Die
schwere Flutkatastrophe im Indischen Ozean Ende 2004 hat gerade auch in
Japan große Betroffenheit ausgelöst, da dieses Land seit alters her
besonders oft unter Flut-wellen leidet. Inzwischen hat sich die japanische
Bezeichnung „Tsunami“ für eine Flut-welle, die nach einem Seebeben die
Küstenregionen der Anrainerstaaten verwüstet, inter-national eingebürgert.
Im Zusammenhang mit der jüngsten Flutkatastrophe erinnerte das japanische
Institut für Brandsicherheit und Katastrophenvorsorge (ISAD) auf seiner
Homepage an eine histo-rische Episode, die vielen älteren Japanern noch aus
Schulbüchern bekannt ist: „Die Geschichte vom Reisgarbenfeuer“.
1854 gab es vor der Küste der jetzigen Präfektur Wakayama in Zentraljapan
ein See-beben, das eine große Flutwelle auslöste. Der Schulze eines
Küstendorfes, Hamaguchi Goryo (1820-1885), bemerkte von seinem Anwesen aus,
das auf einer Erhöhung über der Küste lag, wie das Meer sich plötzlich in
unnatürlicher Weise zurückzog. Er vermutete, dass eine Flutwelle im Anrollen
sei und überlegte, wie er die Menschen in seinem Dorf rasch retten könne,
welche die Veränderungen auf dem Meer noch nicht bemerkt hatten. Da keine
Zeit blieb, zur Küste hinunterzulaufen, entschied er sich dafür, Feuer an
die Reisgarben zu legen, die in seinem Anwesen zum Trocknen aufgestellt
waren. Damals waren alle Mitglieder einer Dorfgemeinschaft dazu verpflichtet,
bei Ausbruch eines Feuers sofort zur Unglücksstelle zu eilen und bei den
Löscharbeiten zu helfen. Die Dorfbewohner eilten nun sofort zum Anwesen
ihres Schulzen und blieben so von der inzwischen an-rollenden Flutwelle
verschont. Der Schulze hatte einen Teil seiner Ernte geopfert, um seine
Mitbewohner zu retten. Diese Geschichte wurde einige Jahrzehnte später durch
die Erzählung „A Living God“ des in Japan lebenden Schriftstellers Lafcadio
Hearn auch inter-national bekannt. Noch später wurde die Geschichte für das
Lesebuch der 5. Grundschul-klassen adaptiert und bis 1945 verwendet. Dank
dieser Geschichte haben viele ältere Japaner noch heute eine anschauliche
Vorstellung von der Bedrohung durch Flutwellen.
Das Institut für Brandsicherheit und Katastrophenvorsorge weist darauf hin,
dass heute die Tsunami-Warnungen des Meteorologischen Amtes via Radio,
Fernsehen und Funk in Japan die Aufgabe des „Reisgarbenfeuers“ übernommen
haben. Nach wie vor aber ist es wesentlich, dass die Menschen sofort gewarnt
werden und dass die so Gewarnten genau wissen, wie sie sich zu verhalten
haben.
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