Yashushi Akashi - 1954 Studienabschluss an der
Universität Tokyo. Studium an der University of Virginia und der Fletcher
School of Law and Diplomacy. 1957 Eintritt in das Sekretariat der Vereinten
Nationen. U.a. als VN-Botschafter Japans und als VN-Untergeneralsekretär
tätig. Nach Ausscheiden aus den Vereinten Nationen leitete Akashi das
Hiroshima Friedensinstitut und das Japanische Zentrum für Konfliktverhütung.
Neben seiner Tätigkeit als Vortragsredner und Kommentator ist er auch
Repräsentant der Regierung von Japan für den Wiederaufbau von Sri Lanka.
Frage:
Wir möchten Sie zunächst zu Ihrer Karriere bei den Vereinten Nationen
befragen. Sie haben 1957 als erster Japaner überhaupt für das VN-Sekretariat
gearbeitet und waren viele Jahre für die VN tätig.
Akashi:
Ich war insgesamt 35 Jahre im VN-Sekretariat, davon achtzehn Jahre als
Untergeneralsekretär. Darüber hinaus war ich auch fünf Jahre lang
VN-Botschafter Japans. Ich weiß nicht, ob man darauf stolz sein kann. Meine
Fähigkeiten waren eher beschränkt und ich denke, letzten Endes habe ich nur
zu den Vereinten Nationen getaugt und zu nichts anderem.
[…]
Frage:
Wie denken Sie über das Verhältnis Japans zu den Vereinten Nationen und
insbesondere über seine jüngsten Anstrengungen, einen ständigen Sitz im
Sicherheitsrat zu erhalten?
Akashi:
Ich befürworte einen ständigen Sitz Japans im VN-Sicherheitsrat. In einer
solchen Position kann das Land weitreichende Beiträge leisten, eine
konstruktive Rolle bei der Wahrung des internationalen Friedens und der
Sicherheit übernehmen und sich mit anderen Themen wie Soziale Sicherheit,
Entwicklung und Erhaltung der globalen Umwelt befassen. Japan muss auf
internationaler Bühne eine wichtige Rolle spielen. Es wäre für die VN ein
Verlust, wenn Japan von ihren wichtigen Aktivitäten ausgeschlossen würde.
Viele Menschen in Japan sind der Auffassung, dass ihr Land trotz seiner
großen Beiträge für diese Organisation dort keine Stimme hat. Das ist nicht
gut.
Der Sicherheitsrat ist das bekannteste Gremium der VN, und ich hoffe, dass
mittlere und kleinere Staaten eine größere Rolle in ihm und in anderen
Organen der VN übernehmen werden. Wichtige Staaten wie Japan oder Indien
sind dagegen für die ständige Mitgliedschaft und für die Übernahme von
Verantwortung in Schlüsselpositionen ausreichend qualifiziert.
Frage:
Im Herbst letzten Jahres hielt Ministerpräsident Junichiro Koizumi eine Rede
vor der VN-Generalversammlung und erlangte die gegenseitige Unterstützung
einer Gruppe von Staaten für Japans Wunsch nach einem ständigen Sitz.
Akashi:
Dies ist eine sehr positive Entwicklung. Die Gruppe von vier wichtigen und
aufstrebenden Mächten - Japan, Indien, Deutschland und Brasilien - hat sich
zusammengeschlossen, um nach Wegen für eine Reform des VN-Sicherheitsrates
zu suchen; sie alle sollten ständige Mitglieder des Rates werden. Dies wird
natürlich dazu führen, dass andere Staaten sich übergangen fühlen; jedoch
ragen die Beiträge dieser vier Mächte zusammen mit den Beiträgen
afrikanischer Mächte, die sich dieser Kampagne
hoffentlich anschließen werden, am meisten
heraus.
Ich hoffe, dass Länder wie die Vereinigten Staaten und China, die diesen
Vorschlag zur Ausweitung des Gremiums nicht ausdrücklich befürworten,
gründlich über die Vorteile nachdenken, die eine Mitgliedschaft dieser
Staaten in einem erneuerten Sicherheitsrat mit sich brächte.
Frage:
Japan spielt durch sein Engagement im Rahmen von Blauhelmmissionen und im
Bereich Entwicklungshilfe inzwischen eine wichtige Rolle auf internationaler
Bühne. Wird das Land weiter in diesen beiden Bereichen aktiv sein?
Akashi:
Ich glaube ja. Japan wird sein Engagement fortführen; es wird seine
Teilnahme an Friedensmissionen der VN und anderen friedensschaffenden
Maßnahmen ausweiten. Wenn man sieht, was wir in Afghanistan, Osttimor und
Sri Lanka unternehmen, dann wird deutlich, dass Japan nicht nur in
traditionellen Bereichen der Entwicklung tätig ist, sondern seine
Entwicklungshilfe auch für die Festigung des Friedens nutzt. Ich denke,
diese Anstrengungen finden viel Zustimmung.
Die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte kamen bereits u.a. in
Kambodscha, Osttimor, Mosambik und auf den Golan-Höhen zum Einsatz. Ich
hoffe, dass Japan hier noch mehr Engagement zeigt, insbesondere in Afrika,
wo der größte Teil der gegenwärtigen Friedensmissionen der VN durchgeführt
wird. Diese Operationen sind multidimensional geworden, und sie brauchen die
Unterstützung von allen möglichen Experten wie z.B. Polizisten und
Verwaltungsfachleuten. Wir müssen auch eine größere Bereitschaft zeigen,
junge Japaner in diesen Bereichen auszubilden.
Bei diesen zivilen Aktivitäten kommt den Nichtregierungsorganisationen eine
wichtige Rolle zu. In Afghanistan und Sri Lanka bieten japanische
Organisationen medizinische Hilfe und Dienstleistungen im Sozialbereich an.
Sie arbeiten mit anderen Organisationen - lokalen und internationalen -
sowie mit VN-Organisationen zusammen. Viele dieser Organisationen sind
jedoch klein und haben noch wenig Erfahrung. Ich halte es daher für dringend
notwendig, noch mehr junge Menschen auszubilden, damit sie sich an diesen
Aktivitäten beteiligen können.
Frage:
Wie denken Sie über die Zahl der Japanerinnen und Japaner, die bei den
Vereinten Nationen arbeiten?
Akashi:
Es ist ermutigend zu beobachten, dass immer mehr meiner Landsleute für die
VN tätig sind. Allerdings sind es noch immer zu wenige. Trotz des Zuwachses
in den letzten Jahren besteht nach wie vor ein Mangel an qualifiziertem
Personal, um Stellen bei den VN zu besetzen. Viele Japanerinnen und Japaner
verlassen ihre Posten wieder, so dass sich trotz der Neuzugänge die Zahl nur
wenig verändert hat.
Es gibt übrigens mehr Frauen als Männer aus Japan, die für die VN arbeiten.
Ich begrüße natürlich das große Interesse unter den japanischen Frauen an
den VN, aber ich sähe es gern, wenn sich auch mehr Männer bewerben würden.
Ich hoffe, dass wir hier ein ausgewogenes Gleichgewicht erreichen werden.
Frage:
Sie sind nun als Repräsentant der Regierung von Japan für friedensschaffende
Maßnahmen in Sri Lanka tätig. Wurde ihre Arbeit durch die jüngste
Flutkatastrophe schwieriger?
Akashi:
Nein. Auch wenn die Flutkatastrophe für jeden ein großes Unglück war,
konnten wir danach doch auch ermutigende Beispiele von Kooperation zwischen
den verschiedenen ethnischen Gruppen beobachten. Es war für die Menschen
eine einzigartige Gelegenheit zu lernen, wie man angesichts einer
allgemeinen Herausforderung zusammen wirken kann. Wir müssen die
Möglichkeiten, die uns die Katastrophe in dieser Hinsicht erschlossen hat,
auf vielfältige Weise nutzen.
Wir setzen uns für die Gestaltung der Grundlagen für eine neue Freundschaft
ein, die auf Sri Lanka zwischen der Mehrheit der Singhalesen und der
tamilischen Minderheit entstanden ist. In Zusammenarbeit mit den Vereinigten
Staaten, Norwegen und der EU versuchen wir, die Konfliktparteien in Sri
Lanka dazu zu ermuntern die Situation im Land zu verbessern. Auch wenn das
gegenseitige Misstrauen noch groß ist, gibt es doch ermutigende Anzeichen. Wir werden unser Engagement daher fortsetzen.
(Quelle:
Auszug aus 'Web Japan')
Druckversion
|