Botschaft von Japan

Gesellschaft

Eine kurze Geschichte des Schminkens in Japan

Weißes Gesichtspuder, Lippenstift, Rouge und Farbe für das Schwärzen der Zähne – dieser Beitrag erläutert, wie sich die traditionellen Techniken des Schminkens in Japan im Laufe der Zeit entwickelt haben und dabei stets auch gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln. Immer aber kommt in diesem Schminken der ganz eigene Sinn der Menschen in Japan für Schönheit zum Ausdruck. Der vorliegende Beitrag beruht auf einem Gespräch mit Takako Murata (geboren 1950 in Tokyo; Senior Researcher am Pola Research Institute of Beauty and Culture; der Schwerpunkt ihrer Forschungen liegt auf der Geschichte des Schminkens sowie der Haarmode in Japan und im Westen).

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Bild: Ukiyoe Farbholzschnitt einer Frau, die mithilfe eines Pinsels Lippenrouge aufträgt. Erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. (Bild: Azuma Nishiki Bijin Awase „Eine Sammlung von östlichen Brokat-Schönheiten“. Von Torii Kiyomine. Mit freundlicher Genehmigung der Adachi Foundation.)

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Bild: Ein prachtvoll dekorierter Schminkkasten mit Zubehör. Seine Besitzerin war Hojo Masako, die Gemahlin des Samuraifürsten Minamoto no Yoritomo, der 1185 das Kamakura-Schogunat gründete. (Foto: Ume Makie Te-bako „Lackierter Schminkkasten mit Pflaumenmuster“. Nationalschatz. Im Besitz des Mishima Taisha Shrine.)

Es ist schwer zu sagen, wann das Schminken in Japan zum allerersten Mal aufkam. In Gräbern, die aus der Mitte des 3. Jahrhunderts (Kofun-Zeit) stammen, wurden Haniwa Tonfiguren entdeckt, die mit roten Farbpigmenten auf Gesicht und Körper bemalt waren. Allerdings gibt es auch eine Theorie, der zufolge die rote Farbe die Toten vor Unheil schützen sollte. Demnach hätten die Pigmente einen ganz anderen Zweck gehabt als das Schminken heutzutage. Jedenfalls kann man mit Bestimmtheit sagen, dass individuelle Schönheitsmittel spätestens seit dem 6. Jahrhundert in Japan in Mode waren. Beni Rouge, weißes Puder, Parfüm – es gibt alte Aufzeichnungen, die zeigen, dass diese Produkte zum persönlichen Besitz damaliger Hofdamen zählten. Ende des 9. Jahrhunderts, während der Heian-Zeit, ließen die Damen ihr Haar lang wachsen, und zu besonderen Anlässen trugen sie mehrere Schichten von Kimono übereinander, die farblich aufeinander abgestimmt waren (juni-hitoe ). Als Kontrast zu dieser aufwändigen und farbenprächtigen Kleidung war das Gesicht mit einer dicken Schicht weißen Puders bedeckt. Die Augenbrauen wurden rasiert und durch weiter oben aufgemalte „künstliche“ Brauen ersetzt; die Lippen wurden konturiert, um sie klein erscheinen zu lassen. Und auch der Brauch des o-haguro, mit dem Frauen ihre Zähne schwarz färbten, um zu zeigen, dass sie verheiratet waren, kam ungefähr zu dieser Zeit auf.

Im 12. Jahrhundert ging die gesellschaftliche Vorherrschaft vom Hofadel auf den Kriegeradel (die Samurai) über. Frauen nahmen nun eine aktivere Rolle in der Gesellschaft ein und trugen Kleider, in denen sie sich bequemer bewegen konnten. Ihr langes Haar banden sie auf dem Rücken zusammen und schminkten sich nun nur noch mit einer dünnen Schicht weißen Puders. Interessanterweise wurde es auch für Männer des Kriegerstands Mode, ein Makeup aufzutragen.

Als 1603 mit Beginn der Edo-Zeit eine neue historische Periode Einzug hielt, erlebte der Handel einen großen Aufschwung; dies führte dazu, dass die Samurai ihre Rolle als Trendsetter im kulturellen Bereich allmählich an die Kaufleute weitergaben. Die bürgerliche Ära hatte begonnen, und für Frauen wurde das Schminken zu einem integralen Bestandteil ihres Alltagslebens.

9. bis 12. Jahrhundert

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Bild: Ausschnitt aus einer Bilderrolle mit Frauen, die in mehrlagige juni-hitoe Kimono gekleidet sind. Die Gesichter wurden mithilfe von weißem Puder geschminkt. (Bild: Genji Monogatari E-Maki Azumaya Ichi „Bildrolle von der Erzählung vom Prinzen Genji“. Nationalschatz. Im Besitz des Tokugawa Art Museum. © Tokugawa Art Museum Image Archive/DNP Art Communications)

13. und 14. Jahrhundert

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Bild: Ein Angehöriger des Kriegeradels trug selbst auf dem Schlachtfeld Makeup. (Bild: Moriyoshi Shinno Shutsujin-zu „Prinz Moriyoshi auf dem Weg in den Kampf“. Teil einer Privatsammlung.)

Spätes 19. Jahrhundert

1868 hob sich der Vorhang für die Meiji-Zeit, und mit ihr begann eine Bewegung der „Zivilisation und Aufklärung“, die die Modernisierung Japans durch eine rasche Übernahme der westlichen Zivilisation anstrebte. Auch die Welt des Schminkens erfuhr dadurch einen tiefgreifenden Wandel – die traditionellen Praktiken des Rasierens der Augenbrauen und des Zähneschwärzens wurden verbannt. Der neue Trend betonte nun die Brauen, um die typischen Eigenschaften des weiblichen Gesichts hervorzuheben; auch zeigte man nun eine Vorliebe für natürlich weiße Zähne.

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Bild: Den neuen Trends in der „Ära der Zivilisation und der Aufklärung“ folgend tanzen Angehörige der oberen Gesellschaftsschichten in westlicher Manier. (Bild: Kiken Buto no Ryaku-zu „Ein Blick auf tanzende Würdenträger.“ Von Yoshu Chikanobu. Im Besitz des Kobe City Museum. Foto: Kobe City Museum/DNP Art Communications)

Frühes 20. Jahrhundert

Mit der raschen wirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert einhergehend begannen schließlich auch immer mehr Frauen außerhalb des Hauses beruflich tätig zu sein. Um das Arbeiten am Arbeitsplatz zu erleichtern, wurden westliche Kleidung sowie Frisuren mit kurzen Haaren zur Norm. Schon bald kam der moga Look auf (eine Kurzform für „Modern Girl“), der die Frauenmode jener Zeit dominierte. Zudem gab es nun auch Lippenstifte, ein weiteres Beispiel für einen Wandel, durch den Makeup-Produkte immer größere Verbreitung erfuhren.

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Bild: Der Maler Takehisa Yumeji ist für seine Frauenporträts im Nihonga Stil (Malerei im japanischen Stil) bekannt. Hier das Porträt einer sich schminkenden Frau. (Bild: Shimoba Chiru „Fallende Blätter im November“. Von Takehisa Yumeji. Im Besitz des Takehisa Yumeji Museum.)

Dies führt uns nun zur Nachkriegszeit. In der Ära des Wirtschaftsbooms der späten 1980er und frühen 1990er Jahre dominierten lebhafte Pinktöne mit Purpur die Farbpaletten der Lippenstifte. Aber nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami, der 2011 den Osten Japans traf, ging der Trend bei den Lippenstiften hin zu dezenteren Farben, mit denen ein Gefühl der gelassenen Ruhe zum Ausdruck gebracht wird. Auch beim Makeup setzt man nun eher auf zurückhaltende aber herzliche Stimmungen.

All dies zeigt, dass Mode und Makeup sich stets dem Wandel der Zeiten anpassen. Heutzutage, wo „jede Frau ganz sie selbst sein darf“, liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Auswahl eines eigenen, ganz individuellen Modestils.

Nach 1945

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Bild: Lange Röcke kamen in Mode, als immer mehr Frauen außerhalb ihres Zuhauses zu arbeiten begannen. (Foto: Aus einem Zeitungsartikel von 1952 mit der Überschrift „Modedesign: Lange Röcke sind In“. Foto mit freundlicher Genehmigung von The Asahi Shimbun Company/Jiji Press Photo.)

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Bild: Frauenmode fürs Büro des Zeichners Nakahara Junichi aus dem Jahr 1955. Er war einer der führenden Modedesigner seiner Zeit. (Bild: Nakahara Junichi Blouse Collection. Gezeichnet von Nakahara Junichi. Im Besitz der Himawariya Inc. © Nakahara Junichi/Himawariya Inc.)

Heute

Wenn es um Mode und Schminken in Japan geht, bestehen ganz sicher keine einförmigen Vorlieben. Vielmehr ist eine große Vielfalt an Stilen und Trends zu erkennen.

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Bild: Auffälliges Makeup war ein Merkmal der schillernden Zeit der Bubble Economy im Japan der späten 1980er Jahre. (Foto: Frauen im damaligen Stil (1989). Foto mit freundlicher Genehmigung von Kyodo News und amanaimages.)

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Bild: Die Schauspielerin Satomi Ishihara wurde in die Liste der „100 schönsten Gesichter“ weltweit gewählt. (Foto: Satomi Ishihara. Foto mit Genehmigung von HoriPro Inc.)

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Bild: Die Komikerin Naomi Watanabe ist international für ihren einzigartigen Aufzug und Makeup-Stil bekannt. (Foto: Naomi Watanabe. Foto mit Genehmigung von Yoshimoto Kogyo Co., Ltd.)

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