Botschaft von Japan
.Neues aus Japan Nr.18                                  Mai 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Die Kennzeichen der Außenwirtschaftspolitik Japans

  Vortrag von Außenminister Taro Aso vor dem Japan National Press Club, Tokyo, am 8. März 2006

 

 

 

 

 

(写真)麻生大臣演説「日本にとって経済外交とは何か」(平成18年3月8日、日本記者クラブ)
Nun, da ich die Frage der heutigen Außenwirtschaftspolitik aufgreife, werde ich mich einer Reihe von Punkten zuwenden, denen derzeit fundamentale Bedeutung zukommt, nämlich die Fragen, was genau das Außenministerium leisten kann und was es als Regierungsbehörde versucht zu leisten. Danach werde ich die Frage behandeln, welchem Zweck Außenwirtschaftspolitik dient.


Ich möchte heute über drei wichtige Punkte zu Ihnen sprechen.

Der erste Punkt ist, dass das Außenministerium globale Regeln für die Weltwirtschaft entwickelt sowie sicherstellt, dass dabei Japans Interessen berücksichtigt werden. Dies ist eine eindeutige Rolle, die von keiner anderen Einrichtung in Japan ausgefüllt werden kann.

Selbstverständlich ist der Grund, warum wir solche Regeln überhaupt aufstellen müssen, vor allem der, dass Interessenkonflikte bestehen. Wenn man noch einen Schritt weiter geht und anfängt über Regeln zu sprechen, die global angewendet werden, kommt es innerhalb des Prozesses, in dem solche Regeln formuliert werden, notwendigerweise zu Interessenkonflikten zwischen den einzelnen Staaten.

Wenn man diese Realität einmal erkannt und damit begonnen hat, nicht die Interessen eines einzelnen Sektors zu fördern, sondern vielmehr die Gesamtinteressen Japans, dann wird es möglich, die Regeln für eine globale Anwendung zu formulieren. Und genau dies sind die wesentlichen Pflichten des Außenministeriums in komprimierter Form.

Der zweite Punkt ist, dass wir zusätzlich zu den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) mit verschiedenen Staaten über Wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement, EPA) verhandeln, welche unser Engagement für die WTO ergänzen und unterstützen. Dies im Hinterkopf behaltend, möchte ich Ihnen heute genau erläutern, was ein EPA ist und welche Ziele es verfolgt.

Der dritte Punkt ist, dass, wenn wir uns für diese EPAs engagieren, wir absolut sicherstellen wollen, dass sie möglichst rasch in Kraft treten. Ich persönlich bin mit dem gegenwärtigen Tempo der Fortschritte nicht zufrieden. Solange wir die Gelegenheit nicht ergreifen einen Gang zuzulegen und das Tempo der Verhandlungen beträchtlich erhöhen, ist es durchaus fraglich, ob unsere Bestrebungen die Menschen in Japan tatsächlich zufriedenstellen.

Ich werde heute diese Punkte in dieser Reihenfolge behandeln.


Wesentliche Aufgaben des Außenministeriums

Wenn wir die Außenwirtschaftspolitik betrachten, mit der sich das Außenministerium befasst, dann lässt sich letztendlich alles auf die Schaffung eines weltweit größeren Umfeldes reduzieren, innerhalb dem Einzelpersonen und Bürger aus Japan mit einem Gefühl der Sicherheit tätig sein und Profite anstreben können.

Anders ausgedrückt arbeiten wir mit anderen Staaten für die Bildung eines solchen Umfeldes zusammen, das vorausschaubar ist und das durch sichere rechtliche Rahmenbedingungen gestützt wird. Einmal errichtet kann man sagen, dass sich unsere Arbeit darauf konzentriert, dieses Umfeld zu erhalten und weiter auszuweiten.

Dies ist exakt die Rolle der WTO. Wenn Experten davon sprechen, „rechtliche Stabilität“ und „Vorhersagbarkeit“ sicherzustellen, um unter Anwendung der WTO innerhalb der globalen Wirtschaft mitzuwirken, dann dient dies letztendlich den Interessen der Menschen in Japan und Japan selbst.

In diesem Zusammenhang kann man die Rolle des Außenministeriums vielleicht mit der eines Anwalts gleichsetzen, da das Ministerium vom größtmöglichen Makro-Standpunkt aus die Menschen und Unternehmen unseres Landes repräsentiert und sich dafür einsetzt, sie zu schützen.

Wenn man sieht, wie es agiert, um verschiedene Faktoren der Instabilität zu kontrollieren, kann man das Ministerium zudem als eine Art Versicherungsanbieter betrachten. Ich sage das selbstverständlich nur, um uns daran zu erinnern, was wir bereits wissen, nämlich dass dies eine Aufgabe ist, die das Ministerium zu erfüllen hat.

All dies ist jedoch nur die Voraussetzung für eine wichtigere Frage, nämlich welche Rolle das Außenministerium zu spielen hat, die nur vom Außenministerium selbst ausgefüllt werden kann. Ich möchte über diesen Punkt als nächstes sprechen.

In den Vereinigten Staaten besteht eine Regierungsinstitution, die als Amt des US-Handelsbeauftragten (Office of the U.S. Trade Representative, USTR) bekannt ist. Auch in Japan wird immer wieder die Forderung erhoben, eine ähnliche Einrichtung zu schaffen. Tatsache ist aber, dass eine derartige Organisation in Japan völlig überflüssig wäre, und ich möchte, dass Sie die Gründe dafür verstehen.

Dies alles führt uns zu der grundsätzlichen Frage, ob Aufgaben bestehen, die andere Regierungsbehörden nicht erfüllen können, sondern die nur das Außenministerium übernehmen kann und ob solche Aufgaben auch im Bereich der Außenwirtschaftspolitik bestehen. Falls es solche Aufgaben geben sollte, stellt sich die Frage, was das Wesentliche bei diesen ist.

Eines der Ziele meines heutigen Vortrags ist es, Ihnen einige Antworten auf diese Fragen zu geben. Ich denke, es gibt drei Dinge, die ich für ziemlich wichtig in Bezug auf die Aufgaben des Außenministeriums halte.

Das erste ist, dass das Außenministerium nicht einen bestimmten Sektor oder eine bestimmte Industrie mehr unterstützt als andere. Da das Ministerium keine etablierten Interessen in bestimmten Sektoren oder Industrien hat, ist es ihm möglich, eine neutrale Haltung einzunehmen und allein die Ziele zu verfolgen, die zum Besten des ganzen Landes sind.

Das zweite ist, dass das Ministerium über eine ganze Reihe von Rechtsexperten verfügt, die in der bisher Vertragsabteilung genannten Abteilung tätig sind, die heute Abteilung für internationale Rechtsangelegenheiten heißt. Es ist erforderlich, im Rahmen von Wirtschaftsverhandlungen die Punkte zu Papier zu bringen, über die man sich entweder auf bilateraler oder multilateraler Ebene geeinigt hat. Diese Abteilung verfügt über Fachleute, welche genau diese Aufgabe als professionellen Tätigkeitsbereich ausüben.

Wenn also die Formulierung von Regeln und damit die Förderung von „rechtlicher Stabilität“ und „Vorhersagbarkeit“ das Wesentliche dessen ist, was Außenwirtschaftspolitik ausmacht, dann ist es Aufgabe des Außenministeriums, solche Fachleute zu haben, deren Expertise genau diesen Bereich abdeckt.

Das dritte, das nur dem Außenministerium zu eigen ist, ist, dass, wenn wir daran arbeiten, bei wirtschaftlichen Verhandlungen ein bestimmtes Ziel zu erreichen, es allgemein notwendig ist, dieses Ziel trotz verschiedener und miteinander wettstreitender Interessen der beteiligten Staaten im Rahmen politischer und sicherheitspolitischer Erwägungen zu erreichen. Hierfür ist eine abgestimmte Strategie erforderlich, die auf einen bestimmten Punkt abzielt, während man bei einem anderen Punkt Zugeständnisse macht, um so letztendlich sein Ziel zu erreichen. Mit anderen Worten: Man möchte sich in einer Frage so gut wie möglich positionieren, und das Ministerium, das dies kann, ist genau das Außenministerium.

Ich habe diese drei wichtigen Punkte genannt, die es dem Ministerium erlauben, Fähigkeiten in diesen Bereichen zu unterhalten und die es ihm ermöglichen, die Interessen zwischen den verschiedenen Ministerien und Sektoren im Inland zu koordinieren. Sie gestatten es dem Ministerium zudem, während der Verhandlungen der Außenwelt ein Gesicht zu zeigen, das sozusagen „ganz Japan“ repräsentiert.

Meine eigene Rolle besteht nun darin, mich der hinter den Kulissen wirkenden verschiedenen Beamten des Ministeriums anzunehmen und dafür zu sorgen, dass alle zusammenarbeiten. Ich denke, man könnte meine Aufgabe als die eines obersten Leiters bezeichnen, der alles koordiniert.

Natürlich ist es so, dass, je größer die Herausforderung ist, desto wichtiger wird es für den Außenminister, Einfluss zu gewinnen, indem er um Anweisungen vom Ministerpräsidenten bittet und sich mit den anderen Kabinettsmitgliedern abspricht.

Selbstverständlich steht über dem Außenminister und seinem Ministerium die Führung des Ministerpräsidenten und seines Amtes. Die Absichten Japans als Nation werden auf dieser Ebene entschieden und die Aufgabe meines Ministeriums besteht darin, die Verantwortung „vor Ort“ zu übernehmen, indem es seine Fähigkeiten als professioneller Verhandlungsführer und seine Experten für das Erstellen von Regeln nutzt.

Wenn man nun über die Leute auf der anderen Seite des Verhandlungstisches nachdenkt, so sitzen dort gewöhnlich alte Hasen, die diese Tätigkeit schon so lange machen, dass sie im Geiste eine Liste mit Punkten führen, auf der sie alle Erfolge bzw. Misserfolge in der Vergangenheit verzeichnet haben. Es ist daher nur natürlich sich darüber zu fragen, welche Art von Leuten Japan an den Verhandlungstisch schickt.

Ich habe herausgefunden, dass im Falle Japans das derzeit angewendete Personalsystem zahlreiche Beschränkungen enthält. Daher sind große Anstrengungen erforderlich, um wirkliche Experten in das Verhandlungsteam einzubringen. Dies ist etwas, das ich als Minister der Öffentlichkeit noch deutlicher vor Augen führen möchte.

Wir haben z.B. eine Gruppe von Verhandlungsführern, die seit den Tagen des GATT mit Verhandlungen im Bereich Wirtschaft befasst sind. Intern werden sie die „GATT-Leute“ genannt, auf Japanisch „GATT-Ya-san“, was wiederum zu dem weiteren Spitznamen „Gattcha-men“ führte. Dies ist auch der Name einer Gruppe von Superhelden einer bekannten Comic-Serie in Japan. Innerhalb dieser Gruppe sind eine ganze Reihe von Leuten, die auch heute noch bei den Verhandlungen im Rahmen der WTO und der EPAs in der ersten Reihe sitzen.

Die Wirtschaftsabteilung wird zudem von Leuten aus dem Privatsektor unterstützt.

Beispielsweise verfügt das Außenministerium über sieben Anwälte, die sich besonders für die Förderung von EPAs einsetzen; und wir haben eine erstaunlich große Zahl von jungen Männern und Frauen in den Dreißigern, die von unterschiedlichen Handelsunternehmen und Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe kommen und innerhalb des Ministeriums arbeiten.

Der Grund, warum ich dies alles anführe, ist, dass, wenn wir über diese alten Hasen der „Gattcha men“ oder diese jungen Leute aus der Privatwirtschaft sprechen, ich zugeben muss, dass ich nicht wusste, dass solche Leute im Ministerium arbeiten, bis ich selbst Minister wurde. Ich denke daher, dass auch Sie womöglich dies bislang nicht wussten.


Japans EPAs sind umfassender und tiefer als FTAs

Als nächstes möchte ich über die WTO sprechen, weil ich denke, dass man über Außenwirtschaftspolitik nicht diskutieren kann, ohne auch die WTO in der einen oder anderen Weise zu behandeln.

Seit der Öffnung des Landes in der Meiji-Ära war Japan lange Zeit nicht in der Lage, die volle Zollhoheit auszuüben. Auch nachdem Japan 1955 dem GATT beigetreten war, litt es noch bis 1995 unter seinem diskriminierenden Status aufgrund von Artikel 35 des GATT.

Die WTO-Verhandlungen sind der Versuch, eine Situation zu schaffen, in der global angewendete Regeln gegen Diskriminierung bestehen, so dass niemand einem derart unfairen System ausgesetzt ist. Die WTO-Verhandlungen bilden also den Prozess zur Schaffung eines Spielfelds, auf dem wir diese globalen Regeln formulieren können.

Eigentlich bräuchte es einen eigenen Vortrag, um dieses Thema angemessen zu diskutieren, aber ich werde stattdessen sofort auf den Punkt kommen, den ich hervorheben will, nämlich dass Japan darauf hinwirken muss, die derzeitigen WTO-Verhandlungen erfolgreich abzuschließen.

Sollten wir es den Verhandlungen erlauben werden, sich einfach weiter hinzuziehen, wäre die Integrität des gesamten WTO-Prozesses ernsthaft gefährdet. Selbstverständlich besteht für alle Staaten eine rote Linie, die nicht verhandelbar ist. Jedoch ist für Japan, die Vereinigten Staaten, die EU, Brasilien, Indien und andere führende Wirtschaftsmächte die Zeit gekommen, die Diskussionen abzuschließen.

Bei Verhandlungen ist kein Staat imstande, vom Verhandlungstisch aufzustehen und bei allen Punkten gewonnen zu haben. Die führenden Wirtschaftsmächte sind dazu verpflichtet, die Diskussionen in Übereinstimmung mit der Deadline in diesem Jahr zu einem Abschluss zu bringen.

Ich möchte das Thema WTO damit verlassen und mich vielmehr auf die interessanten Punkte in Bezug auf die Freihandelsabkommen konzentrieren, die derzeit allgemein diskutiert werden, sowie auch in Bezug auf die EPAs, die Japan derzeit aktiv vorantreibt. Ich möchte insbesondere die Unterschiede zwischen beiden näher betrachten sowie auch die Ziele, die wir mit ihnen zu erreichen beabsichtigen.

FTA bedeutet „Freihandelsabkommen“ (Free Trade Agreement), während EPA die Abkürzung für „Wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen“ (Economic Partnership Agreement) ist.

Wenn man die Unterschiede zwischen beiden betrachtet, so sind die FTAs z.B. Instrumente dafür, Zölle beim Güterverkehr zu senken sowie Restriktionen für ausländische Investitionen im Dienstleistungsbereich abzubauen. Da dies die Existenz von Ländergrenzen voraussetzt, kann man in diesem Sinne von einer Reminiszenz an das 20. Jahrhundert sprechen.

Im Gegensatz dazu gehen bei den EPAs, die Japan derzeit anstrebt, die an den Verhandlungen beteiligten Staaten gemeinsam noch einen Schritt weiter, indem sie z.B. den Rahmen festlegen, innerhalb dem Investitionen sicher getätigt werden können, oder Mechanismen entwickeln, um den Schutz geistigen Eigentums zu garantieren. Als Ergebnis dessen bilden sich in der produzierenden Industrie Netzwerke von Lieferketten und der Investitionsfluss in beide Richtungen erfährt eine stete Ausweitung.

Zusätzlich wird anhand des Beispiels der Gestaltung des Austausches lizenzierter Arbeitskräfte in speziellen Bereichen wie etwa Krankenschwestern und Pflegekräften deutlich, dass die EPAs auf der Voraussetzung fußen, dass aus wirtschaftlicher Sicht Ländergrenzen nicht länger existieren.

EPAs stellen daher keine Gelegenheiten für eine bloße Unterhaltung über Ländergrenzen hinweg dar, sondern vielmehr für einen Dialog der beteiligten Partner, um ihre Wirtschaftssysteme auszuarbeiten oder zu verbessern. In vielen Fällen beinhaltet der Prozess Unterstützung bei der Ausbildung der humanen Ressourcen auf der Partnerseite.

Tatsache ist, dass, wenn man eine vertiefte Diskussion mit einem Entwicklungsland führt, es unmöglich ist, das Thema Unterstützung bei der Entwicklung der humanen Ressourcen auszuklammern oder zu umgehen. Von der Perspektive des Anderen aus betrachtet kann man sagen, dass ein Dialog, der diesen Punkt ignoriert oder vertuscht, das eigentliche Thema nur an der Oberfläche ankratzt.

Ich möchte ein Beispiel nennen: Als Saif El-Islam Qadhafi, der Sohn des libyschen Obersten Qadhafi, Japan besuchte, erwähnte er von sich aus die unzureichende Entwicklung der kommunalen Behörden in Libyen. Ich erläuterte ihm u.a. den gesetzlichen Rahmen unserer Kommunen sowie die Maßnahmen zur Erhebung der kommunalen Steuern. Dies war zu der Zeit, als ich noch Minister für öffentliche Verwaltung, Inneres, Post und Telekommunikation war.

Darüber hinaus besteht in Tachikawa die Fachhochschule für kommunale Autonomie, die Beamte aus Entwicklungsländern im Bereich kommunale Regierung ausbildet. Diese Fachhochschule hat z.B. im Haushaltsjahr 2003 acht Regierungsbeamte aus Vietnam ausgebildet, die für die Kommunen verantwortlich sind, darunter auch den Innenminister. Sechs weitere Beamte folgten im Haushaltsjahr 2004. 2005 kamen zudem zwei Beamte aus den palästinensischen Autonomiegebieten, wo der Aufbau eines neuen Regierungssystems eine dringende Angelegenheit darstellt.

Ich habe Ihnen gerade konkrete Beispiele für den Personenaustausch genannt. Die EPAs, die Japan nun anstrebt, zielen darauf ab, diese Verbindungen auf Personenebene zu nutzen und zusammen daraufhin zu wirken, eine prosperierende Welt zu gestalten, in dem man die kooperativen Beziehungen auf beiden Seiten ausbaut. Mit anderen Worten: EPAs werden charakterisiert durch ihr breites Spektrum und die hohe Qualität, ein Aspekt, bei dem FTAs nicht mithalten können.

Es ist merkwürdig, dass ich oft die Kritik höre, dass Japan immer wieder nur „kleine Kartoffel-Abkommen“ abschließe, indem es diese EPAs anstrebt. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Wenn man sich das EPA anschaut, das wir gerade mit Malaysia geschlossen haben, werden Zölle, die 97 % des gesamten Handelsvolumens betreffen, aufgehoben. Zusätzlich dazu werden in diesem Abkommen auch Dienstleistungen, Investitionen, geistiges Eigentum, die Kontrolle wettbewerbsfeindlicher Maßnahmen sowie die Ausweitung des Umfelds für Wirtschaftsaktivitäten behandelt, und es befasst sich auch mit der Zusammenarbeit bei der Entwicklung der humanen Ressourcen. Dieses Abkommen handelt also keineswegs von „kleinen Kartoffeln“. Im Gegenteil, es ist ein sehr bedeutsames Abkommen, das wir da abgeschlossen haben.

Lassen Sie mich noch eins hinzufügen. Wir hören, dass viele Vertreter der Wirtschaft und anderer Kreise den Abschluss eines EPA mit den Vereinigten Staaten fordern.

Wenn wir darauf einfach antworten könnten: „In Ordnung, das erledigen wir gleich am Montag als erstes.“, dann lägen die Dinge einfach. Aber ehrlich gesagt haben wir keine definitive Antwort innerhalb der Regierung, einschließlich des Außenministeriums oder gar meiner Person. Ich bin gegenwärtig nicht in der Lage, sicher zu sagen, ob wir auf diese Forderung eingehen sollten oder nicht.

Vielleicht ist es ein wenig ungewöhnlich für einen Minister, deutlich zu sagen, dass er sich in einer bestimmten Sache nicht sicher ist, aber das ist tatsächlich die Lage, in der ich mich derzeit befinde.

Sollten wir uns entschließen, uns diese Forderung zu eigen zu machen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass dies ein EPA wäre, das sich völlig von denen unterscheidet, die wir bisher abgeschlossen haben. Japan und die Vereinigten Staaten haben innerhalb ihrer Wirtschaftsbeziehungen bereits ein Niveau erreicht, das eine Kategorie für sich darstellt. Da die Wirtschaft beider Staaten zusammen etwa 40 % der gesamten Weltwirtschaft ausmacht, hätte unser EPA mit den Vereinigten Staaten enorme Auswirkungen.

Zumindest sollten wir nicht zögern und nicht aufhören, über diese Frage nachzudenken. Ich kann Ihnen versichern, dass ich die Mitarbeiter meines Ministeriums dazu ermuntern werde, über diese Frage eingehend nachzudenken, und ich selbst werde dieses Thema sorgfältig abwägen.


EPAs als Mittel für die Gestaltung strategischer Partnerschaften

Innerhalb Asiens unterhält Japan derzeit mit Singapur ein EPA, das bereits in Kraft getreten ist. Ein weiteres mit Malaysia wurde unterzeichnet, und im Falle Thailands nähern sich die Verhandlungen dem Abschluss. Darüber hinaus führen wir bereits Diskussionen mit Indonesien und den ASEAN insgesamt, und wir beabsichtigen, in naher Zukunft Verhandlungen mit Vietnam und Brunei aufzunehmen. Auf dem amerikanischen Kontinent ist das EPA mit Mexiko bereits in Kraft getreten, und im letzten Monat (Februar 2006) haben die Verhandlungen mit Chile begonnen.

Die Formulierung von Regeln impliziert notwendigerweise, dass alle Beteiligten die gleichen Werte teilen. Wenn ich Ihnen also jetzt eine Einschätzung davon geben sollte, was Japan gerade tut, dann würde ich sagen, dass Japan auch außerhalb Asiens Staaten sucht, die unsere Werte teilen, wobei wir unsere nationalen Interessen stets genau im Blick behalten.

Bei der Frage, mit welchen Staaten wir Verhandlungen über ein EPA aufnehmen, möchte ich Sie an die „Grundlegende Politik“ erinnern („Grundlegende Politik für die weitere Förderung von Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft“), die von der Regierung von Japan im Dezember 2004 aufgestellt wurde.

Die Kriterien zur Identifizierung der Staaten und Regionen, mit denen wir über EPAs verhandeln sollten, sind separat vom Haupttext in einem Anhang aufgeführt. Innerhalb dieser Kriterien gibt es fünf Punkte, welche die Grundlage für die Entscheidungsfindung bilden und die sicherstellen, dass die wirtschaftlichen Interessen Japans insgesamt gewahrt werden.

Der erste Punkt ist die Frage, ob das Abkommen Handel und Investitionen ausweiten und das Umfeld für die Wirtschaftsaktivitäten japanischer Unternehmen im Partnerland verbessern wird. Der zweite Punkt fragt danach, ob das Abkommen unerlässlich ist, um wirtschaftliche Nachteile, die durch das Fehlen eines EPA bedingt sind, zu eliminieren.

Der dritte Punkt berücksichtigt, ob das Abkommen zur Stabilisierung der Importe von Ressourcen und Nahrungsmitteln beiträgt. Der vierte Punkt ist, ob dadurch die Strukturreformen in Japan gefördert werden, und der fünfte und letzte Punkt fragt danach, ob das Abkommen die Aufnahme von Arbeitnehmern mit speziellen Fertigkeiten weiter fördert.

Zusätzlich zu diesen fünf Punkten bestehen weitere Punkte, die beim Abwägungsprozess eine Rolle spielen, neben anderen Schlüsselfragen u.a. die Frage, ob das Abkommen ein besseres internationales Umfeld fördert oder ob die Konditionen im Partnerland den Abschluss eines EPA angemessen erscheinen lassen.

Ich bin mir sicher, Sie können dieser Erläuterung entnehmen, dass die EPAs, die wir auf diese Weise abschließen, eines nach dem anderen in der Gestaltung wahrer Partner resultieren, was zugleich starke Bande zwischen Japan und diesen Staaten schafft. Der Ausbau der Partnerschaft ist daher die eigentliche Essenz eines EPA.

Tatsache ist allerdings, dass ein EPA nicht einfach abzuschließen ist. Das Abkommen ist in der Schlussphase ein Dokument von mehreren Dutzend Zentimetern Dicke. Als ich das Ministerpräsident Koizumi im Vorfeld erläuterte, war seine erste Reaktion der Ausruf „Unglaublich!“

Große Aufgaben sollten zusammen mit anderen in Angriff genommen werden; dies führt zur Freundschaft, die dann weiter ausgebaut wird. Diese Wahrheit stammt aus alten Zeiten und gilt weltweit. Nun sehen wir sie erneut in den Verhandlungen über die EPAs bestätigt, für die die Anstrengungen einer großen Zahl von Leuten über einen langen Zeitraum hinweg erforderlich sind.

Aber es geht über diese Tatsache noch hinaus. Wie ich bereits vorhin ausgeführt habe, finden EPA-Verhandlungen des öfteren statt. Japan ist als ein entwickeltes Land in der Lage, den Transfer der speziellen Technologie und des Wissens im Zusammenhang mit dem geschaffenen System zu gewährleisten.

Kurz gesagt, nur wenn unsere Partnerländer froh darüber sind, dass sie ein EPA mit Japan abgeschlossen haben und erkennen, dass ihnen dies auf vielfältige Weise Vorteile verschafft, können wir sagen, dass wir eine Partnerschaft gestaltet haben, in der beide Seiten Gewinner sind und wo man auf beiden Seiten sowohl Hilfe anbietet als auch annimmt.

Die Tatsache, dass die Partnerländer, die diesen Nutzen für sich sichern wollen, sich vor allem auf die Mitglieder der ASEAN konzentrieren, ist meiner Ansicht nach kein Zufall. Mir liegen die Zahlen für die Direktinvestitionen Japans, Chinas und Südkoreas in den ASEAN von 1995 bis 2003 vor. Diesen Zahlen zufolge war die Summe der japanischen Direktinvestitionen in den ASEAN 44-mal so groß wie die Chinas und noch elfmal so hoch wie die Südkoreas.

Auch wenn man Beispiele wie das, dass ein Zehntel der Elektrizität in Thailand aus Mitteln der staatlichen Entwicklungshilfe Japans stammt, beiseite lässt, ist Japan ein führender Akteur bei der Bereitstellung der Infrastruktur in den ASEAN. Japan und die ASEAN sind durch eine Beziehung miteinander verbunden, die durch tiefe gegenseitige Abhängigkeit und Vertrauen geprägt ist.

Ein EPA ist etwas, das Dinge in eine konkrete Form bringt, nämlich in ein mehrere Dutzend Zentimeter dickes Abkommen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass es keinen effektiveren Weg gibt, um Partnerschaften zu fördern.

Wie ich bereits vorhin gesagt habe, liegt der tatsächliche Verhandlungsprozess mit dem Partnerland in den Händen der „Gattcha men“ meines Ministeriums. Aber ich möchte hinzufügen, dass diese Leute nicht einfach nur die finanziellen Interessen der Menschen oder Unternehmen in Japan verfolgen. Vielmehr tun sie, indem sie diese Partnerschaften mit jeweils einem Staat in Asien oder sonst wo auf der Welt gestalten und so Bande tiefer gegenseitiger Abhängigkeit schaffen, etwas, was als wirkliche Quintessenz der Tätigkeit eines Diplomaten gilt.


Beschleunigung des Prozesses als dringliche Aufgabe

Bevor ich zum Ende komme, möchte ich als letzten Punkt erwähnen, dass es außerordentlich wichtig ist, den Prozess der EPA-Verhandlungen zu beschleunigen, auch wenn es nicht gut wäre, durch den ganzen Prozess zu hasten.

Wie ich eingangs ausgeführt habe, bin ich mit dem Tempo, in dem die EPAs bisher abgeschlossen wurden, nicht unbedingt zufrieden. Wenn wir allerdings gleichzeitig an die enorme Aufgabe denken, ein EPA vorzubereiten, dann wird klar, dass es völlig außer Frage steht, den ganzen Prozess mit doppeltem oder dreifachem Tempo zu durchlaufen.

Dies im Hinterkopf behaltend möchte ich drei Instrumente vorschlagen, mit denen der ganze Prozess beschleunigt werden kann.

Das erste Mittel ist, dass, weil wir bei den verschiedenen Verhandlungen bereits beträchtliche Erfahrung gesammelt haben, wir in der Lage sind, den Partnerländern zu Beginn ein Beispiel für ein Endprodukt zu zeigen und wir mit diesem als Modell die Formulierung eines neuen EPA beginnen können. Wir haben diese Vorgehensweise z.B. bei unserer Arbeit mit Vietnam, Brunei und Indien gewählt.

Das zweite Mittel ist, dass - abhängig vom jeweiligen Staat - wir uns nicht dazu entschließen, Verhandlungen über die ganze Bandbreite eines EPA zu führen, sondern uns stattdessen nur auf die Bereiche konzentrieren, die im Zusammenhang mit dem FTA stehen, nur ein Investitionsabkommen als Vorläufer abschließen oder andere Wege gehen, die unseren Zielen entsprechen. So können wir uns in vielfältiger Weise engagieren.

Das dritte Instrument ist, dass wir sofort mit den Verhandlungen beginnen, anstatt uns mit umfangreichen Vorbereitungen im Vorfeld aufzuhalten. Bisher sind wir erst dann mit Partnerländern in Verhandlungen getreten, wenn eine Studie u.a. von Wissenschaftlern aus dem privaten Sektor vorlag. Bei den Verhandlungen mit dem Golfkooperationsrat (GCC) jedoch, die wir in Kürze aufnehmen werden, haben wir diesen vorbereitenden Schritt absichtlich übersprungen.

Ich denke, es muss nicht ausdrücklich erwähnt werden, dass die sechs Golfstaaten auf der arabischen Halbinsel, die den GCC bilden, im Bereich der Energiesicherheit äußerst wichtige Partner für Japan sind, da wir 75 % unseres Erdölbedarfs und 23 % unseres Erdgasbedarfs aus diesen Staaten decken. Als wir vom nachdrücklichen Wunsch des GCC erfuhren, ein FTA mit Japan abzuschließen, haben wir uns entschlossen, unmittelbar mit den Verhandlungen zu beginnen und hoffen, dass wir das Abkommen so rasch wie möglich abschließen können.

Unabhängig davon, welchen speziellen Fall wir nun betrachten, können wir es uns nicht erlauben allzu langsam vorzugehen. Wie Sie sich erinnern werden, gab ich Ihnen zu Beginn dieses Vortrags eine Definition der Außenwirtschaftspolitik und erklärte, dass die EPAs der Förderung der Interessen Japans dienen. Durch die Aufstellung internationaler Regeln versucht Japan mit der Realität einer sich rasch entwickelnden globalen Wirtschaft Schritt zu halten. Ich möchte meinen Vortrag mit der Zusage beenden, dass ich mich als Außenminister noch stärker als zuvor für die Beschleunigung des Verhandlungsprozesses in Bezug auf die EPAs einsetzen werde.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Der obige Vortrag wurde für Neues aus Japan leicht gekürzt und ins Deutsche übersetzt.)


 

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