Botschaft von Japan
.Neues aus Japan Nr.                            Juni 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Interview mit Sadako Ogata, Präsidentin der Japan International Cooperation Agency (JICA)


 

 

 

 

 

Vor fünfzig Jahren - im Oktober 1955 - trat Japan dem Colombo-Plan bei und nahm damit seine offizielle Entwicklungshilfe auf. Zugleich agiert seit nunmehr einem Jahr die 1974 gegründete Japan International Cooperation Agency (JICA) als unabhängige Körperschaft des öffentlichen Rechts in neuem Gewand.
Wir haben die Präsidentin der JICA, Sadako Ogata, zur Reform ihrer Organisation sowie zur bisherigen Entwicklung und zur Zukunft der internationalen Zusammenarbeit Japans befragt.
 


Internationale Zusammenarbeit als Bestandteil der japanischen Kultur - Ein halbes Jahrhundert japanische Entwicklungshilfe

Neuer Schwung und neue Form durch die Reform der JICA
Frage:
Seit einem Jahr ist die JICA nun eine unabhängige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zugleich sind Sie seitdem als Präsidentin tätig. Wie sehen Sie Ihre Organisation jetzt?
Ogata: Die Zeit vergeht wirklich sehr schnell. Als ich vor einem Jahr hier antrat, wurde die JICA im Rahmen ihrer Umgestaltung umfassend reformiert. Sie war beseelt von dem Ehrgeiz, noch mehr zu leisten als bisher. Ich denke, sie hat nun neuen Schwung und auch eine Form bekommen.
Damit wir als unabhängige Körperschaft des öffentlichen Rechts in den Entwicklungsländern Entwicklungshilfe leisten können, ist es unsere wichtigste Aufgabe, unsere Projekte so zu gestalten, dass wir den Bedürfnissen der betreffenden Staaten und Menschen genau entsprechen. Die JICA muss sich fragen, wie sie angesichts der sich stetig wandelnden Gesellschaften handeln soll. Hierfür sind Augen vor Ort, das richtige Wissen und die Fähigkeit, dieses Wissen in konkrete Projekte umzuformen, sehr wichtig. Die Reform unter dem Slogan „Höchste Priorität für die Bedürfnisse vor Ort“ stellt einen Versuch in diese Richtung dar. Indem mehr Personal, Finanzmittel und Befugnisse an die einzelnen JICA-Büros im Ausland abgegeben wurden, konnten wir ein System des Projektmanagements realisieren, das sich durch hohe Qualität auszeichnet.

Neue Herausforderung
Frage: Ab Oktober 2005 werden erstmals konkrete Projekte unter Federführung der JICA-Büros im Ausland umgesetzt.
Ogata: Zunächst werden acht Büros vor Ort in Eigenregie mit der Erarbeitung und Umsetzung von Projekten betraut werden. Hinzu kommen weitere dreißig Büros, die als Förderschwerpunkte gelten. Fünf davon werden über die Fähigkeit verfügen, diese Akti-vitäten auf regionaler Ebene zu unterstützen. In Afrika sind dies unsere Niederlassungen in Kenia und Senegal, während in Asien das JICA-Büro in Thailand diese Aufgabe über-nimmt. Lateinamerika ist durch die Niederlassung in Mexiko und die Region Ozeanien durch das Büro auf den Fidschi-Inseln abgedeckt. In diesen regionalen Zentren sind die Fachkräfte stationiert, die sich in den jeweils benötigten Bereichen auskennen. Sie kommen dann bei der Programmentwicklung in allen Niederlassungen ihrer Region zum Einsatz und erteilen zugleich Ratschläge. Darüber hinaus verfügt unser Büro in Südafrika über Kapazitäten in den Bereichen Materialbeschaffung und Verwaltung für eine größere Region. Dies habe ich, nachdem ich mir im Mai drei Niederlassungen in Afrika angeschaut hatte, entschieden. Als nächstes werde ich nach Mexiko und dann gegen Ende des Jahres nach Thailand fliegen. Für mich ist es eine neue Herausforderung zu sehen, ob sich diese neue Organisationsform bewährt.

Frage: Was werden Sie im Rahmen des zweiten Jahres der Reform in Bezug auf die Durchführung der Projekte prüfen?
Ogata: Wir müssen unseren Kurs für Projekte, die von Japan aus geplant und umgesetzt werden, genau festlegen. Diese sind ein wesentlicher Bestandteil unserer zu leistenden Entwicklungshilfe. Wir müssen überlegen, wie wir die Aufnahme von Auszubildenden in Japan mit dem Ausbau unserer Kapazitäten im Ausland verknüpfen können. Ich denke, dass wir die Inhalte und Methoden dieser Ausbildungsprogramme stärker an unsere Schwerpunktregionen und ihre Entwicklungsaufgaben anpassen sollten. Die einzelnen Einrichtungen, die jede für sich ein breites Spektrum von Ausbildungsinhalten abdecken, könnten sich auf bestimmte Gebiete, in denen sie über herausragende Fähigkeiten verfügen, konzentrieren.

Wissen vor Ort für Projektumsetzung nutzen
Frage: Wenn nun die „Höchste Priorität für die Bedürfnisse vor Ort“ konkret umgesetzt wird - welche Erwartungen werden dann an die Fachkräfte und die Teilnehmer der Japan Overseas Cooperation Volunteers sowie des Senior Volunteers Program vor Ort gestellt?
Ogata: Sehr viele Fachkräfte und freiwillige Helfer verfügen über ausgezeichnete Kenntnisse der Situation vor Ort. Vielleicht haben aber nicht alle ihre Arbeit so bewertet, dass sie diese Kenntnisse in angemessener Weise für unsere Projekte einbringen konnten.
Indem nun die Büros vor Ort die Führung übernehmen, gelangt nun auch die Grundlage dieses Wissens direkt an den Einsatzort. Ich möchte unsere Mitarbeiter bitten, dort ihre eigenen Ansichten zu äußern und sich auch aus-zutauschen. Ich bin überzeugt, dass es uns dann gelingen wird, auf die Vor- und Nachteile der Gesellschaften, mit denen wir zusammenwirken, einzugehen und heraus-zufinden, was genau deren Bedürfnisse sind.

Gemeinschaften im Blickpunkt der Entwicklung
Frage: Die drei Säulen der Reform der JICA lauten „Höchste Priorität der Bedürfnisse vor Ort“, „Effizienz und hohes Tempo“ sowie „Human Security“. Ihre Aufgabe ist es, diese Prinzipien in konkrete Projekte zu formen. Das Konzept von „Human Security“ umfasst ein sehr breites Spektrum und überschneidet sich teilweise mit den Projekten, die von der JICA bislang umgesetzt wurden. Führt dies bei der konkreten Umsetzung nicht auch zu Verwirrung?
Ogata: Ja, das kann schon sein. Der Kern des „Human Security“-Konzeptes besteht aus der Stärkung der Fähigkeiten der Gemeinschaften, d.h. es ist Entwicklung von unten. Die JICA beginnt jetzt - wenn wir den Blick auf die Entwicklung der Gemeinschaften in Form von Menschen oder ganzen Gruppierungen richten - darüber nachzudenken, wie wir unsere bisherigen Projekte einschätzen können. Wir haben die „Sieben Gesichtspunkte in Bezug auf Human Security“ erstellt und beginnen nun damit, die bisherigen Projekte unter diesen Gesichtspunkten zu bewerten. Dadurch legen wir den Schwerpunkt auf „Human Security“, auf die Stärkung der Fähigkeiten der Gemeinschaften. Gleichzeitig wirkt sich „Human Security“ auch positiv auf die Fähigkeiten der Regierungen aus - hier stellt sich die Frage, wie man dies mit dem Ausbau der Fähigkeiten der Gemeinschaften verknüpfen kann. Es ist wichtig, nicht allein das Konzept im Kopf zu haben, sondern es auch mit den Projekten vor Ort ganz konkret zusammenzuführen. Für alle Mitarbeiter vor Ort ist es bei der Analyse ihrer bisherigen Aktivitäten wichtig, nicht daran zu denken, dass „alles, was ich bisher gemacht habe, in den Bereich von Human Security fällt“, sondern zu überlegen, wie sie ihre Aktivitäten und Projekte unter Berücksichtigung der Aspekte von „Human Security“ weiterentwickeln können.

Zurück zum Geist des Colombo-Plans
Frage: In diesem Jahr jährt sich der Beginn der internationalen Zusammenarbeit Japans zum fünfzigsten Mal. In den letzten zehn Jahren hat sich zusammen mit der internationalen Gemeinschaft auch die internationale Zusammenarbeit verändert. Welche Bedeutung hat die offizielle Entwicklungshilfe im 21. Jahrhundert für Japan?
Ogata: Vor fünfzig Jahren wurde Japan im Rahmen des Colombo-Plans zum Geberland. Damals hat Japan selbst noch Hilfe erhalten; weil es sich aber darüber im Klaren war, dass Wohlstand nur gemeinsam erreicht werden kann, hat unser Land schon damals begonnen, selbst Hilfe zu leisten. Ich denke, es ist wichtig, dass wir zu diesem Geist zurückkehren. Es gibt wohl keinen Staat, der sowohl im Bereich der Wirtschaft, als auch im Bereich der Sicherheit mehr von den Segnungen der internationalen Gemeinschaft profitiert hat, als Japan. Heute sind wir die zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt, und wenn wir uns jetzt fragen, wovon der Wohlstand und die Sicherheit künftig abhängen, dann sind dies nach wie vor die gegenseitigen Abhängigkeiten auf internationaler Ebene. Auch für uns selbst ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit den anderen Staaten dafür wirken, dass jedes Land seinen Wunsch nach Wohlstand und Sicherheit realisiert. Wir müssen uns erneut darüber im Klaren sein, dass ein sehr wichtiges Mittel dafür die Entwicklungshilfe ist.

Frage: Als neuer Trend bei der Hilfe gewinnt die Unterstützung für die Schaffung von Frieden immer mehr Bedeutung.
Ogata: Heute gibt es immer mehr Regionen und Staaten, in denen ein Konflikt durch einen Waffenstillstand beendet und der Weg zum Frieden beschritten wird. Hier müssen wir noch schneller als bisher Hilfe beim Wiederaufbau leisten. Wo der Frieden in greifbare Nähe gerückt ist, darf es keinen Rückfall geben; es muss möglichst schnell ein wirklicher Frieden erreicht werden. Da die reale Welt nun aber doch komplizierter ist, sind auf der anderen Seite auch die Bekämpfung von Armut sowie die Beseitigung von Un-gerechtigkeiten sehr wichtig. Dort, wo gravierende Unterschiede, Gewaltherrschaft und Ausbeutung lange andauern, wird die Saat für Menschenrechtsverletzungen, Unge-rechtigkeit, Unzufriedenheit und Konflikte gesät. Es ist sehr wichtig, dass alle Beteiligten dies erkennen und bewusst dazu beitragen, dass alle Menschen friedlich zusammenleben können.
Japan hat aufgrund der bitteren Erfahrungen des letzten Krieges sowie des daraus resultierenden starken Wunsches nach Frieden in den letzten sechzig Jahren seinen Weg als ein Land beschritten, in dem die Menschen der Souverän sind. Deshalb wird Japan nun von anderen anerkannt und selbst um Hilfe gebeten.

Keine Introvertiertheit
Frage: Sie haben einmal gesagt, als Sie nach Japan zurückkehrten, sei es ein Schock für Sie gewesen, zu sehen, wie introvertiert die japanische Gesellschaft geworden sei.
Ogata: Alle Industrieländer neigen zur Introvertiertheit. Allerdings ist nun ein Wandel spürbar. Man hat erkannt, dass der Terrorismus nicht mit Introvertiertheit besiegt werden kann. Die Vereinigten Staaten haben ihre Ent-wicklungshilfe, die vorübergehend zurückgegangen war, inzwischen wieder aufgestockt. In den europäischen Ländern beginnt man nun zu begreifen, dass die eigene langfristige Sicherheit erst dann möglich wird, wenn man die Armut in den Entwicklungsländern aktiv bekämpft. Man diskutiert heute weltweit darüber, wie soziale Gerechtigkeit zu Stabilität und Sicherheit beitragen kann. Als ich nach Japan zurückkam, stellte ich fest, dass dieses Bewusstsein hierzulande noch wenig ausgebildet ist.
In den neunziger Jahren, als ich überwiegend im Ausland tätig war, war der internationale Beitrag ein deutliches „Zeichen“ von Japan in der Welt. Als dann die japanische Wirtschaft in die Krise geriet, wurde die offizielle Entwicklungshilfe drei Jahre in Folge gekürzt. Ich denke, es ist jetzt Zeit darüber nachzudenken, ob dies wirklich richtig war.

Frage: Welche Rolle kann die JICA dabei spielen, die große Bedeutung von Entwicklungshilfe zu vermitteln?
Ogata: Ein Mittel ist sicherlich das Vorweisen guter Leistungen. Wir können nur gute Arbeit leisten, wenn die Menschen in Japan unsere Leistungen anerkennen und unterstützen. Hierfür sind die Anstrengungen vieler Einzelner von großer Bedeutung. Gerade deshalb sind die Japan Overseas Cooperation Volunteers so wichtig. Weltweit sind junge Menschen aus Japan und anderen Ländern aktiv, die etwas bewegen wollen. Diese freiwilligen Helfer kenne ich bereits seit vielen Jahren. Länger sogar als JICA (lacht). Dann gibt es noch das Senior Volunteers Program, dessen Teilnehmer über mehr Lebensjahre und Erfahrung verfügen und die noch einmal eine Aufgabe übernehmen wollen. Die Erfahrungen, die aus diesen von Japanern gestalteten Aktivitäten und den Aktivitäten der JICA resultieren, möchte ich für die Verbreitung der Kenntnisse über Entwicklungszusammenarbeit nutzen. Insbesondere die freiwilligen Aktivitäten von noch aktiven Ausbildern sind außerordentlich effizient, und ich möchte diese weiter ausbauen.
Viele Mitarbeiter, die nach einigen Jahren nach Japan zurückkehren, werden in Nichtregierungsorganisationen (NGO) tätig, und wir sollten diese Aktivitäten anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums von ODA weiter fördern.
Der Wunsch, etwas für andere Menschen zu tun, mit anderen eine Gemeinschaft aufzubauen, ist in der japanischen Gesellschaft seit alters her vorhanden. Ich habe einmal die Formulierung „Internationale Zusammenarbeit als Bestandteil der japanischen Kultur“ geprägt, tatsächlich aber wurzelt die internationale Zusammenarbeit tief innerhalb der traditionellen Kultur Japans.
                                                                                   (Quelle: "Frontier", Oktober 2004)

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