Botschaft von Japan

Esskultur

Castella – ein Gebäck, entstanden in einer Hafenstadt und geliebt von einem der bekanntesten Literaten Japans

Fotos: ARAI Akiko

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Bild: Der bekannte Schriftsteller Natsume Soseki liebte Castella. Dieses Biskuitgebäck besticht durch seine ausgesprochene Süße und weiche Konsistenz.

Castella, ein Gebäck in der Art eines Biskuits, besteht aus Mehl, Eiern und Zucker. Es wird in rechteckigen Formen gebacken und im Allgemeinen in langen Schachteln angeboten – vorgeschnitten in ca. 3 cm breite Scheiben für einen bequemen Verzehr. Castella hat seinen Ursprung in der Präfektur Nagasaki auf Japans südlicher Hauptinsel Kyushu. Ganz am westlichen Ende des Landes gelegen, wurde Nagasaki Ende des 16. Jh. als Handelshafen eröffnet und blieb während der Herrschaft der Tokugawa-Schogune, als der Handel mit dem Ausland Beschränkungen unterlag, das einzige Zugangstor für den Handel mit Japan.

Auch wenn sich dieser schmackhafte Kuchen aus einem Gebäck entwickelt haben soll, das von portugiesischen Missionaren um 1600 eingeführt wurde, gibt es tatsächlich keine portugiesische Süßspeise namens „Castella“. Manche führen seinen Ursprung auf das portugiesische pão de ló zurück, andere auf das spanische bizcocho. Jedenfalls wird Castella seit den 1620er Jahren in Nagasaki hergestellt, und dieses Gebäck hat sich von dort aus über ganz Japan verbreitet.

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Bild: Ein Castella von Bunmeido Sohonten in Nagasaki. Die meisten Castella werden heute in vorgeschnittenen Scheiben angeboten, die einen bequemen Verzehr erlauben.

Eine literarische Persönlichkeit, die eng mit Castella verbunden ist, ist der Autor Natsume Soseki (1867–1916), der als Vater der modernen japanischen Literatur gilt. Geboren zu einer Zeit, als Japan sich daran machte, ein moderner Staat zu werden, spiegeln Sosekis Werke die Konflikte wider, die in der raschen Verwestlichung Japans angelegt waren. Offensichtlich hatte Soseki eine Vorliebe für Süßes, und so hatte Castella in einigen seiner Romane einen Auftritt. Sein Meisterwerk „Ich der Kater“ (Wagahai wa neko de aru) beschreibt humorvoll eine Szene aus der Sicht eines Katers, in der ein junger Gast heimlich eine Scheibe Castella verschlingt, während der Hausherr gerade nicht am Esstisch sitzt.

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Bild: „Ich der Kater“ (Wagahai wa neko de aru) ist ein humoristischer Roman, in dem als Hauptfigur ein schwarzer Kater auftritt, der über das Leben der Mitglieder der Familie und weiterer Personen in dem Umfeld erzählt, in dem er lebt. Das Werk erschien erstmals 1905. (Mit freundlicher Unterstützung des Natsume Soseki Memorial Museum)

Soseki vermerkte sogar in seinem Tagebuch, als er während eines gemeinsamen Besuchs mit einem Freund in Kyoto Castella als Geschenk erhielt: „Aufschauend zur fünfstöckigen Pagode gegen den warmen Frühlingshimmel, wandernd mit vollem Herzen und einer Tasche – gefüllt mit Castella.“ Dieser Tagebucheintrag ruft bei den Lesern ein scherzhaftes Bild von Soseki hervor, wie er seine Lieblingsspeise vorsichtig an sich drückt, während er durch die Straßen der alten Hauptstadt Japans wandert, und zaubert so ein Lächeln auf ihr Gesicht.

Nakagawa Yasuhide, Chef von Bunmeido Sohonten, einer traditionsreichen Konditorei in Nagasaki, erklärt, dass dieses Gebäck bis Ende des 19. Jh. nicht so schmeckte wie heute. Damals wurde ein süßer Sirup (mizuame) zu den Zutaten hinzugefügt: „Das Beifügen von Sirup sorgt dafür, dass der Teig feucht bleibt. Die Menschen in Japan mögen eher keine trockene Konsistenz. Indem mizuame zugegeben wurde, wurde Castella, ursprünglich eine Süßspeise aus Europa, zu einem japanischen Gebäck.“ Um die feuchte Konsistenz des Teigs zu erhalten, wird er mehrfach gerührt, auch noch während des Backprozesses. Dies erlaubt es dem Kuchen, gleichmäßig zu backen und seine feuchte Konsistenz zu erlangen.

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Bild: Momo Castella (Pfirsich-Castella), dekoriert mit einer Glasur, ist eine traditionelle Süßspeise aus Nagasaki, die bei Feierlichkeiten serviert wird.

In Japan ist Castella bis heute als Geschenk oder Souvenir sehr beliebt, und dieser Kuchen hat sich gegen alle Trends und Moden, denen Süßspeisen normalerweise unterliegen, seine Popularität bewahrt. Gebäck und Literatur, getränkt mit historischen Überschneidungen, werden niemals altmodisch und faszinieren die Menschen in Japan auch weiterhin.

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Bild: Gegründet im Jahr 1900 hat Bunmeido Sohonten den traditionellen Stil einer historischen Konditorei bewahrt. In Nagasaki findet man mehr als einhundert Castella-Läden.

Das Original dieses Beitrags wurde von niponica, dem Web-Magazin von „Web Japan“ (Außenministerium von Japan), übernommen und für NEUES AUS JAPAN ins Deutsche übersetzt. Den Originalbeitrag (in englischer Sprache) finden Sie hier: https://web-japan.org/niponica/niponica33/en/feature/feature07.html