Bild: Kagura-Aufführung im Ise-Schrein (Foto: Wikipedia)
Im Januar veranstaltete die Botschaft eine Aufführung mit „Edo no Sato-kagura“. Zuvor hatte ich mich selbst noch rasch informiert, was „Kagura“ eigentlich ist, um die Medien in Deutschland entsprechend informieren zu können. „Kagura“ sind traditionelle Musik- und Tanzdarbietungen, die zu Ehren der Gottheiten aufgeführt werden. Sie waren zunächst Bestandteil von Zeremonien, die am kaiserlichen Hof veranstaltet wurden, sich dann aber auch auf Feste von Shinto-Schreinen in Dörfern verbreiteten. Letztere werden „Sato-kagura“ genannt; „sato“ bedeutet kleiner Ort oder Dorf, d.h. es handelt sich hierbei um Aufführungen von Musik und Tänzen bei Schreinfesten im ganzen Land. Als ich dies einem deutschen Journalisten erzählte, fragte er mich: „Ist Shintoismus eigentlich die häufigste Religion in Japan? Und sind Sie selbst Buddhist oder Shintoist?“ Tatsächlich wurden mir diese Fragen bereits früher gestellt und ich höre sie öfters.
Meiner Auffassung nach ist es nicht leicht, das Verhältnis der Menschen in Japan zur Religion zu erklären. Wenn ich in andere Länder reise, finde ich häufig die Spalte „Religionszugehörigkeit“ bei Fragebögen für die Einreise. Früher habe ich da manchmal erst überlegen müssen. Meistens habe ich dann Buddhismus angegeben, aber wenn ich gefragt werde, ob ich wirklich an die buddhistische Lehre glaube, bin ich mir selbst nicht sicher. Auf die obige Frage des deutschen Journalisten habe ich Folgendes erwidert, obwohl ich damit eine richtige Antwort schuldig blieb: „Viele Japaner besuchen zum Neujahrsfest einen Shinto-Schrein, während sie Beerdigungen nach buddhistischem Ritual durchführen. Auch gibt es viele, die in einer christlichen Kirche heiraten. Selbstverständlich gibt es auch Menschen, die fest an eine bestimmte Religion glauben und nicht an Ritualen anderer Religionen teilnehmen. Man kann es nicht verallgemeinern, aber eine geringe Schwellenangst in Bezug auf andere religiöse Vorstellungen scheint eine Besonderheit zu sein, die man bei vielen Japanern findet.“ Wie das Beispiel der „Kagura“-Aufführungen zeigt, ist das Verhältnis der Menschen in meinem Land zu Shintoismus und Schreinen weniger durch Religion als vielmehr durch Beziehungen geprägt, die in alltäglichen Bräuchen wurzeln. Ich selbst denke, dass es nicht darum geht, sich entweder für Buddhismus oder Shintoismus entscheiden zu müssen. Da diese Frage womöglich von jedem anders beantwortet wird, möchte ich sie hier nicht weiter ausführen, aber das ganze Thema ist eines der „Rätsel Japans“, bei denen ich mich außerstande sehe, es eindeutig zu erklären.
Am 26. und 27. Mai wird in der Stadt Shima in der Präfektur Mie das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G7 stattfinden. Diese Region wird Ise-Shima genannt, und meine Regierung hat sich für „G7 Ise-Shima Summit“ als offizielle Bezeichnung dieser Veranstaltung entschieden. Über die Aufgaben, die bei diesem Gipfel behandelt werden, sowie über die Ergebnisse dieser Zusammenkunft werden wir –
wie schon beim Treffen der G7-Außenminister in Hiroshima letzten Monat – auf unserer Homepage berichten.
Übrigens ist hier in Berlin zur gleichen Zeit im Museum für Asiatische Kunst die Ausstellung „Der Garten des Ise-Schreins“ des japanischen Malers Rei Torii zu sehen. Und für Ende Mai ist im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin eine Vortragsveranstaltung mit Herrn Torii geplant, der selbst ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Bande der Japaner zum Shintoismus ist. Wenn ich mit diesem Beitrag irgendwie Ihr Interesse geweckt haben sollte, dann lade ich Sie ein, sich diese Ausstellung einmal anzusehen und vielleicht auch den Vortrag zu hören, um so Gelegenheit zu bekommen, über die Beziehungen zwischen den Menschen in Japan und Shinto-Schreinen nachzudenken.
Kiminori Iwama, Gesandter