
Bild: Premierminister Kishida bei einer Pressekonferenz im vergangenen Jahr (Foto: Cabinet Public Affairs Office)
Am 14. August erklärte Premierminister KISHIDA Fumio während einer Pressekonferenz seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bei der im September anstehenden Neuwahl des Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei (LDP), was einem Verzicht auf das Amt des Premierministers ab September gleichkommt. Zusammen damit stellte er eine persönliche Bilanz seiner rund dreijährigen Amtszeit als Regierungschef Japans vor. Das Eingangsstatement des Premierministers bei seiner Pressekonferenz lautet wie folgt (der sich daran anschließende Frage- und Antwortteil wurde gekürzt).
„Gestern konnte ich mit dem per Telefon geführten Gipfelgespräch mit meinem Amtskollegen in der Mongolei, Ministerpräsident Oyun-Erdene, eine Etappe bei meinen außenpolitischen Terminen in diesem Sommer abschließen. Nach dem Ende der Feiertage des Obon-Festes rückt dann die Wahl des Vorsitzenden der LDP im Herbst verstärkt in den Vordergrund.
Bei der anstehenden Wahl des Vorsitzenden besteht die Notwendigkeit, den Bürgerinnen und Bürgern das Bild einer sich wandelnden LDP, einer neuen LDP deutlich vor Augen zu führen. Hierfür sind eine transparente und offene Wahl sowie vor allem eine freie und unvoreingenommene Debatte erforderlich. Dabei werde ich mich in einem allersten Schritt zurückziehen, um auf diese Weise in aller Deutlichkeit aufzuzeigen, dass sich die LDP verändert. Ich werde bei der nächsten Wahl des Vorsitzenden nicht mehr kandidieren. Vielmehr werde ich als einfaches Parteimitglied den aus dieser Wahl hervorgehenden neuen Parteichef mit ganzer Kraft unterstützen.
In den drei Jahren, in denen ich als Premierminister und als Parteivorsitzender tätig war, habe ich, um die seit dreißig Jahren andauernde von Deflation geprägte Wirtschaft zu überwinden, im Rahmen des Konzepts eines Neuen Kapitalismus und im Zusammenwirken von privatem und öffentlichem Sektor mit Blick auf die Lohnerhöhungen und die Förderung von Investitionen die Lebensgeister wieder gestärkt. Um auf den im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) erheblich steigenden Strombedarf sowie auf die Anforderungen der Green Transformation (GX) zu reagieren, habe ich bei der Energiepolitik u.a. mit der CO2-Bepreisung, der Einführung von Anleihen für eine Transformation hin zu einer GX-Wirtschaft, dem Wiederanfahren von Atomkraftwerken sowie dem künftigen Bau neuer innovativer Reaktoren eine Wende eingeleitet. Als Antwort auf die niedrigen Geburtenzahlen – ein Thema, das keinen Aufschub duldet – werden auf diesem Gebiet nun umfassende Maßnahmen in Höhe von 3,6 Bill. Yen umgesetzt. Und um auf die sich immer komplexer und schwieriger gestaltende Situation innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu reagieren, wird das Verteidigungspotenzial Japans im Zeitraum von fünf Jahren durch Mittel im Umfang von 43 Bill. Yen drastisch verstärkt. Auf der Grundlage stabiler japanisch-amerikanischer Beziehungen habe ich als Gastgeber des G7-Gipfels in Hiroshima fungiert, und mittels der Teilnahme am NATO-Gipfel und am Gipfeltreffen von Camp David habe ich innerhalb der Staatengemeinschaft, die zunehmend von Spaltung geprägt ist, eine führende Rolle bei der internationalen Diskussion hin zu mehr Kooperation gespielt. Zugleich konnte ich die Beziehungen zwischen Japan und Südkorea verbessern sowie die Bande zu den Staaten des Globalen Südens ausbauen und so eine vielseitige Außenpolitik entfalten. Ich bin stolz darauf, dass es mir mit Unterstützung zahlreicher Personen auf diese Weise gelungen ist, bedeutende Resultate hervorzubringen.
Andererseits traten während dieser Zeit auch die Probleme der ehemaligen Vereinigungskirche sowie der Beziehung von Politik und Geld in Bezug auf die Spendenpartys von Gruppierungen innerhalb der LDP auf. Dies führte zu Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Politik.
Unter anderem mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Unterstützung der Opfer der ehemaligen Vereinigungskirche sowie mit der Reform des Gesetzes über die Regelung der Parteienfinanzierung habe ich Maßnahmen ergriffen, um auf diese Aufgaben zu reagieren und um ihr erneutes Auftreten zu verhindern. Mit Blick auf meine Verantwortung als Premierminister und Parteivorsitzender habe ich entsprechend meiner Überzeugung gehandelt, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht enttäuscht werden.
Insbesondere mit Blick auf das Problem der Beziehung von Politik und Geld habe ich – auch wenn daran Kritik geübt wurde – entschieden, die Gruppierungen innerhalb der Partei aufzulösen, an den Sitzungen des Kontrollgremiums für politische Ethik teilzunehmen sowie die Obergrenze für Einnahmen aus Spendenpartys zu senken, ab der eine Pflicht zur Offenlegung besteht. Gerade dies stellt eine Politik dar, die die Bürgerinnen und Bürger um ihr Vertrauen bittet, und mit dem entschlossenen Willen, die politischen Reformen weiter voranzutreiben, habe ich mich an die Menschen im Land gewandt und mich zu diesen schweren Entscheidungen entschlossen.
Was nun noch bleibt, ist meine Verantwortung als Chef der LDP. Angesichts einer schwierigen Situation, die durch Abgeordnete meiner Partei verursacht wurde, zögere ich keineswegs, als Leiter dieser Institution die entsprechende Verantwortung dafür zu übernehmen. Seitdem diese Situation bekannt wurde, habe ich mit Entschlossenheit gehandelt, um dann zu einem Zeitpunkt, an dem eine Etappe der außenpolitischen Termine abgeschlossen war, mit meinem Rückzug die Konsequenzen zu ziehen und den Weg zur Wahl des Parteivorsitzenden vorzubereiten.
Die schwierigen Themen, mit denen sich Japan sowohl innen- als auch außenpolitisch konfrontiert sieht, bedeuten eine beschwerliche Lage. Bei der anstehenden Wahl des Parteivorsitzenden werde ich aktiv mitwirken, so wie ich es für richtig halte, und ich wünsche mir, dass dabei eine aufrichtige und klare Debatte stattfindet. Nachdem aber der neue Vorsitzende gewählt ist, muss aller Streit zurückgelassen werden. Es gibt keine dominierende Strömung und keine Gegenströmung; vielmehr soll unter dem neuen Vorsitzenden auf der Grundlage von Geschlossenheit sowie politischer Gestaltungs- und Umsetzungskraft eine echte Spitzenmannschaft gebildet werden. Am wichtigsten ist dabei, eine Politik zu verwirklichen, die die Sympathie der Bürgerinnen und Bürger zu erlangen vermag. Ich persönlich werde bei meiner Stimmabgabe genau darauf achten, ob der entsprechende Kandidat in der Lage ist, ein solcher Vorsitzender zu werden.
Für mich als Politiker bestehen weiterhin Aufgaben, für die ich mich einsetzen muss und werde. Um den Ausstieg aus dem seit dreißig Jahren angewandten Modell der Kostenkürzungen und des ausbalancierten Schrumpfens sowie aus der von Deflation geprägten Wirtschaft sicherzustellen, müssen das Engagement im Rahmen des Konzepts des Neuen Kapitalismus ausgebaut sowie die Tendenz hin zu Lohnerhöhungen und mehr Investitionen beschleunigt werden, um ein BIP im Umfang von 600 Bill. Yen sicherzustellen.
Auch in Bezug auf die Energiepolitik unter Einschluss des Wiederanfahrens von Atomkraftwerken und des Baus neuer innovativer Reaktoren stellt sich angesichts der voranschreitenden Liberalisierung des Strommarktes die Frage, wie die Mittel für Investitionen in die Stromerzeugung gewährleistet werden können. Und dann: Wie werden Energiesicherheit und Dekarbonisierung miteinander in Einklang gebracht? Auf der Grundlage des Siebten Strategischen Energieplans muss der künftige Kurs auf diesem Gebiet gesichert werden.
Im Bereich der Außenpolitik muss drei Jahre nach dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine und inmitten von nuklearen Drohungen sowie Hinweisen auf einen möglichen Einsatz von Kernwaffen Japan als einziges Land, das den Einsatz von Kernwaffen selbst erlitten hat, sowie als ein dem Frieden verpflichteter Staat eine führende Rolle spielen, um diese Entwicklungen zu beenden.
Im kommenden Jahr steht der sechzigste Jahrestag der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Südkorea an. Diese Normalisierung des bilateralen Verhältnisses muss weiter abgesichert werden. Dann gibt es auch noch die auf Beziehungen zum beiderseitigen Nutzen beruhenden Bande zwischen Japan und China sowie die Beziehungen zwischen Japan und Nordkorea unter Einschluss einer Lösung des Problems der entführten japanischen Staatsangehörigen. Wie im Sprichwort „Hilfe bekommt man nicht von fernen Verwandten, sondern von anderen Menschen in der Nähe“ zum Ausdruck kommt, muss auch die Außenpolitik mit unserer unmittelbaren Nachbarschaft in Ostasien weiter vorangetrieben werden.
Mit Blick auf eine Verfassungsänderung müssen in Bezug auf die eindeutige Benennung der Aufgaben der Japan Self-Defense Forces (JSDF) sowie des Artikels über den Notstand die Arbeiten zur Formulierung der Textfassung sowie die ersten Beratungen darüber im Parlament stattfinden. Eine Textfassung für den Notstandsartikel liegt nun vor, und auch, was die eindeutige Benennung der Aufgaben der JSDF anbelangt, habe ich angewiesen, bis Ende dieses Monats die Diskussionspunkte in beiden Häusern des Parlaments zusammenzufassen, und ich möchte diese stetig umsetzen.
Und schließlich die politischen Reformen. Für die bei der Reform des Gesetzes über die Regelung der Parteienfinanzierung noch ausstehenden Punkte muss rasch eine Einigung gefunden werden. Ich habe bereits angeordnet, eine neue Arbeitsgruppe beim LDP-internen Stab für politische Erneuerung einzurichten und werde mein politisches Leben sowie auch mein politisches Schicksal daransetzen, um mich als einfaches Parteimitglied für diese Aufgaben zu engagieren.
Zunächst möchte ich während meiner noch bis September dauernden Amtszeit meiner Verantwortung als Premierminister und als Parteivorsitzender weiterhin nach bestem Vermögen gerecht werden. Daher werde ich als Regierungs- sowie als Parteichef bis zum allerletzten Tag mit ganzer Hingabe und vollem Einsatz für die Umsetzung der anstehenden Maßnahmen wirken, angefangen beim Wiederaufbau und der Wiederherstellung nach dem Erdbeben auf der Noto-Halbinsel sowie bei den Maßnahmen nach dem Erdbeben im Nankai-Graben und den Taifunen.“