Am 26. April sind die Japanischen Filmtage in Leipzig eröffnet worden. Zum
fünften Mal in Folge widmen sich die Leipziger unter dem Motto „Nippon
Connection on Tour“ dem aktuellen Filmschaffen in Japan. In Zusammenarbeit
mit dem größten japanischen Filmfestival Europas, der Nippon Connection in
Frankfurt am Main findet nun wieder eine kleine, aber feine, Auswahl von
Filmen ihren Weg nach Leipzig. Auch wenn es nicht gelungen ist, dieses Jahr
mit dem neuen Streifen Takeshi Kitanos zu eröffnen, ist ein
abwechslungsreiches Programm zusammengestellt worden, das erstmalig auch
einige retrospektive Titel enthält. Ergänzt wird der über acht Tage
andauernde cineastische Marathon durch ein kulturelles Rahmenprogramm,
dessen Höhepunkte das Warm-Up-Konzert von Mikabomb sowie das Animation Soup
Special bilden.
Eröffnungsfilm in diesem Jahr war der beim Tokyo Festival 2005 mehrfach
ausgezeichnete neue Streifen von Kichitaro Negishi - „Yuki ni negau koto“ –
„What the Snow Brings“.
„Yuki
ni negau koto“ (frei übersetzt: „Was man sich vom Schnee wünscht“) ist ein
stiller, besinnlicher Film. Angesiedelt im Norden Japans, auf Hokkaido, wo
Japan am europäischsten ist. Der Schnee liegt kniehoch, die Menschen leben
einfach und arbeiten hart, es gibt Rinder und Pferde und viel weites Land.
Tokyo mit seinen Neonreklamen, dem ständig pulsierenden Verkehr und seinen
hektischen, gestylten Bewohnern ist weit weg. Hier findet sich Manabu
(Yusuke Iseya) wieder, ein junger Geschäftsmann aus Tokyo, der seine Frau,
seine Freunde und seine Firma verlor und nun auf der Flucht vor seinen
Gläubigern dorthin zurückfindet, wo er einst aufwuchs. Sein älterer Bruder
Takao (Darstellerpreis des Tokio Sakura Grand Prix für Koichi Sato)
trainiert Pferde für
Banei-Schlittenrennen und ist nicht eben beglückt, ihm wieder zu
begegnen - hatte sich Manabu doch damals mit dem Geld seiner Mutter aus dem
Staube gemacht und fortan nichts mehr von seiner ländlichen Verwandtschaft
wissen wollen. Doch wie es so ist im Leben, sieht man sich immer zweimal und
nun ist alles anders...
Negishi sagte über seinen Film „Alle Charaktere, auch die Pferde, in meinem
Film sind mit Problemen belastet.“ Und tatsächlich – das Verhältnis der
beiden Brüder ist schwerst getrübt, die schöne Reiterin Makie verzweifelt an
ihrem Ehrgeiz und dem Erbe ihres berühmten Vaters, die Mutter der Brüder ist
demenzkrank, das favorisierte Pferd des Rennstalls „Shadow King“ stirbt und
der schwer deprimierte und fast aufgegebene Wallach Unryu muss als Sinnbild
für all die Unbill, die es zu überwinden gilt, noch einmal in die Spur...
Die sich mit den schweren Eisenschlitten im Schlepptau durch den Sand und
über willkürliche Hindernisse quälenden Pferde sind eine unvergessliche
Metapher für die Mühsal des sich immer wieder Aufraffens, des Verharrens um
Kräfte zu sammeln, um sein Ziel dann umso entschlossener anzustreben. Für
Manabu wird die Zeit im Norden eine Reise zu sich selbst, zu den Werten des
Lebens, für die es einzustehen lohnt.
Fazit: Ein wunderbar stiller Film mit liebenswert störrischen Charakteren.
Die ruhige, fast besinnliche Kamera lässt einen eintauchen, in ein Leben, in
dem die Uhren langsamer zu gehen scheinen. Die Tradition mühsam auf das Dach
bewegter Schneebälle, die den Göttern Handlungsbedarf signalisieren sollen,
ist es wert, übernommen zu werden...
* J.G. (Diese Rezension
stellt eine individuelle Meinung dar und vertritt nicht
die offizielle Haltung der Botschaft von
Japan)
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