertel mit Bars und Restaurants im Stil eines traditionellen yokochō war ursprünglich eine leer stehende Markthalle im Viertel Ebisu in Tokyo. Die Einrichtung orientiert sich mit ihrem Retro Look an den traditionellen Kneipenvierteln und bietet den Gästen somit eine ausgesprochen nostalgische Erfahrung. Die lebendige Atmosphäre zieht gerade auch Frauen und jüngere Menschen an.

 

 
Shibuya Niku Yokochō ist gerade auch bei jungen Frauen sehr beliebt.

 

In ganz ähnlicher Weise wurden 2009 das Shinagawa Gyokai Center („Shinagawa Seafood Center“), das sich ausschließlich auf Gerichte mit Meeresprodukten spezialisiert hat, sowie das Shibuya Niku Yokochō („Shibuya Meat Yokochō“) eröffnet. Letzteres bietet eine große Auswahl von Barbecue-Restaurants. Die Neugründung von yokochō Vierteln, die sich an bestimmten Themen orientieren, ist ein ganz neuer Trend.

 

 
Die Kneipen im Shinagawa Gyokai Center haben sich auf Gerichte mit Fisch und Meeresfrüchten (links) spezialisiert
und bieten ihren Gästen mit frisch gefangenen Produkten einen unvergleichlichen Genuss.

 

Die Gründung neuer yokochō Viertel im 21. Jahrhundert verleiht diesem Bereich der japanischen Alltagskultur eine ganz moderne Entwicklung. Tatsächlich sieht es so aus, als könnte auf diese Weise der Reiz der yokochō, wo Menschen einfach einmal abschalten und mit Freunden und Kollegen ihren Gedanken nachhängen können, auch an die kommenden Generationen weitergegeben werden.

 

© Web Japan

 


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