"Die internationale Gemeinschaft muss den Menschen im Irak geschlossen
helfen"
Auf der Grundlage einer Resolution der Vereinten Nationen engagieren sich
insgesamt 76 Staaten und Regionen - darunter auch Japan - für den
Wieder-aufbau des Irak.
Außenminister Machimura wurde nun über den aktuellen Stand des japanischen
Engagements für den Wiederaufbau dieses Landes sowie über die bisher
erzielten Resultate befragt. Zugleich berichten wir über die Aktivitäten der
nach Samawah entsandten Angehörigen der Selbstverteidigungsstreitkräfte in
den Bereichen humanitäre Hilfe und Wiederaufbau.
Frage:
Warum engagiert sich Japan für den Wiederaufbau des Irak?
Außenminister Machimura:
Die Stabilität des Mittleren Ostens beeinflusst nicht allein die Frage der
Erdölvorkommen und die Problematik des Friedens in Nahost, sondern hat auch
Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die internationale Politik. Sie ist
damit unmittelbar mit dem Frieden und dem Gedeihen in der Welt verknüpft.
Der Irak ist ein wichtiger Faktor in der Region Mittlerer Osten und grenzt
an sechs andere Staaten dieser Region. Seine Stabilität ist für die
Stabilität der ganzen Region mit ihren grenzübergreifenden ethnischen und
religiösen Problemen unerlässlich. Für Japan, dessen Rohölimporte zu fast 90
% aus der Region Mittlerer Osten stammen, ist dies ein Problem, das
unmittelbar mit dem Wohle unseres Landes verbunden ist.
Zugleich ist es als verantwortungsvolles Mitglied der internationalen
Gemeinschaft eine selbstverständliche Verpflichtung, den Menschen im Irak
angesichts ihrer schwierigen Lage die Hand zur Hilfe zu reichen. Dies ist
auch der Wunsch der Vereinten Nationen, und daher wurde eine Resolution des
Sicherheitsrates verabschiedet. Gegenwärtig engagieren sich die Menschen im
Irak selbst für den Wiederaufbau ihres Landes, und die Staatengemeinschaft
ist gefordert, ihnen geschlossen zu helfen. Japans Verpflichtung ist es,
entsprechend seinen Fähigkeiten einen aktiven Beitrag in einem geeigneten
Bereich zu leisten.
Darüber hinaus besteht auch das Problem der Terroranschläge. Wir dürfen
nicht zulassen, dass der Wiederaufbau des Irak misslingt und er zu einem „Staat
ohne feste Strukturen“ wird, der dann wie einst Afghanistan als Brutstätte
des Terrorismus fungiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn die
Menschen im Irak für den Wiederaufbau der staatlichen Strukturen
zusammenwirken und die Hilfe der internationalen Gemeinschaft weiter
ausgebaut wird, der Irak als friedlicher und demokratischer Staat wieder
erstehen kann. Mit der Verwirklichung dieses Zieles entsprechen wir auch dem
Willen der vielen, die wie Botschafter Okumura und Botschaftssekretär Inoue
bei ihrem Engagement hierfür ihr Leben lassen mussten.
Frage:
Welche Rolle spielte die am 13. und 14. Oktober 2004 veranstaltete „Konferenz
des Treuhandfonds für den Wiederaufbau des Irak in Tokyo“?
Außenminister Machimura:
Im Oktober 2003 fand in Madrid die „Internationale Konferenz für den
Wiederaufbau des Irak“ statt. An der Konferenz nahmen 73 Staaten, zwanzig
internationale Organisationen und 13 Nichtregierungsorganisationen teil.
Zusammen mit dem entschlossenen Willen, den Irak nicht zu einem Staat ohne
feste Strukturen werden zu lassen, wurden auf dieser Konferenz Zusagen zur
finanziellen Zusammenarbeit in Höhe von insgesamt 3,3 Mrd. US-Dollar gemacht;
damit wurde mehr Geld als ursprünglich gedacht zur Verfügung gestellt. Ein
Jahr später kommt der politische Prozess im Irak mit den für Januar 2005
geplanten Wahlen in eine entscheidende Phase. Deshalb wurde die „Konferenz
des Treuhandfonds für den Wiederaufbau des Irak in Tokyo“ veranstaltet.
An dieser Konferenz beteiligten sich 53 Staaten und vier internationale
Organisationen; sie war damit eine große und zugleich sehr wichtige
Konferenz, bei der Japan als Gastgeber wirkte.
Es war die erste Konferenz der Geberländer nach dem Amtsantritt der
irakischen Übergangsregierung. Der stellvertretende Ministerpräsident des
Irak, Dr. Barham Salih stellte dabei die umfassende Wiederaufbaustrategie
vor, woraufhin eine Reihe von Ländern, u.a. der Iran, neue Mittel zusagten.
Es wurde erneut bestätigt, wie wichtig die Durchführung von Wahlen für das
ganze Land ist. Die Konferenz konnte sehr gute Resultate vorwiesen, darunter
auch die Hilfe der einzelnen Länder für die anstehenden Wahlen.
Frage:
Wie gestalten sich Umfang und Inhalt der japanischen Hilfe für den
Wiederaufbau des Irak?
Außenminister Machimura:
Japan hat bei der Konferenz von Madrid als „erste Hilfe“ insgesamt fünf Mrd.
US-Dollar einschließlich 1,5 Mrd. US-Dollar an zinslosen und
rückzahlungsfreien Zuschüssen zugesagt. Zur Zeit leistet Japan einen
personellen Beitrag durch die Selbstverteidigungs-streitkräfte (SDF) und wird
bis 2007 bis zu fünf Mrd. US-Dollar an offizieller Entwicklungshilfe (ODA)
leisten; dies sind die „beiden Räder des Wagens“, mittels denen unser Land
seinen großen Beitrag leistet. Das japanische Außenministerium hat im Januar
2004 innerhalb des Stützpunktes der SDF in Samawah eine „Außenstelle Samawah“
eingerichtet, die sich mit der Knüpfung von Kontakten zu wichtigen
Persönlichkeiten vor Ort, der Prüfung der Sicherheitslage und der
politischen Situation sowie der Koordinierung der Hilfsmaßnahmen im Rahmen
der ODA befasst und darüber hinaus auch Dolmetscher- und Beraterdienste für
die SDF leistet.
Als „erste Hilfe“ im Rahmen der ODA wurde der Schwerpunkt u.a. auf die
Bereiche Stromversorgung, Bildung, Wasser und Hygiene sowie Gesundheit
gelegt, um so zur Wiederherstellung der Lebensgrundlagen der Menschen im
Irak sowie zur Verbesserung der Sicherheit beizutragen. In Form direkter
Hilfe an den Irak, in Form von Hilfe durch inter-nationale Organisationen und
in Form von Mitteln für den Wiederaufbaufonds des Iraks wurden bislang
zinslose und rückzahlungsfreie Zuschüsse in Höhe von ca. 1,3 Mrd. US-Dollar
geleistet. Es werden nun die Vorbereitungen für die Gewährung von Yen-Darlehen
für den Wiederaufbau in den Bereichen Wirtschaft und Gesellschaft getroffen
und gleich-zeitig die Ausbildungsprogramme für irakische Experten ausgeweitet.
Frage:
Wie wird die Hilfe Japans im Irak selbst und von der internationalen
Gemeinschaft ge-würdigt?
Außenminister Machimura:
Bei der eben genannten Konferenz von Tokyo bin ich mit zahlreichen
Vertretern anderer Staaten zusammengetroffen. Besonders beeindruckt war ich
von der Delegation der irakischen Übergangsregierung: dem stellvertretenden
Ministerpräsidenten Dr. Barham Salih und dem Planungsminister Mahdi
al-Hafez. Sie haben einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht und mit
großer Überzeugung ihre Strategie für den Wiederaufbau ver-kündet. Zugleich
haben sie Japan ausdrücklich für seine Hilfe gedankt. Gefreut habe ich mich
zudem darüber, dass die irakischen Vertreter das Engagement der SDF in
Samawah sehr gelobt haben und mir sagten: „Samawah ist das Modell für die
Hilfe beim Wieder-aufbau des Iraks. Darauf sollte Japan stolz sein.“
Anfang Oktober 2004 kam auch der Gouverneur der Provinz Muthanna, in der
Samawah liegt, nach Tokyo und sagte mir, dass die verschiedenen Aktivitäten
der SDF in Samawah stets den Erfordernissen vor Ort entsprächen. Als
Wassermangel geherrscht habe und die Provinz nicht in der Lage gewesen sei,
dieses Problem aus eigener Kraft zu beheben, seien umgehend Tankwagen mit
Wasser zur Verfügung gestellt worden. Auch in Bezug auf die Reparatur von
Schulen und Krankenhäusern sei das Timing sehr gut gewesen. Neben diesem Lob
der japanischen Hilfe bat der Gouverneur zugleich um weitere Unterstützung.
Darüber hinaus dankte der irakische Interim-Ministerpräsident Allawi in zwei
Schreiben vom 24. Oktober sowie vom 1. Dezember 2004 Ministerpräsident
Koizumi für den durch die SDF geleisteten Beitrag und sprach sich darin für
die Fortsetzung des Engagements der SDF im Irak aus.
Frage:
Es gibt auch Opfer durch Terroranschläge im Irak.
Außenminister Machimura:
Die Entführung und Ermordung von Shosei Koda Ende Oktober 2004 war
außerordentlich tragisch. Als Außenminister habe ich viele Persönlichkeiten
in einer Reihe von Ländern gebeten, sich für seine Freilassung einzusetzen.
Zugleich habe ich über die Sender Aljazeera und CNN an die Entführer
appelliert, ihre Geisel freizulassen, leider ohne Erfolg. Das Leben von
Menschen zur Durchsetzung eigener Forderungen zu missbrauchen, ist in hohem
Maße verabscheuungswürdig. Wir dürfen uns dieser Bedrohung nicht beugen,
sondern müssen uns mit ganzer Kraft weiter für den Wiederaufbau des Iraks
einsetzen.
Am 11. November 2004 gab es in Samawah eine Demonstration, die sich gegen
den „Rückzug der SDF“ aussprach. Vor dem Stützpunkt der SDF versammelten
sich ca. 150 Personen, unter ihnen auch Kinder, die Spruchbänder mit
Aufschriften trugen wie: „Die Bürger von Samawah danken für den Wiederaufbau
ihrer Stadt“, „Wir wünschen die Fortsetzung der Wiederaufbauhilfe durch die
SDF“ oder „Wir sind gegen Terrorismus“ und so die Fortführung des
Engagements der SDF forderten. Ich denke, dies ist ein Beweis dafür, wie
sehr die humanitäre Hilfe und der Wiederaufbau durch die SDF von den
Menschen vor Ort gewünscht werden.
Frage:
Wie denken Sie über die künftige Entwicklung im Irak und die Art und Weise
der Hilfe für dieses Land?
Außenminister Machimura:
Der Wiederaufbau des Irak muss von den Menschen im Land selbst für die
Menschen im Land geleistet werden. Insbesondere die feste Entschlossenheit,
den politischen Prozess nach der Übergabe der Souveränität an die
Übergangsregierung fortzuführen, die größtmöglichen Anstrengungen für die
Verbesserung der Sicherheitslage im Land sowie das auf eigenem Antrieb
beruhende Engagement für den Wiederaufbau sind hierbei sehr wichtig. Das,
was die internationale Gemeinschaft tun kann, ist, diese eigenständigen
Anstrengungen der irakischen Seite in den unterschiedlichsten Bereichen zu
unterstützen. Gerade auch angesichts der schwierigen Lage, in der sich die
Menschen im Irak derzeit befinden, ist es wichtig, ihnen zu verstehen zu
geben, dass die Staatengemeinschaft ein Freund ist, der ihnen zur Seite
steht und ihnen hilft. Zugleich sind die Iraker selbst entschlossen, als ein
Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren. Das Wichtigste für
die weitere Entwicklung des Iraks ist, die Parlamentswahlen im Januar 2005
erfolgreich durchzuführen, damit das Land einen Neubeginn als demokratischer
Staat erreichen kann. Wenn die Wahlen erfolgreich sind, werden sie in
erheblichem Maße zur Verbesserung der Sicherheit im Land beitragen. Auch in
diesem Sinne sind diese Wahlen für den Wiederaufbau des Iraks von großer
Bedeutung. In meiner Rede auf der „Konferenz des Treuhandfonds für den
Wiederaufbau des Iraks in Tokyo“ hatte ich angekündigt, dass Japan für die
Wahlen 40 Mill. US-Dollar aus dem Fonds zur Verfügung stellen wird und
zugleich darum gebeten, uns Bereiche zu benennen, wo wir darüber hinaus bei
der Durchführung der Wahlen helfen können.
Die Wiederaufbauhilfe setzt sich insgesamt aus sehr vielen unterschiedlichen
Aufgaben zusammen. Zahlreiche Mitarbeiter des Außenministeriums engagieren
sich Tag und Nacht sowohl in der Zentrale in Tokyo, als auch unter
schwierigen Umständen in der japanischen Botschaft in Bagdad und als
Verbindungsglied zwischen den SDF und den Menschen vor Ort in der
Außenstelle Samawah. Das Außenministerium unterstützt dieses Engagement mit
ganzer Kraft, um in Zusammenarbeit mit den SDF den Wiederaufbau des Irak
erfolgreich zu gestalten. Zugleich wünsche ich mir, dass die Menschen in
Japan die Bedeutung des Wiederaufbaus des Irak und die aktuelle Lage dort
erkennen.
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Anhang
Japans Hilfe für den Irak
Hilfe im Rahmen der Entwicklungshilfe (ODA) (Stand: 09. 11. 2004)
-
direkte Hilfe für
den Irak (Stromversorgung, medizinische Versorgung, Wasser und Hygiene,
Sicherheit, Hilfe auf Grass-Roots-Ebene u.a.): ca. 681 Mill. US-Dollar
-
Hilfe über
internationale Organisationen (humanitäre Soforthilfe für den Irak,
Schutz und Wiederherstellen des Kulturerbes, Bildung, Stromversorgung,
medizinische Versorgung, Beschäftigung u.a.):
ca. 90 Mill. US-Dollar
-
Wiederaufbaufonds
der Vereinten Nationen für den Irak (Wiederaufbaufonds für den Irak
sowie Finanzierung von kleineren Projekten durch die International
Finance Corporation): ca. 500 Mill. US-Dollar
-
Hilfe durch
Nichtregierungsorganisationen (Hilfe durch japanische und internationale
NGOs): ca. 250 Mill. US-Dollar
-
sonstiges (Einladung
irakischer Experten nach Japan sowie Ausbildung in den arabischen
Anrainerstaaten): ca. 6 Mill. US-Dollar (Bereich technische
Zusammen-arbeit)
Resultate der Hilfe im Bereich ODA:
-
Schaffung neuer
Arbeitsplätze für insgesamt mehr als 300 Tsd. Menschen
-
Stromversorgung
Reparatur von Kraftwerken, Lieferung von Transformatoren u. a.,
Wiederher-stellung von Kapazitäten in Höhe von ca. 460 MW (ca. 10 % des
Strombedarfs des Irak)
-
Medizinische
Versorgung /Gesundheit Reparatur von Krankenhäusern, Bereitstellung
von medizinischen Geräten und Arzneimitteln, Sicherung der medizinischen
Versorgung für ca. 4 Mill. Menschen pro Jahr
-
Wasser und Hygiene Reparatur und Neubau von Wasserleitungen, Unterstützung von insgesamt
ca. zwei Mill. Menschen
-
Bildung, Kultur Reparatur von Schulen, Unterstützung von insgesamt ca. 6,1 Mill.
Schülern und Studierenden
-
Sonstiges
Bereitstellung von Feuerwehrfahrzeugen u.a., Reparatur von
Kommunikations-netzen
Humanitäre Hilfe und Wiederaufbau durch die SDF
-
Medizinische
Versorgung Medizinische Versorgung durch Sanitätspersonal (Verbesserung
der Gesundheits-vorsorge und der medizinischen Behandlung für die
Menschen in Samawah und Umgebung)
-
Trinkwasserversorgung
Aufbereitung von Flusswasser und Verteilung
mittels Tankwagen
-
Reparatur und
Ausstattung von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen Reparatur von
Schulen, Straßen u.a.
-
Transport von
humanitären Hilfsgütern u.a. Transport von humanitären Hilfsgütern
u.a. (Luftstreitkräfte) sowie der Fahrzeuge, welche die
Bodenstreitkräfte bei ihren Einsätzen verwenden (Seestreitkräfte)
(Quelle: "Cabinet" vom 15. Dezember 2004)
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