Im letzten Monat diesen Jahres erscheinen lediglich zwei japanische Filme
neu als DVD auf dem deutschen Markt: Akira Kurosawas „Ran“ und Junji Itos „Uzumaki“.
Keine relevanten Neustarts sind in Sicht, weshalb ich mich an dieser Stelle
einem Klassiker des Anime widmen möchte – Hayao Miyazakis „Prinzessin
Mononoke“.
Nun
gibt es kaum einen Superlativ, der diesem Film noch nicht verliehen und
nichts, was über diesen Film noch nicht geschrieben worden ist. Trotzdem
denke ich, dass es einige unter Ihnen gibt, die – davon ausgehend, dass
Trickfilme in erster Linie Kinderfilme sind – Miyazakis Meisterwerk noch
nicht gesehen haben. Und ein Meisterwerk ist dieser Film wahrlich.
Bezeichnen Barry Cook und Tony Bancroft (Disneys „Mulan“) den
Trickfilmregisseur („Heidi“) schlichtweg als „Gott“, so hat sich Miyazaki
mit Mononoke zumindest selbst ein Denkmal gesetzt. Der Film lockte in Japan
13 Millionen Menschen in die Kinos und wurde erst durch „Chihiros Reise ins
Zauberland“ (ebenfalls Miyazaki) als erfolgreichster japanischer Film
abgelöst.
Gehen wir davon aus, dass so viele Menschen nicht irren können - was macht
den Zauber dieses Streifens aus? „Prinzessin Mononoke“ erzählt die
Geschichte des Emishi-Kriegers Ashitaka, der – ausgezogen, eine Wunde zu
heilen, die er sich in Verteidigung seines Dorfes zugezogen hat - in den
unerbittlichen Kampf zwischen der Geschäftsfrau Eboshi und ihren Männern mit
Prinzessin Mononoke und den Geistern des Waldes verwickelt wird. Eboshi
betreibt eine schwer befestigte Eisenhütte und holzt zu deren Betrieb die
Wälder
ab. Dies bringt sie in Konflikt mit den Tieren des Waldes unter Führung der
riesigen Wölfin Moro und deren Ziehtochter Mononoke, die ihr einen blutigen
Guerilla-Krieg liefern. Eine bittere Vision, die im Japan des
Wirtschaftswachstums der 60er und 70er Jahre bereits mehr als real war, als
man in Tokyo vor Smog den Fuji nicht mehr sehen konnte und Tausende Menschen
unter der Minamata-Krankheit litten, ausgelöst durch acetaldehydverseuchte
Industrieabwässer. Auch wenn man in Japan die Kirschblüte längst wieder in
vollen Zügen genießen kann, ist die Problematik aktuell wie je zuvor und
erinnern die Berge toter Wildschweine im Film bitter an die Kadaver
getöteter BSE-Rinder in Bayern oder Niedersachsen. Der Film ist eine
bildgewaltige Parabel au f die Unabdingbarkeit des friedlichen Nebeneinander
zwischen Mensch und Natur und ein Appell an das menschliche Gewissen, die
Natur und seine Bewohner zu achten und nicht bedingungslosem
wirtschaftlichen Wachstum zu opfern. Es ist jedoch nicht nur die höchst
aktuelle Geschichte, die berührt, sondern vor allem auch die liebevoll
gezeichneten Charaktere (im wahrsten Sinne des Wortes – nur 10% des Films
sind computergeneriert), die komplex und deshalb glaubwürdig sind. Weder ist Eboshi nur böse, noch Mononoke nur gut und damit de facto Sympathieträgerin.
Es geht somit nicht um den Sieg der einen oder der anderen Seite, sondern in
erster Linie um die Wahrnehmung der Belange des Gegenüber und die Aussöhnung
zwischen Mensch und Natur.
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Fazit: Ein wundervoller Film mit einer fesselnden Botschaft,
faszinierenden Bildern und einem Score (Joe Hisaishi), der einem nicht mehr aus
dem Kopf geht. Beeindruckende Animation – zum Teil auch sehr realistisch und
brutal – die man, wenn möglich, auf großer Leinwand sehen sollte. Und wenn Sie
dies tun – achten Sie auf die herzerwärmenden Waldgeister, die die Natur in
ihrer Vielfalt und Liebenswürdigkeit repräsentieren und für die allein sich der
Gang ins Kino lohnt.
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