Neues aus Japan Nr. 139 | Juni 2016
Abrüstung
Im Rahmen der G7-Präsidentschaft Japans fand neben dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 26. und 27. Mai in Ise-Shima bereits im April die Zusammenkunft der G7-Außenminister in Hiroshima statt. Als ein Event im Vorfeld dieser Zusammenkunft wurde am 27. März das „Hiroshima Forum of Former Youth Communicators for a World without Nuclear Weapons“ veranstaltet. In seinem Redebeitrag für dieses Forum unterstrich Außenminister Fumio Kishida die große Bedeutung der Förderung des Verständnisses für die schreckliche Realität der Atombombenabwürfe über die Generationen und Ländergrenzen hinweg und gab die Gründung einer „International Networking Initiative of Youth Communicators for a World without Nuclear Weapons“ bekannt. In diesem Beitrag werden die Botschafter („Special Communicators“) bzw. Jugendbotschafter („Youth Communicators“) für eine Welt ohne Kernwaffen näher vorgestellt und die Ziele dieses Engagements erläutert.
Die Erinnerung an das große Leid der Menschen von Hiroshima und Nagasaki über Generationen und Ländergrenzen hinweg weiterzugeben ist eine Aufgabe, der sich Japan als einziges Land, das den Einsatz von Kernwaffen im Krieg selbst erlitten hat, zutiefst verpflichtet fühlt. Auch um das Engagement für eine Welt ohne Kernwaffen, das derzeit verstärkte Aufmerksamkeit erfährt, weiter zu stärken, sind das nachdrückliche Engagement sowie die Förderung des Interesses der Zivilgesellschaft unerlässlich. Das fortschreitende Alter der Atombombenopfer macht darüber hinaus auch ein effizientes Zusammenwirken von Regierung und Zivilgesellschaft erforderlich. Angesichts dieser Entwicklung wurde im Rahmen der Gedenkfeiern für die Atombombenabwürfe in Hiroshima am 6. August sowie in Nagasaki am 9. August 2010 das Projekt „Special Communicator for a World without Nuclear Weapons” ins Leben gerufen.
Im Rahmen dieses Projekts wird Zeitzeugen der Atombombenabwürfe, die bislang individuell oder in Zusammenarbeit mit verschiedensten Organisationen einschließlich der Regierung von Japan öffentlich Zeugnis über ihre Erfahrungen mit den Atombombenabwürfen abgelegt haben, der Titel „Special Communicator for a World without Nuclear Weapons“ verliehen. Die Botschafter berichten u.a. im Rahmen von Veranstaltungen wie internationalen Konferenzen im In- und Ausland führenden Vertretern ausländischer Regierungen sowie Besuchern in Hiroshima und Nagasaki über ihre Erlebnisse im Rahmen der Atombombenabwürfe. Den Hintergrund dafür bildet die Erwartung, dass der offizielle Titel eines Botschafters für eine Welt ohne Kernwaffen den Eindruck der Zeugnisse auf die Zuhörer verstärkt und die Zeitzeugen auf diese Weise im In- und Ausland mehr Gehör finden. Seit den ersten Ernennungen im September 2010 wurden bis April 2016 insgesamt 252 Personen im Rahmen von 80 Projekten ernannt.
Bild: Ein Zeitzeuge berichtet als Botschafter für eine Welt ohne Kernwaffen über seine Erlebnisse.
In den letzten Jahren hat innerhalb der Staatengemeinschaft die Erkenntnis, dass Bildungsaktivitäten im Bereich der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung eine große Bedeutung zukommt, erheblich zugenommen. Den Anlass dazu lieferte das Beratungskomitee für Abrüstung der Vereinten Nationen, das im Jahr 2000 in New York tagte. Bei dieser Zusammenkunft wurde die Frage aufgeworfen, ob angesichts des derzeitigen Stillstands bei der nuklearen Abrüstung nicht ein verstärktes Engagement für entsprechende Bildungsaktivitäten junger Menschen erforderlich sei. Daraufhin verabschiedete die 55. Generalversammlung der VN im selben Jahr einstimmig eine Resolution, in der der VN-Generalsekretär zu verstärkten Forschungsaktivitäten zum Thema Bildung im Bereich nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung aufrief. Eine im darauffolgenden Jahr aufgrund dieser Resolution eingerichtete Expertengruppe legte schließlich 2002 den „Bericht über Bildung im Bereich nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung“ vor. Seitdem verabschiedet die Generalversammlung alle zwei Jahre einstimmig eine Resolution, in der die große Bedeutung der Bildung in diesem Bereich ausdrücklich hervorgehoben wird.
Als einziges Land, das den Einsatz von Kernwaffen im Krieg erlitten hat, sowie angesichts der Tatsache, dass es die Stärkung des internationalen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsregimes als eine wichtige außenpolitische Aufgabe betrachtet, engagiert sich Japan bereits seit langem für die Bildungsarbeit in diesem besonderen Bereich. Angefangen mit der Entsendung der Botschafter für eine Welt ohne Kernwaffen werden z.B. deren Zeugnisse in möglichst viele Sprachen übersetzt sowie junge Diplomaten zu Exkursionen nach Hiroshima und Nagasaki eingeladen. Zudem wird mit Unterstützung von Bürgerinitiativen und Medienkampagnen nicht nur in Japan selbst, sondern auch im Ausland das Bewusstsein der Öffentlichkeit für dieses Thema gestärkt. Darüber hinaus lädt Japan seit 1983 Teilnehmer des „United Nations Programme of Fellowships on Disarmament“ nach Hiroshima und Nagasaki ein, wo sie die Gedenkstätten besichtigen und mit Zeitzeugen sprechen. Auf diese Weise wird auch ihr Verständnis für die schreckliche Realität der Atombombenabwürfe gefördert. Unter den Diplomaten aus den unterschiedlichsten Ländern, die sich heute in vorderster Reihe für die weltweite Abrüstung engagieren, sind viele, die an diesem Programm teilgenommen haben und die von den Besuchen in Hiroshima und Nagasaki tief beeindruckt wurden.
Bild: Teilnehmer des United Nations Programme of Fellowships on Disarmament besuchen Hiroshima und Nagasaki.
Im Rahmen des oben genannten Projekts der Botschafter für eine Welt ohne Kernwaffen konnten viele Zeitzeugen der Atombombenabwürfe bei unterschiedlichsten Gelegenheiten über ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken sprechen und auf diese Weise die Unmenschlichkeit der Kernwaffen weltweit betonen. Angesichts der Tatsache, dass siebzig Jahre nach den Atombombenabwürfen auch die Zeitzeugen immer älter werden, stellte sich zunehmend die Frage, wie die Leiden des Krieges und die schreckliche Realität der Atombombenabwürfe der Nachwelt auch in Zukunft vermittelt werden können. Zu diesem Zweck wurde im April 2013 das Projekt „Jugendbotschafter für eine Welt ohne Kernwaffen“ (Youth Communicator) ins Leben gerufen, bei dem Angehörige der nachfolgenden Generationen diese Aufgabe übernehmen. Junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die von dem Wunsch erfüllt sind, das Engagement der Atombombenopfer und der Kriegsgeneration für den Frieden weiterzuführen und die noch mehr Erlebnisse von Zeitzeugen hören und an die kommenden Generationen weitergeben wollen, wird der Titel eines „Youth Communicators for a World without Nuclear Weapons“ verliehen, um sie bei diesen Aktivitäten zu unterstützen. Bis einschließlich April 2016 wurden 136 junge Menschen im Rahmen von 14 Projekten ernannt.
Bereits früher haben sich junge Menschen in Japan bei unterschiedlichsten Gelegenheiten für nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung engagiert. Anlässlich der Kernwaffentests Indiens und Pakistans 1998 entsandte die „Friedensvereinigung Nagasaki“ (heute „Komitee zur Entsendung von Oberschülern als Friedensbotschafter“) junge Menschen zu den Vereinten Nationen, um der Welt die Stimmen der Atombombenopfer aus Nagasaki zu Gehör zu bringen, die um die Schrecken von Kernwaffen nur zu gut wissen. Seitdem werden jedes Jahr etwa zwanzig Oberschüler ausgewählt, um als Zuhörer bei der Abrüstungskonferenz in Genf dabei zu sein und mit den Verantwortlichen der VN zu diskutieren. Im April 2015 nahmen 24 Jugendbotschafter an der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags (NPT) in New York teil, und im August desselben Jahres übergaben 22 Jugendbotschafter am europäischen Sitz der Vereinten Nationen in Genf rund 160.000 Unterschriften von Personen, die eine Abschaffung aller Kernwaffen fordern. Als Vertreter Japans sprach eine Jugendbotschafterin innerhalb der Abrüstungskonferenz über die Atombombenabwürfe sowie über ihre Eindrücke, die sie beim Besuch von Hiroshima und Nagasaki gewonnen hatte.
Bild: Kampagne „10.000 Oberschüler sammeln Unterschriften“ (links). Eine Jugendbotschafterin spricht auf der Abrüstungskonferenz in Genf im August 2015 (rechts). Fotos aus der Broschüre „Japans Außenpolitik für Abrüstung und Nichtverbreitung“ (7. Auflage)
Am 27. März 2016 kamen im Vorfeld des G7-Außenministertreffens in Hiroshima über 100 ehemalige Jugendbotschafter beim „Hiroshima Forum of Former Youth Communicators for a World without Nuclear Weapons“ zusammen, das unter dem Motto stand: „Was können junge Menschen für die Verwirklichung einer Welt ohne Kernwaffen tun?“ Außenminister Kishida erklärte, man wolle der internationalen Bewegung für eine Welt ohne Kernwaffen von Hiroshima aus neuen Schwung verleihen und kündigte zu diesem Zweck die Gründung einer „International Networking Initiative of Youth Communicators for a World without Nuclear Weapons“ an, in deren Rahmen über 1.000 junge Menschen nach Hiroshima und Nagasaki eingeladen werden sollen. Aus den Reihen der Teilnehmer wurde mit Blick auf die im April anstehende Zusammenkunft der G7-Außenminister an den Außenminister der eindringliche Appell gerichtet, sich als Protagonist auf internationaler Bühne für die Abschaffung von Kernwaffen einzusetzen. Im zweiten Teil des Forums berichteten teilnehmende Jugendbotschafter darüber, was junge Menschen tun können, um eine Welt ohne Kernwaffen zu verwirklichen. Darüber hinaus wurde eine Videobotschaft von jungen Menschen aus den Vereinigten Staaten gezeigt und es fand eine Paneldiskussion mit Zeitzeugen der Atombombenabwürfe statt. Als einziges Land, das den Einsatz von Kernwaffen im Krieg selbst erlitten hat, sieht Japan seine Bestimmung darin, die schreckliche Realität des Einsatzes von Kernwaffen der ganzen Staatengemeinschaft und künftigen Generationen zu vermitteln. Japan wird auch in Zukunft in engem Zusammenwirken mit den Botschaftern und Jugendbotschaftern für eine Welt ohne Kernwaffen eine führende Rolle dabei einnehmen, diese Welt Wirklichkeit werden zu lassen.
Bild: Das Hiroshima Forum of Former Youth Communicators for a World without Nuclear Weapons im Vorfeld der Zusammenkunft der G7-Außenminister in Hiroshima fand am 27. März 2016 statt.