Botschaft von Japan

Außenpolitik

Rede von Premierminister Kishida bei der „Japan-Ukraine Conference for the Promotion of Economic Growth and Reconstruction“ in Tokyo am 19. 02. 2024

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Bild: Premierminister Fumio Kishida während seiner Rede im Rahmen der Konferenz (Foto: Cabinet Public Affairs Office)

Am 19. Februar fand in Tokyo die japanisch-ukrainische Konferenz zur Förderung des Wirtschaftswachstums und des Wiederaufbaus in der Ukraine statt, an der neben Vertretern der Regierungen beider Länder, darunter Premierminister KISHIDA Fumio und Ministerpräsident Denys SCHMYHAL, u.a. auch Repräsentanten zahlreicher japanischer und ukrainischer Unternehmen teilnahmen. Im Rahmen dieser Konferenz fanden zudem Sitzungen zum Thema „Woman, Peace, Security (WPS)“ unter Leitung von Außenministerin KAMIKAWA Yoko statt. Darüber hinaus wurden neben einem bilateralen Steuerabkommen über fünfzig Vereinbarungen für konkrete Kooperationsprojekte zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Einen Überblick über die Resultate der Konferenz finden Sie hier (Link zur Webseite des Außenministeriums von Japan – in engl. Sprache).

Anlässlich der Konferenz hielt Premierminister Kishida die folgende Grundsatzrede.

Einführung

Sehr geehrter Herr Premierminister Schmyhal,
sehr geehrte Anwesende,

lassen Sie mich zunächst erneut meine aufrichtige Hochachtung angesichts des Mutes und des Durchhaltewillens des ukrainischen Volkes zum Ausdruck bringen, das seit dem Beginn der russischen Aggression vor zwei Jahren für die Verteidigung der Freiheit und Unabhängigkeit seines Landes kämpft. Als G7-Vorsitzender des vergangenen Jahres führte Japan die internationale Diskussion zur Unterstützung der Ukraine an und hat dem Land ein robustes Unterstützungspaket einschließlich finanzieller Hilfen zur Verfügung gestellt. Japan hat bisher fest an der Seite der Ukraine gestanden und wird dies auch in Zukunft tun.

Der Ursprung der heutigen Konferenz geht zurück auf meinen eigenen Besuch in der Ukraine im März 2023, als ich dieses Land als G7-Vorsitzender bereiste. Bei meiner Zusammenkunft mit Präsident Selenskyj in Kiew teilte er mir seine großen Erwartungen in Bezug auf Japans Erfahrungen, Technologien und privaten Investitionen für den langfristigen Wiederaufbau der Ukraine mit.

Im Anschluss an den Besuch entschied ich, diese japanisch-ukrainische Konferenz zur Förderung des Wirtschaftswachstums und des Wiederaufbaus in der Überzeugung zu veranstalten, dass Japan großes Potenzial besitzt, um – wie ich es ausdrücken möchte – „einen Beitrag zu leisten, wie er nur Japan möglich ist“.

Präsident Selenskyj hat einmal gesagt: „Ihr Geld ist keine milde Gabe, sondern eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie.“ Hier möchte ich eine weitere Bedeutung hinzufügen, nämlich „eine Investition in die Zukunft“. Der Krieg in der Ukraine geht auch in diesem Moment weiter und die Situation ist nicht leicht. Die Förderung des Wiederaufbaus der Wirtschaft ist allerdings nicht nur eine Investition für die Zukunft der Ukraine, sondern auch eine Investition für Japan und die ganze Welt. Wir müssen uns mit Nachdruck für unser aller Zukunft einsetzen. Japan wird sowohl durch den öffentlichen als auch den privaten Sektor eine robuste Unterstützung für den Wiederaufbau der Wirtschaft und die Verbesserung der Industrie leisten, die zu Wirtschaftswachstum in der Ukraine führen werden, einem Land mit großem Potenzial. Es ist unser Ziel, die Ukraine zu unterstützen, damit das Land eine umfassende wirtschaftliche Entwicklung vom Primär- bis zum Tertiärsektor verwirklichen kann, die Schlüsselbereiche wie Landwirtschaft, produzierendes Gewerbe und IT einschließt.

Darüber hinaus möchte ich heute den Menschen in der Ukraine „drei Prinzipien“, „fünf Aktionen“ sowie „fünfzig Zusagen“ übermitteln, um auf diese Weise einen Beitrag zu verwirklichen, „wie er nur Japan möglich ist“.

Ein Beitrag, wie er nur Japan möglich ist

Ich beginne mit den drei wichtigen Prinzipien zur Förderung eines „Beitrags, wie er nur Japan möglich ist“.

Das erste Prinzip lautet „Inklusivität“. Im Einklang mit der großen Bedeutung der „menschlichen Würde“ stehen wir fest an der Seite der Menschen in der Ukraine einschließlich der Frauen und Kinder; und aus der Perspektive des Konzepts „Women, Peace, Security (WPS)“ heraus werden wir die selbsttragende Entwicklung und den Wiederaufbau der Ukraine langfristig unterstützen.

Das zweite Prinzip heißt „Partnerschaft“. Die Hauptakteure bei der Verwirklichung des Wiederaufbaus in der Ukraine müssen die Menschen in der Ukraine selbst sein. Der Schlüssel für die Förderung des langfristigen Wiederaufbau des Landes in nachhaltiger Weise besteht darin, ihn in Zusammenarbeit mit den Menschen in der Ukraine voranzutreiben und nicht in Form einseitiger Unterstützung von japanischer Seite. Japan wird den Stimmen auf ukrainischen Seite Gehör schenken und ihren Bedürfnissen entsprechend sorgfältig darauf eingehen.

Das dritte Prinzip ist „Wissen und Technologie“. Japans öffentlicher und privater Sektor werden im Rahmen eines Ansatzes zusammenwirken, der ganz Japan umfasst, und dabei das Wissen nutzen, das Japan sich beim Wiederaufbau nach dem Krieg und nach Katastrophen angeeignet hat, sowie auch fortschrittliche Technologien und Know-how des Privatsektors anwenden. Selbstverständlich steht die Tür für eine Beteiligung nicht nur großen Unternehmen, sondern auch kleinen und mittelständischen Unternehmen offen, die über hochentwickelte Technologien verfügen.

Zusätzlich zu diesen drei Prinzipien werden wir die folgenden fünf Aktionen umsetzen, um private Investitionen aus Japan zu fördern und Beschäftigung in der Ukraine zu schaffen. Ich möchte diese Aktionen als wichtiges Resultat der heutigen Konferenz bezeichnen. Erstens werden wir ein neues Steuerabkommen als Bestandteil der Entwicklung einer rechtlichen Infrastruktur unterzeichnen. Zudem nehmen wir Verhandlungen über eine Überprüfung des Investitionsabkommens auf. Zweitens werden wir, um den Wiederaufbau in der Ukraine zu fördern, das Land über internationale Finanzinstitutionen unterstützen, indem wir einen Beitrag zur Kapitalaufstockung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) leisten und durch die Japan Bank for International Cooperaton (JBIC) ein zweistufiges Darlehen über die Black Sea Trade and Development Bank bereitstellen. Drittens werden wir als eine Form der bilateralen Zusammenarbeit Public-Private Partnership-Projekte im Rahmen unserer offiziellen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) sowie die Finanzierung von Investitionen des Privatsektors vonseiten der Japan International Cooperation Agency (JICA) für ukrainische Risikokapitalgeber durchführen. Viertens werden wir ein Büro der Japanischen Außenwirtschaftsorganisation JETRO in Kiew eröffnen, um Geschäftsbeziehungen, Investitionen und Handel zwischen unseren beiden Ländern auszuweiten. Zudem wird die Nippon Export and Investment Insurance (NEXI) neue Kreditlinien bereitstellen, um die Investitions- und Handelsrisiken für japanische Unternehmen zu verringern. Und schließlich werden wir fünftens Maßnahmen zur Erleichterung der Voraussetzungen zur Erteilung von Visa für mehrfache Einreisen für Personen einführen, die an japanisch-ukrainischen Kooperationsprojekten beteiligt sind.

Konkrete Zusagen auf der Basis der drei Prinzipien und der fünf Aktionen stellen die mehr als fünfzig Vereinbarungen zur Zusammenarbeit dar, die zwischen japanischen Unternehmen einschließlich Start-ups und ihren ukrainischen Partnern unterzeichnet wurden.

Japan wird diese Resultate künftig Schritt für Schritt umsetzen und damit fortfahren, die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine in den verschiedenen Phasen nach besten Kräften zu unterstützen. Dies reicht von dringender Ersthilfe und Wiederaufbau für den Alltag bis hin zu robusteren Stufen des industriellen Wiederaufbaus und der Verbesserung. Zudem werden wir unsererseits die Ukraine bei ihren Anstrengungen zum Wiederaufbau für den Alltag und bei der Schaffung neuer Industrien durch unterschiedlichste Maßnahmen unterstützen, um die wirtschaftlichen Grundlagen des Landes zu schaffen, was dabei mithelfen wird, den Erholungs- und Wiederaufbauprozess nachhaltiger und letztendlich die gesamte Wirtschaft stärker zu machen.

Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft und Schlussbemerkungen

Der Wiederaufbau der Ukraine bedeutet ein langfristiges Engagement. Auch die Solidarität der internationalen Gemeinschaft muss weiter gestärkt werden. Ausgehend von einer Achse des engen Zusammenwirkens mit verschiedenen Staaten einschließlich der G7 werden wir mit unseren Partnern, darunter auch internationale Organisationen, eng zusammenarbeiten. Unter Einschluss der im kommenden Juni in Deutschland anstehenden internationalen Konferenz zur Unterstützung des Wiederaufbaus in der Ukraine werden wir zudem unser Vorgehen mit den Maßnahmen der Staatengemeinschaft abstimmen.

Dass die von Russland angegriffene Ukraine wiederaufgebaut wird und ihre Vitalität wiedererlangt, ist zum Nutzen Japans und der ganzen internationalen Gemeinschaft. Wir bitten die Teilnehmer der heutigen Konferenz dabei um ihre wertvolle Mitwirkung.

Vielen Dank.