
Nun, da ich die Frage der heutigen Außenwirtschaftspolitik aufgreife, werde
ich mich einer Reihe von Punkten zuwenden, denen derzeit fundamentale
Bedeutung zukommt, nämlich die Fragen, was genau das Außenministerium
leisten kann und was es als Regierungsbehörde versucht zu leisten. Danach
werde ich die Frage behandeln, welchem Zweck Außenwirtschaftspolitik dient.
Ich möchte heute über drei wichtige Punkte zu Ihnen sprechen.
Der erste Punkt ist, dass das Außenministerium globale Regeln für die
Weltwirtschaft entwickelt sowie sicherstellt, dass dabei Japans Interessen
berücksichtigt werden. Dies ist eine eindeutige Rolle, die von keiner
anderen Einrichtung in Japan ausgefüllt werden kann.
Selbstverständlich ist der Grund, warum wir solche Regeln überhaupt
aufstellen müssen, vor allem der, dass Interessenkonflikte bestehen. Wenn
man noch einen Schritt weiter geht und anfängt über Regeln zu sprechen, die
global angewendet werden, kommt es innerhalb des Prozesses, in dem solche
Regeln formuliert werden, notwendigerweise zu Interessenkonflikten zwischen
den einzelnen Staaten.
Wenn man diese Realität einmal erkannt und damit begonnen hat, nicht die
Interessen eines einzelnen Sektors zu fördern, sondern vielmehr die
Gesamtinteressen Japans, dann wird es möglich, die Regeln für eine globale
Anwendung zu formulieren. Und genau dies sind die wesentlichen Pflichten des
Außenministeriums in komprimierter Form.
Der zweite Punkt ist, dass wir zusätzlich zu den Verhandlungen im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO) mit verschiedenen Staaten über Wirtschaftliche
Partnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement, EPA) verhandeln,
welche unser Engagement für die WTO ergänzen und unterstützen. Dies im
Hinterkopf behaltend, möchte ich Ihnen heute genau erläutern, was ein EPA ist
und welche Ziele es verfolgt.
Der dritte Punkt ist, dass, wenn wir uns für diese EPAs engagieren, wir
absolut sicherstellen wollen, dass sie möglichst rasch in Kraft treten. Ich
persönlich bin mit dem gegenwärtigen Tempo der Fortschritte nicht zufrieden.
Solange wir die Gelegenheit nicht ergreifen einen Gang zuzulegen und das
Tempo der Verhandlungen beträchtlich erhöhen, ist es durchaus fraglich, ob
unsere Bestrebungen die Menschen in Japan tatsächlich
zufriedenstellen.
Ich werde heute diese Punkte in dieser Reihenfolge behandeln.
Wesentliche Aufgaben des Außenministeriums
Wenn wir die Außenwirtschaftspolitik betrachten, mit der sich das
Außenministerium befasst, dann lässt sich letztendlich alles auf die
Schaffung eines weltweit größeren Umfeldes reduzieren, innerhalb dem
Einzelpersonen und Bürger aus Japan mit einem Gefühl der Sicherheit tätig
sein und Profite anstreben können.
Anders ausgedrückt arbeiten wir
mit anderen Staaten für die Bildung eines
solchen Umfeldes zusammen,
das vorausschaubar ist und das durch sichere rechtliche Rahmenbedingungen
gestützt wird. Einmal errichtet kann man sagen, dass sich unsere Arbeit
darauf konzentriert, dieses Umfeld zu erhalten und weiter auszuweiten.
Dies ist exakt die Rolle der WTO. Wenn Experten davon sprechen, „rechtliche
Stabilität“ und „Vorhersagbarkeit“ sicherzustellen, um unter Anwendung der
WTO innerhalb der globalen Wirtschaft mitzuwirken, dann dient dies
letztendlich den Interessen der Menschen in Japan und Japan selbst.
In diesem Zusammenhang kann man die Rolle des Außenministeriums vielleicht
mit der eines Anwalts gleichsetzen, da das Ministerium vom größtmöglichen
Makro-Standpunkt aus die Menschen und Unternehmen unseres Landes
repräsentiert und sich dafür einsetzt, sie zu schützen.
Wenn man sieht, wie es agiert, um verschiedene Faktoren der Instabilität zu
kontrollieren, kann man das Ministerium zudem als eine Art
Versicherungsanbieter betrachten. Ich sage das selbstverständlich nur, um
uns daran zu erinnern, was wir bereits wissen, nämlich dass dies eine Aufgabe
ist, die das Ministerium zu erfüllen hat.
All dies ist jedoch nur die Voraussetzung für eine wichtigere Frage, nämlich
welche Rolle das Außenministerium zu spielen hat, die nur vom
Außenministerium selbst ausgefüllt werden kann. Ich möchte über diesen Punkt
als nächstes sprechen.
In den Vereinigten Staaten besteht eine Regierungsinstitution, die als Amt
des US-Handelsbeauftragten (Office of the U.S. Trade Representative, USTR)
bekannt ist. Auch in Japan wird immer wieder die Forderung erhoben, eine
ähnliche Einrichtung zu schaffen. Tatsache ist aber, dass eine derartige
Organisation in Japan völlig überflüssig wäre, und ich möchte, dass Sie die
Gründe dafür verstehen.
Dies alles führt uns zu der grundsätzlichen Frage, ob Aufgaben bestehen, die
andere Regierungsbehörden nicht erfüllen können, sondern die nur das
Außenministerium übernehmen kann und ob solche Aufgaben auch im Bereich der
Außenwirtschaftspolitik bestehen. Falls es solche Aufgaben geben sollte,
stellt sich die Frage, was das Wesentliche bei diesen ist.
Eines der Ziele meines heutigen Vortrags ist es, Ihnen einige Antworten auf
diese Fragen zu geben. Ich denke, es gibt drei Dinge, die ich für ziemlich
wichtig in Bezug auf die Aufgaben des Außenministeriums halte.
Das erste ist, dass das Außenministerium nicht einen bestimmten Sektor oder
eine bestimmte Industrie mehr unterstützt als andere. Da das Ministerium
keine etablierten Interessen in bestimmten Sektoren oder Industrien hat, ist
es ihm möglich, eine neutrale Haltung einzunehmen und allein die Ziele zu
verfolgen, die zum Besten des ganzen Landes sind.
Das zweite ist, dass das Ministerium über eine ganze Reihe von
Rechtsexperten verfügt, die in der bisher Vertragsabteilung genannten
Abteilung tätig sind, die heute Abteilung für internationale
Rechtsangelegenheiten heißt. Es ist erforderlich, im Rahmen von
Wirtschaftsverhandlungen die Punkte zu Papier zu bringen, über die man sich
entweder auf bilateraler oder multilateraler Ebene geeinigt hat. Diese
Abteilung verfügt über Fachleute, welche genau diese Aufgabe als
professionellen Tätigkeitsbereich ausüben.
Wenn also die Formulierung von Regeln und damit die Förderung von „rechtlicher
Stabilität“ und „Vorhersagbarkeit“ das Wesentliche dessen ist, was
Außenwirtschaftspolitik ausmacht, dann ist es Aufgabe des Außenministeriums,
solche Fachleute zu haben, deren Expertise genau diesen Bereich abdeckt.
Das dritte, das nur dem Außenministerium zu eigen ist, ist, dass, wenn wir
daran arbeiten, bei wirtschaftlichen Verhandlungen ein bestimmtes Ziel zu
erreichen, es allgemein notwendig ist, dieses Ziel trotz verschiedener und
miteinander wettstreitender Interessen der beteiligten Staaten im Rahmen
politischer und sicherheitspolitischer Erwägungen zu erreichen. Hierfür ist
eine abgestimmte Strategie erforderlich, die auf einen bestimmten Punkt
abzielt, während man bei einem anderen Punkt Zugeständnisse macht, um so
letztendlich sein Ziel zu erreichen. Mit anderen Worten: Man möchte sich in
einer Frage so gut wie möglich positionieren, und das Ministerium, das dies
kann, ist genau das Außenministerium.
Ich habe diese drei wichtigen Punkte genannt, die es dem Ministerium
erlauben, Fähigkeiten in diesen Bereichen zu unterhalten und die es ihm
ermöglichen, die Interessen zwischen den verschiedenen Ministerien und
Sektoren im Inland zu koordinieren. Sie gestatten es dem Ministerium zudem,
während der Verhandlungen der Außenwelt ein Gesicht zu zeigen, das sozusagen
„ganz Japan“ repräsentiert.
Meine eigene Rolle besteht nun darin, mich
der hinter den Kulissen wirkenden
verschiedenen Beamten des Ministeriums anzunehmen und dafür zu sorgen, dass
alle zusammenarbeiten. Ich denke, man könnte meine Aufgabe als die eines
obersten Leiters bezeichnen, der alles koordiniert.
Natürlich ist es so, dass, je größer die
Herausforderung ist, desto wichtiger wird es für den Außenminister, Einfluss
zu gewinnen, indem er um Anweisungen vom Ministerpräsidenten bittet und sich
mit den anderen Kabinettsmitgliedern abspricht.
Selbstverständlich steht über dem Außenminister und seinem Ministerium die
Führung des Ministerpräsidenten und seines Amtes. Die Absichten Japans als
Nation werden auf dieser Ebene entschieden und die Aufgabe meines
Ministeriums besteht darin, die Verantwortung „vor Ort“ zu übernehmen, indem
es seine Fähigkeiten als professioneller Verhandlungsführer und seine
Experten für das Erstellen von Regeln nutzt.
Wenn man nun über die Leute auf der anderen Seite des Verhandlungstisches
nachdenkt, so sitzen dort gewöhnlich alte Hasen, die diese Tätigkeit schon
so lange machen, dass sie im Geiste eine Liste mit Punkten führen, auf der
sie alle Erfolge bzw. Misserfolge in der Vergangenheit verzeichnet haben. Es
ist daher nur natürlich sich darüber zu fragen, welche Art von Leuten Japan
an den Verhandlungstisch schickt.
Ich habe herausgefunden, dass im Falle Japans das derzeit angewendete
Personalsystem zahlreiche Beschränkungen enthält. Daher sind große
Anstrengungen erforderlich, um wirkliche Experten in das Verhandlungsteam
einzubringen. Dies ist etwas, das ich als Minister der Öffentlichkeit noch
deutlicher vor Augen führen möchte.
Wir haben z.B. eine Gruppe von Verhandlungsführern, die seit den Tagen des
GATT mit Verhandlungen im Bereich Wirtschaft befasst sind. Intern werden sie
die „GATT-Leute“ genannt, auf Japanisch „GATT-Ya-san“, was wiederum zu dem
weiteren Spitznamen „Gattcha-men“ führte. Dies ist auch der Name einer
Gruppe von Superhelden einer bekannten Comic-Serie in Japan. Innerhalb
dieser Gruppe sind eine ganze Reihe von Leuten, die auch heute noch bei den
Verhandlungen im Rahmen der WTO und der EPAs in der ersten Reihe sitzen.
Die Wirtschaftsabteilung wird zudem von Leuten aus dem Privatsektor
unterstützt.
Beispielsweise verfügt das Außenministerium über sieben Anwälte, die sich
besonders für die Förderung von EPAs einsetzen; und wir haben eine
erstaunlich große Zahl von jungen Männern und Frauen in den Dreißigern, die
von unterschiedlichen Handelsunternehmen und Unternehmen aus dem
produzierenden Gewerbe kommen und innerhalb des Ministeriums arbeiten.
Der Grund, warum ich dies alles anführe, ist, dass, wenn wir über diese
alten Hasen der „Gattcha men“ oder diese jungen Leute aus der
Privatwirtschaft sprechen, ich zugeben muss, dass ich nicht wusste, dass
solche Leute im Ministerium arbeiten, bis ich selbst Minister wurde. Ich
denke daher, dass auch Sie womöglich dies bislang nicht wussten.
Japans EPAs sind umfassender und tiefer als FTAs
Als nächstes möchte ich über die WTO sprechen, weil ich denke, dass man über
Außenwirtschaftspolitik nicht diskutieren kann, ohne auch die WTO in der
einen oder anderen Weise zu behandeln.
Seit der Öffnung des Landes in der Meiji-Ära war Japan lange Zeit nicht in
der Lage, die volle Zollhoheit auszuüben. Auch nachdem Japan 1955 dem GATT
beigetreten war, litt es noch bis 1995 unter seinem diskriminierenden Status
aufgrund von Artikel 35 des GATT.
Die WTO-Verhandlungen sind der Versuch, eine Situation zu schaffen, in der
global angewendete Regeln gegen Diskriminierung bestehen, so dass niemand
einem derart unfairen System ausgesetzt ist. Die WTO-Verhandlungen bilden
also den Prozess zur Schaffung eines Spielfelds, auf dem wir diese globalen
Regeln formulieren können.
Eigentlich bräuchte es einen eigenen Vortrag, um dieses Thema angemessen zu
diskutieren, aber ich werde stattdessen sofort auf den Punkt kommen, den ich
hervorheben will, nämlich dass Japan darauf hinwirken muss, die derzeitigen
WTO-Verhandlungen erfolgreich abzuschließen.
Sollten wir es den Verhandlungen erlauben werden, sich einfach weiter hinzuziehen,
wäre die Integrität des gesamten WTO-Prozesses ernsthaft gefährdet.
Selbstverständlich besteht für alle Staaten eine rote Linie, die nicht
verhandelbar ist. Jedoch ist für Japan, die Vereinigten Staaten, die EU,
Brasilien, Indien und andere führende Wirtschaftsmächte die Zeit gekommen,
die Diskussionen abzuschließen.
Bei Verhandlungen ist kein Staat imstande, vom Verhandlungstisch aufzustehen
und bei allen Punkten gewonnen zu haben. Die führenden Wirtschaftsmächte
sind dazu verpflichtet, die Diskussionen in Übereinstimmung mit der Deadline
in diesem Jahr zu einem Abschluss zu bringen.
Ich möchte das Thema WTO damit verlassen und mich vielmehr auf die
interessanten Punkte in Bezug auf die Freihandelsabkommen konzentrieren, die
derzeit allgemein diskutiert werden, sowie auch in Bezug auf die EPAs, die
Japan derzeit aktiv vorantreibt. Ich möchte insbesondere die Unterschiede
zwischen beiden näher betrachten sowie auch die Ziele, die wir mit ihnen zu
erreichen beabsichtigen.
FTA bedeutet „Freihandelsabkommen“ (Free Trade Agreement), während EPA die
Abkürzung für „Wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen“ (Economic
Partnership Agreement) ist.
Wenn man die Unterschiede zwischen beiden betrachtet, so sind die FTAs z.B.
Instrumente dafür, Zölle beim Güterverkehr zu senken sowie Restriktionen für
ausländische Investitionen im Dienstleistungsbereich abzubauen. Da dies die
Existenz von Ländergrenzen voraussetzt, kann man in diesem Sinne von einer
Reminiszenz an das 20. Jahrhundert sprechen.
Im Gegensatz dazu gehen bei den EPAs, die Japan derzeit anstrebt, die an den
Verhandlungen beteiligten Staaten gemeinsam noch einen Schritt weiter,
indem sie z.B. den Rahmen festlegen, innerhalb dem Investitionen sicher
getätigt werden können, oder Mechanismen entwickeln, um den Schutz geistigen
Eigentums zu garantieren. Als Ergebnis dessen bilden sich in der
produzierenden Industrie Netzwerke von Lieferketten und der
Investitionsfluss in beide Richtungen erfährt eine stete Ausweitung.
Zusätzlich wird anhand des Beispiels der Gestaltung des Austausches
lizenzierter Arbeitskräfte in speziellen Bereichen wie etwa
Krankenschwestern und Pflegekräften deutlich, dass die EPAs auf der
Voraussetzung fußen, dass aus wirtschaftlicher Sicht Ländergrenzen nicht
länger existieren.
EPAs stellen daher keine Gelegenheiten für eine bloße Unterhaltung
über Ländergrenzen hinweg dar, sondern vielmehr für einen Dialog der
beteiligten Partner, um ihre Wirtschaftssysteme auszuarbeiten oder zu
verbessern. In vielen Fällen beinhaltet der Prozess Unterstützung bei der
Ausbildung der humanen Ressourcen auf der Partnerseite.
Tatsache ist, dass, wenn man eine vertiefte Diskussion mit einem
Entwicklungsland führt, es unmöglich ist, das Thema Unterstützung bei der
Entwicklung der humanen Ressourcen auszuklammern oder zu umgehen. Von der
Perspektive des Anderen aus betrachtet kann man sagen, dass ein Dialog, der
diesen Punkt ignoriert oder vertuscht, das eigentliche Thema nur an der
Oberfläche ankratzt.
Ich möchte ein Beispiel nennen: Als Saif El-Islam Qadhafi, der Sohn des
libyschen Obersten Qadhafi, Japan besuchte, erwähnte er von sich aus die
unzureichende Entwicklung der kommunalen Behörden in Libyen. Ich erläuterte
ihm u.a. den gesetzlichen Rahmen unserer Kommunen sowie die Maßnahmen zur
Erhebung der kommunalen Steuern. Dies war zu der Zeit, als ich noch Minister
für öffentliche Verwaltung, Inneres, Post und Telekommunikation war.
Darüber hinaus besteht in Tachikawa die Fachhochschule für kommunale
Autonomie, die Beamte aus Entwicklungsländern im Bereich kommunale Regierung
ausbildet. Diese Fachhochschule hat z.B. im Haushaltsjahr 2003 acht
Regierungsbeamte aus Vietnam ausgebildet, die für die Kommunen
verantwortlich sind, darunter auch den Innenminister. Sechs weitere Beamte
folgten im Haushaltsjahr 2004. 2005 kamen zudem zwei Beamte aus den
palästinensischen Autonomiegebieten, wo der Aufbau eines neuen
Regierungssystems eine dringende Angelegenheit darstellt.
Ich habe Ihnen gerade konkrete Beispiele für den Personenaustausch genannt.
Die EPAs, die Japan nun anstrebt, zielen darauf ab, diese Verbindungen auf
Personenebene zu nutzen und zusammen daraufhin zu wirken, eine
prosperierende Welt zu gestalten, in dem man die kooperativen Beziehungen
auf beiden Seiten ausbaut. Mit anderen Worten: EPAs werden charakterisiert
durch ihr breites Spektrum und die hohe Qualität, ein Aspekt, bei dem FTAs
nicht mithalten können.
Es ist merkwürdig, dass ich oft die Kritik höre, dass Japan immer wieder nur
„kleine Kartoffel-Abkommen“ abschließe, indem es diese EPAs anstrebt. Nichts
könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Wenn man sich das EPA anschaut,
das wir gerade mit Malaysia geschlossen haben, werden Zölle, die 97 % des
gesamten Handelsvolumens betreffen, aufgehoben. Zusätzlich dazu werden in
diesem Abkommen auch Dienstleistungen, Investitionen, geistiges Eigentum,
die Kontrolle wettbewerbsfeindlicher Maßnahmen sowie die Ausweitung des
Umfelds für Wirtschaftsaktivitäten behandelt, und es befasst sich auch mit
der Zusammenarbeit bei der Entwicklung der humanen Ressourcen. Dieses
Abkommen handelt also keineswegs von „kleinen Kartoffeln“. Im Gegenteil, es
ist ein sehr bedeutsames Abkommen, das wir da abgeschlossen haben.
Lassen Sie mich noch eins hinzufügen. Wir hören, dass viele Vertreter der
Wirtschaft und anderer Kreise den Abschluss eines EPA mit den Vereinigten
Staaten fordern.
Wenn wir darauf einfach antworten könnten: „In Ordnung, das erledigen wir
gleich am Montag als erstes.“, dann lägen die Dinge einfach. Aber ehrlich
gesagt haben wir keine definitive Antwort innerhalb der Regierung,
einschließlich des Außenministeriums oder gar meiner Person. Ich bin
gegenwärtig nicht in der Lage, sicher zu sagen, ob wir auf diese Forderung
eingehen sollten oder nicht.
Vielleicht ist es ein wenig ungewöhnlich für einen Minister, deutlich zu
sagen, dass er sich in einer bestimmten Sache nicht sicher ist, aber das ist
tatsächlich die Lage, in der ich mich derzeit befinde.
Sollten wir uns entschließen, uns diese Forderung zu eigen zu machen, müssen
wir uns darüber im Klaren sein, dass dies ein EPA wäre, das sich völlig von
denen unterscheidet, die wir bisher abgeschlossen haben. Japan und die
Vereinigten Staaten haben innerhalb ihrer Wirtschaftsbeziehungen bereits ein
Niveau erreicht, das eine Kategorie für sich darstellt. Da die Wirtschaft
beider Staaten zusammen etwa 40 % der gesamten Weltwirtschaft ausmacht,
hätte unser EPA mit den Vereinigten Staaten enorme Auswirkungen.
Zumindest sollten wir nicht zögern und nicht aufhören, über diese Frage
nachzudenken. Ich kann Ihnen versichern, dass ich die Mitarbeiter meines
Ministeriums dazu ermuntern werde, über diese Frage eingehend nachzudenken,
und ich selbst werde dieses Thema sorgfältig abwägen.
EPAs als Mittel für die Gestaltung strategischer Partnerschaften
Innerhalb Asiens unterhält Japan derzeit mit Singapur ein EPA, das bereits
in Kraft getreten ist. Ein weiteres mit Malaysia wurde unterzeichnet, und im
Falle Thailands nähern sich die Verhandlungen dem Abschluss. Darüber hinaus
führen wir bereits Diskussionen mit Indonesien und den ASEAN insgesamt, und
wir beabsichtigen, in naher Zukunft Verhandlungen mit Vietnam und Brunei
aufzunehmen. Auf dem amerikanischen Kontinent ist das EPA mit Mexiko bereits
in Kraft getreten, und im letzten Monat (Februar 2006) haben die Verhandlungen mit Chile
begonnen.
Die Formulierung von Regeln impliziert notwendigerweise, dass alle
Beteiligten die gleichen Werte teilen. Wenn ich Ihnen also jetzt eine
Einschätzung davon geben sollte, was Japan gerade tut, dann würde ich sagen,
dass Japan auch außerhalb Asiens Staaten sucht, die unsere
Werte teilen, wobei wir unsere nationalen Interessen stets genau im Blick
behalten.
Bei der Frage, mit welchen Staaten wir Verhandlungen über ein EPA aufnehmen,
möchte ich Sie an die „Grundlegende Politik“ erinnern („Grundlegende Politik
für die weitere Förderung von Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft“),
die von der Regierung von Japan im Dezember 2004 aufgestellt wurde.
Die Kriterien zur Identifizierung der Staaten und Regionen, mit denen wir
über EPAs verhandeln sollten, sind separat vom Haupttext in einem Anhang
aufgeführt. Innerhalb dieser Kriterien gibt es fünf Punkte, welche die
Grundlage für die Entscheidungsfindung bilden und die sicherstellen, dass
die wirtschaftlichen Interessen Japans insgesamt gewahrt werden.
Der erste Punkt ist die Frage, ob das Abkommen Handel und Investitionen
ausweiten und das Umfeld für die Wirtschaftsaktivitäten japanischer
Unternehmen im Partnerland verbessern wird. Der zweite Punkt fragt danach,
ob das Abkommen unerlässlich ist, um wirtschaftliche Nachteile, die durch
das Fehlen eines EPA bedingt sind, zu eliminieren.
Der dritte Punkt berücksichtigt, ob das Abkommen zur Stabilisierung der
Importe von Ressourcen und Nahrungsmitteln beiträgt. Der vierte Punkt ist,
ob dadurch die Strukturreformen in Japan gefördert werden, und der fünfte
und letzte Punkt fragt danach, ob das Abkommen die Aufnahme von
Arbeitnehmern mit speziellen Fertigkeiten weiter fördert.
Zusätzlich zu diesen fünf Punkten bestehen weitere Punkte, die beim
Abwägungsprozess eine Rolle spielen, neben anderen Schlüsselfragen u.a. die
Frage, ob das Abkommen ein besseres internationales Umfeld fördert oder ob
die Konditionen im Partnerland den Abschluss eines EPA angemessen erscheinen
lassen.
Ich bin mir sicher, Sie können dieser Erläuterung entnehmen, dass die EPAs,
die wir auf diese Weise abschließen, eines nach dem anderen in der
Gestaltung wahrer Partner resultieren, was zugleich starke Bande zwischen
Japan und diesen Staaten schafft. Der Ausbau der Partnerschaft ist daher die
eigentliche Essenz eines EPA.
Tatsache ist allerdings, dass ein EPA nicht einfach abzuschließen ist. Das
Abkommen ist in der Schlussphase ein Dokument von mehreren
Dutzend Zentimetern Dicke.
Als ich das Ministerpräsident Koizumi im Vorfeld erläuterte, war seine erste
Reaktion der Ausruf „Unglaublich!“
Große Aufgaben sollten zusammen mit anderen in Angriff genommen werden; dies
führt zur Freundschaft, die dann weiter ausgebaut wird. Diese Wahrheit
stammt aus alten Zeiten und gilt weltweit. Nun sehen wir sie erneut in den
Verhandlungen über die EPAs bestätigt, für die die Anstrengungen einer
großen Zahl von Leuten über einen langen Zeitraum hinweg erforderlich sind.
Aber es geht über diese Tatsache noch hinaus. Wie ich bereits vorhin
ausgeführt habe, finden EPA-Verhandlungen des öfteren statt. Japan ist als
ein entwickeltes Land in der Lage, den Transfer der speziellen Technologie
und des Wissens im Zusammenhang mit dem geschaffenen System zu gewährleisten.
Kurz gesagt, nur wenn unsere Partnerländer froh darüber sind, dass sie ein
EPA mit Japan abgeschlossen haben und erkennen, dass ihnen dies auf
vielfältige Weise Vorteile verschafft, können wir sagen, dass wir eine
Partnerschaft gestaltet haben, in der beide Seiten Gewinner sind und wo man
auf beiden Seiten sowohl Hilfe anbietet als auch annimmt.
Die Tatsache, dass die Partnerländer, die diesen Nutzen für sich sichern
wollen, sich vor allem auf die Mitglieder der ASEAN konzentrieren, ist
meiner Ansicht nach kein Zufall. Mir liegen die Zahlen für die
Direktinvestitionen Japans, Chinas und Südkoreas in den ASEAN von 1995 bis
2003 vor. Diesen Zahlen zufolge war die Summe der japanischen
Direktinvestitionen in den ASEAN 44-mal so groß wie die Chinas und noch
elfmal so hoch wie die Südkoreas.
Auch wenn man Beispiele wie das, dass ein Zehntel der
Elektrizität in Thailand aus
Mitteln der staatlichen Entwicklungshilfe Japans stammt, beiseite lässt, ist
Japan ein führender Akteur bei der Bereitstellung der Infrastruktur in den
ASEAN. Japan und die ASEAN sind durch eine Beziehung miteinander verbunden,
die durch tiefe gegenseitige Abhängigkeit und Vertrauen geprägt ist.
Ein EPA ist etwas, das Dinge in eine konkrete Form bringt, nämlich in ein
mehrere Dutzend Zentimeter dickes Abkommen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass
es keinen effektiveren Weg gibt, um Partnerschaften zu fördern.
Wie ich bereits vorhin gesagt habe, liegt der tatsächliche
Verhandlungsprozess mit dem Partnerland in den Händen der „Gattcha men“
meines Ministeriums. Aber ich möchte hinzufügen, dass diese Leute nicht
einfach nur die finanziellen Interessen der Menschen oder Unternehmen in
Japan verfolgen. Vielmehr tun sie, indem sie diese Partnerschaften mit
jeweils einem Staat in Asien oder sonst wo auf der Welt gestalten und so
Bande tiefer gegenseitiger Abhängigkeit schaffen, etwas, was als wirkliche
Quintessenz der Tätigkeit eines Diplomaten gilt.
Beschleunigung des Prozesses als dringliche Aufgabe
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich als letzten Punkt erwähnen, dass es
außerordentlich wichtig ist, den Prozess der EPA-Verhandlungen zu
beschleunigen, auch wenn es nicht gut wäre, durch den ganzen Prozess zu
hasten.
Wie ich eingangs ausgeführt habe, bin ich mit dem Tempo, in dem die EPAs
bisher abgeschlossen wurden, nicht unbedingt zufrieden. Wenn wir
allerdings gleichzeitig an die enorme Aufgabe denken, ein EPA vorzubereiten, dann wird
klar, dass es völlig außer Frage steht, den ganzen Prozess mit doppeltem
oder dreifachem Tempo zu durchlaufen.
Dies im Hinterkopf behaltend möchte ich drei Instrumente vorschlagen, mit
denen der ganze Prozess beschleunigt werden kann.
Das erste Mittel ist, dass, weil wir bei den verschiedenen Verhandlungen
bereits beträchtliche Erfahrung gesammelt haben, wir in der Lage sind, den
Partnerländern zu Beginn ein Beispiel für ein Endprodukt
zu zeigen und wir mit
diesem als Modell die Formulierung eines neuen EPA beginnen können. Wir
haben diese Vorgehensweise z.B. bei unserer Arbeit mit Vietnam, Brunei und
Indien gewählt.
Das zweite Mittel ist, dass - abhängig vom jeweiligen Staat - wir uns nicht
dazu entschließen, Verhandlungen über die ganze Bandbreite eines EPA zu
führen, sondern uns stattdessen nur auf die Bereiche konzentrieren, die im
Zusammenhang mit dem FTA stehen, nur ein Investitionsabkommen als Vorläufer
abschließen oder andere Wege gehen, die unseren Zielen entsprechen. So
können wir uns in vielfältiger Weise engagieren.
Das dritte Instrument ist, dass wir sofort mit den Verhandlungen beginnen,
anstatt uns mit umfangreichen Vorbereitungen im Vorfeld aufzuhalten. Bisher
sind wir erst dann mit Partnerländern in Verhandlungen getreten,
wenn
eine Studie u.a. von Wissenschaftlern aus dem privaten Sektor vorlag. Bei den
Verhandlungen mit dem Golfkooperationsrat (GCC) jedoch, die wir in Kürze
aufnehmen werden, haben wir diesen vorbereitenden Schritt absichtlich
übersprungen.
Ich denke, es muss nicht ausdrücklich erwähnt werden, dass die sechs
Golfstaaten auf der arabischen Halbinsel, die den GCC bilden, im Bereich der
Energiesicherheit äußerst wichtige Partner für Japan sind, da wir 75 %
unseres Erdölbedarfs und 23 % unseres Erdgasbedarfs aus diesen Staaten
decken. Als wir vom nachdrücklichen Wunsch des GCC erfuhren, ein FTA mit
Japan abzuschließen, haben wir uns entschlossen, unmittelbar mit den
Verhandlungen zu beginnen und hoffen, dass wir das Abkommen so rasch wie
möglich abschließen können.
Unabhängig davon, welchen speziellen Fall wir nun betrachten, können wir es
uns nicht erlauben allzu langsam vorzugehen. Wie Sie sich erinnern werden,
gab ich Ihnen zu Beginn dieses Vortrags eine Definition der
Außenwirtschaftspolitik und erklärte, dass die EPAs der Förderung der
Interessen Japans dienen. Durch die Aufstellung internationaler Regeln
versucht Japan mit der Realität einer sich rasch entwickelnden globalen
Wirtschaft Schritt zu halten. Ich möchte meinen Vortrag mit der Zusage
beenden, dass ich mich als Außenminister noch stärker als zuvor für die
Beschleunigung des Verhandlungsprozesses in Bezug auf die EPAs einsetzen
werde.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Der obige Vortrag wurde für Neues aus Japan leicht gekürzt und ins Deutsche
übersetzt.)
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