Um es vorweg zu nehmen: ich liebe diesen Film. Es mag actionreichere
Samuraidramen geben, tiefgründigere, gesellschaftskritischere. Aber keinen
anrührenderen. Der 77. Film von Yoji Yamada, bekannt geworden als Regisseur
von fast 50 „Tora-san“-Filmen, basiert auf Romanvorlagen von Shuhei Fujisawa
und war in Japan ein durchschlagender Erfolg.
Auf
des Meisters Vorliebe für gebrochene Charaktere hatte ich Sie bereits in
meiner März-Rezension von „Kakushi ken“ hingewiesen – unser Held diesmal ist
sozusagen Katagiris „Senpai“ (Vorgänger)... Aber ich greife vor.
Iguchi Seibei ist ein abgehalfterter Samurai und alleinerziehender Vater,
der nach dem Tod seiner Frau in sich gekehrt und zurückgezogen lebt, seiner
Arbeit nachgeht und sich um seine zwei Kinder und die debile Mutter kümmert.
Er ernährt seine Familie mehr schlecht als recht indem er als Buchhalter
Dienst tut. Da er entgegen den Gepflogenheiten japanischer „Sarari-Men“
sofort nach der Arbeit (mit einbrechender Dunkelheit) heimgeht, nennen ihn
seine Kollegen mitleidig „Zwielicht-Samurai“. Zwielichtig hingegen ist
Seibei nun gar nicht. Er ist des Kämpfens müde, lehnt Gewalt als
Problemlösung ab und möchte sich eigentlich nur um seine verbliebenen Frauen
kümmern. Ein Warmduscher, würden wir heute sagen. Ein Frauenversteher und
Weichei. Und noch dazu ein unreinliches (mangels Zeit für Körperpflege), was
in Japan zu jeder Zeit
ein
K.O.-Kriterium war. Yamada präsentiert uns somit einen Antihelden im
wahrsten Sinne des Wortes. Nun wäre „Tasogare seibei“ kein Yamada-Film, wenn
die Figur so einschichtig wäre, wie sie scheint. Seibei ist ein starker, ein
moralischer Mensch, ein Mann mit Prinzipien und Kraft und natürlich bekommt
er Gelegenheit, diese seine Vorzüge eindrucksvoll unter Beweis zu stellen:
Seibei ist ein begnadeter Schwertkämpfer und wird von seinem Klan gezwungen,
einen abtrünnigen Samurai zu töten. Ein moralisches Dilemma existentiellen
Ausmaßes. „Tasogare seibei“ fasziniert nicht durch spektakuläre
Inszenierung. In nahe 130 Minuten gibt es lediglich zwei Schwertkämpfe,
wovon einer gar mit lediglich einem Holzschwert geführt wird. Martial-
Arts-Liebhaber werden somit nicht auf ihre Kosten kommen und seien an dieser
Stelle auf „Zatoichi“ oder „Samurai-Fiction“ verwiesen. Nein, „Samurai im
Zwielicht“ besticht durch seine konzentrierte und ruhige Erzählweise, seine
Sanftheit und Strenge. Die kraftvolle innere Ruhe des Haupthelden (einfach
nur wunderbar: Hiroyuki Sanada) lässt wiederholt über die eigentlichen Werte
des Lebens nachdenken und eigenes Handeln hinterfragen. Die Handlung, die im
ausgehenden 19. Jahrhundert angesiedelt ist, entwickelt sich somit zu einem
gesellschaftskritischen Drama, welches eindrucksvoll den Werteverfall,
Verlogenheit und Überlebtheit der Samurai-Kaste illustriert.
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Fazit: Ein grandioses Sozialdrama in
ruhigen, besonnenen Bildern. Eine Laudatio an einen faszinierenden Vater und
Mann, der in seiner inneren Zerrissenheit eine vergehende Epoche widerspiegelt.
Wunderbare Schauspieler (Hiroyuki Sanada, Rie Miyazawa, Min Tanaka). 12
japanische Academy-Awards können nicht irren. Der Film ist bei Trigon-Film als
DVD und Video erhältlich (www.trigon-film.org).
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