Aktuelle Situation der ausländischen Schüler in Japan
Ende 2004 waren in Japan etwa 1,97 Mio. Ausländer registriert. Das sind ca.
1,6 % der Gesamtbevölkerung. Dieser Anteil hat in den letzten zehn Jahren um
46 % zugenommen.
Bis zu den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts bestand der größte Teil der
ausländischen Bevölkerung aus den in Japan lebenden Koreanern, also Menschen,
die bis zum Ende des Krieges von der koreanischen Halbinsel nach Japan
gekommen waren, und deren Kinder. Mit der zunehmenden Globalisierung ab den
achtziger Jahren nahm auch der grenzüberschreitende Transfer von Menschen
immer mehr zu. Zugleich nahm Japan auf Betreiben der Regierung repatriierte
Personen aus China sowie Flüchtlinge aus Indochina auf. Auch die Zahl der
ausländischen Studierenden nahm zu, so dass die Zahl der in Japan lebenden
Ausländer insgesamt einen Anstieg erfuhr.
Zusätzlich dazu wurde 1990 das Einreisegesetz geändert, so dass nun vermehrt
auch Menschen japanischer Abstammung aus Lateinamerika nach Japan kamen,
insbesondere aus Brasilien. In Präfekturen wie Aichi, Shizuoka und Gumma, in
denen viele produzierende Unternehmen bestehen, sind in den letzten fünfzehn
Jahren zahlreiche Arbeitskräfte aus dem Ausland angestellt worden. Aufgrund
des Anstiegs dieser so genannten „Newcomer“ seit den achtziger Jahren hat
auch die Zahl derjenigen Ausländer, die ständig in Japan leben, zugenommen.
Zugleich gibt es vermehrt internationale Eheschließungen, und die Zahl der
Menschen, die eine ständige Aufenthaltserlaubnis haben oder die japanische
Staatsbürgerschaft annehmen, wächst ebenfalls.
Vor
dem Hintergrund dieser Zunahme der ausländischen Bevölkerung ist auch das
Problem der Bildung für deren Familienangehörige, insbesondere der Kinder,
entstanden. Im Mai 2004 besuchten etwa 70.000 ausländische Schüler
öffentliche Schulen in Japan.
Davon benötigten etwa 20.000 Schüler eine besondere Förderung beim Erlernen
der japanischen Sprache; diese Zahl nimmt weiter zu.
Diese Schüler, die eine besondere Förderung beim Lernen von Japanisch
brauchen, verteilen sich auf ungefähr 5.000 Schulen im ganzen Land. Sie
sprechen 58 verschiedene Muttersprachen, wovon die drei Sprachen
Portugiesisch, Chinesisch und Spanisch zusammen einen Anteil von ca. 75 %
haben. Etwa 80 % der genannten Schulen haben weniger als vier solcher
Förderschüler, und nur 1 % der Schulen werden von dreißig und mehr
Förderschülern besucht. Dies macht das Ausmaß deutlich, in dem diese Schüler
ungleichmäßig über das ganze Land verteilt sind.
Rein rechtlich gesehen gilt die Schulpflicht in Japan nicht für Ausländer.
Aber aufgrund der Tatsache, dass Japan internationale Übereinkommen wie etwa
die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert hat, wird
ausländischen Kindern auf Wunsch ein kostenfreier Schulbesuch an
öffentlichen Schulen im Rahmen der Schulpflicht (1. bis 9. Klasse)
ermöglicht. Damit werden ihnen die selben Bildungschancen wie den
japanischen Kindern gewährt.
Aus diesem Grund trägt das
Ministerium für Bildung, Kultur,
Sport, Wissenschaft und Technologie (Bildungsministerium) dafür Sorge, dass entsprechend der benötigten Förderung beim
Erlernen der japanischen Sprache zusätzliche Lehrkräfte bereitgestellt
werden. Zudem wurden besondere JSL(Japanisch als Zweitsprache)-Lehrpläne
entwickelt, und es wurde für die Eltern ein Ratgeber zum Schulbesuch (in
sieben Sprachen) erstellt und verteilt.
Ein Besuch vor Ort in den Schulen
Hier sollen nun anhand einiger Beispiele, die auf Besuche von Grund-, Mittel-
und Oberschulen mit ausländischen Schülern zurückgehen, die Aufgaben benannt
werden, denen Japan in diesem Bereich gegenübersteht.
(1) Betreuung der Eltern notwendig
Ein großer Teil der „Newcomer“ genannten Ausländer bezieht nur niedrige
Einkommen und hat lange Arbeitszeiten. Viele Kinder sind daher, wenn sie
nach der Schule nach Hause kommen, ohne Betreuung der Eltern auf sich allein
gestellt. Auch gibt es Kinder, die nicht zur Schule gehen, weil sie sich um
jüngere Geschwister kümmern müssen. In vielen Fällen müssen die Lehrer daher
die Familien spät abends oder an freien Tagen besuchen, um Einzelberatung
und Anleitung durchzuführen. Dies ist gerade dann, wenn Eltern wegen
Überstunden bei der Arbeit erst spät nach Hause kommen, der Fall. Dies führt
jedoch manchmal zu Missverständnissen zwischen den Erziehungsberechtigten
aus dem Ausland, die das System der Familienbesuche in Japan nicht kennen,
und den Lehrern.
Auch kommt es vor, dass Eltern nicht versichert sind, so dass sie bei
Krankheit oder Unfall nicht ausreichend für ihre Kinder sorgen können. Oft
unterstützen dann Lehrer über ein Geflecht aus Bekanntschaften diese
Familien. Für Eltern, die kein Japanisch sprechen, sind oft Vereinbarungen
mit beteiligten Institutionen erforderlich, um für die Familienbesuche die
Begleitung eines Dolmetschers sicherzustellen.
Die oben geschilderte Realität macht deutlich, dass auch die japanischen
Sprachfähigkeiten der Erziehungsberechtigten (d.h. der Erwachsenen) dringend
verbessert werden müssen. Zugleich muss auch über die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen nachgedacht werden.
(2) Ausländische Schulen
Zweitens besteht das Problem der ausländischen Schulen. Der aus 17 Kommunen
mit hohem Ausländeranteil bestehende „Rat der Städte mit hoher ausländischer
Wohnbevölkerung“ erhebt die Forderung, den rechtlichen Status der
ausländischen Schulen, die derzeit als private Nachhilfeschulen behandelt
werden, eindeutig zu regeln. Das Bildungsministerium führt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Teil der
ausländischen Schulen rechtlich als Berufsschulen gilt, eine sorgfältige
Prüfung des Status dieser Schulen durch.
Allerdings kommt auch der Unterstützung aus dem Mutterland große Bedeutung
zu. Die Forderungen des „Rates der Städte mit hoher ausländischer
Wohnbevölkerung“ in Bezug auf die ausländischen Schulen betreffen vor allem
Schulen mit lateinamerikanischem Hintergrund. Wenn diese Schulen von den
betreffenden Ländern unterstützt würden, würde dies das Schulmanagement
erleichtern, was auch für die Erziehungsberechtigten wünschenswert wäre.
Beispielsweise werden auf diplomatischer Ebene mit der brasilianischen
Regierung Konsultationen geführt, damit die brasilianischen Schulen in Japan
die erforderliche Unterstützung aus dem Mutterland erhalten.
Die
Regierung von Japan unterstützt entsprechend dem in der Verfassung
garantierten gleichberechtigten Zugang aller Bürger zu Bildungschancen sowie
dem Prinzip der kostenfreien Bildung im Bereich der Schulpflicht auch die
japanischen Schulen im Ausland. So wirken das Bildungsministerium sowie das
Außenministerium bei der Entsendung von Lehrpersonal an diese Schulen und
bei der Bereitstellung von kostenlosem Lehrmaterial zusammen. Darüber hinaus
wird ein Teil der Gehaltskosten der vor Ort angestellten Lehrkräfte
übernommen.
(3) Ausländische Kinder, die keine Schule besuchen
Schließlich muss im Rahmen der Bildung von ausländischen Kindern auch die
wichtige Aufgabe in Bezug auf die Kinder genannt werden, die überhaupt nicht
zur Schule gehen. Tatsächlich ist nicht genau bekannt, wie viele
ausländische Kinder in Japan keine Schule besuchen.

Das Bildungsministerium führt ab dem
Haushaltsjahr 2005 Untersuchungen zur Zahl dieser Kinder ohne Schulbesuch
durch und hat zugleich Regionen bestimmt, in denen „Unterstützungsprogramme
für ausländische Kinder ohne Schulbesuch“ durchgeführt werden, die sich mit
praktischen Forschungen in diesem Bereich befassen. Die Verantwortlichen in
diesen Regionen berichten, dass die Untersuchung im Rahmen von
Familienbesuchen erfolgt. Wie oben bereits angeführt, müssen viele dieser
Besuche jedoch spät abends oder an Feiertagen durchgeführt werden oder die
Lehrer sehen sich dem Problem der Privatsphäre gegenüber, so dass zahlreiche
Probleme auftreten.
Das Ministerium wird auf der Grundlage dieser Projekte Maßnahmen erstellen,
um ausländischen Kindern vermehrt Gelegenheit zum Schulbesuch zu geben. Die
Handhabung dieses Problems wird dadurch erschwert, dass die
Ausländerregister der Kommunen oft nicht den tatsächlichen Stand der
ausländischen Bevölkerung widerspiegeln. Es ist daher nicht einfach, dieses
Problem allein auf der Ebene der Bildungseinrichtungen zu lösen. Vielmehr
ist zu wünschen, dass ein engeres Zusammenwirken mit den beteiligten
Institutionen wie den Einwanderungsbehörden erreicht wird.
Aufgaben der Unternehmen
Bis jetzt wurden die Probleme und Aufgaben aus der Sicht des Bildungssektors
benannt; nun soll auch noch auf die Aufgaben der Unternehmen eingegangen
werden.
Gegenwärtig sind die Zentralregierung und die Kommunen mit den Maßnahmen zur
Aufnahme von Ausländern betraut. Der „Bericht des Forschungsrats des
Ministeriums für Inneres und Kommunikation über die Förderung einer
Gesellschaft, in der viele Kulturen zusammen leben“ führt folgenden Punkt
an: „Viele der ‚Newcomer’ wurden als Arbeitskräfte von Unternehmen
angeworben und sind deshalb zusammen mit ihren Familienangehörigen nach
Japan gekommen. Zwar sind viele dieser Arbeitskräfte über Agenturen
vermittelt worden, jedoch haben die Unternehmen, die in der Realität als
Arbeitgeber fungieren, als Teil der regionalen Gemeinschaft eine
gesellschaftliche Verantwortung inne, die noch dadurch verstärkt wird, dass
sie aus der Anstellung der ausländischen Arbeitnehmer Nutzen ziehen.“ Es ist
daher zu hoffen, dass auch die Unternehmen einen aktiven Beitrag zum Problem
der Aufnahme von Ausländern leisten.
Zugleich ist auch eine Geisteshaltung der „Eigenständigkeit“ erforderlich.
Denn das künftige Bild Japans wird eine „Gesellschaft sein, in der viele
Kulturen zusammen leben.“ Dieses Zusammenleben kann jedoch nur gelingen,
wenn alle Seiten in einer Geisteshaltung der „Eigenständigkeit“ aufeinander
zugehen. Diese Geisteshaltung muss bei der Erstellung der verschiedenen
Maßnahmen stets im Hintergrund wirken.
(Quelle: Gaiko Forum, Juni 2006. Der vorliegende Artikel wurde für Neues aus
Japan leicht gekürzt und aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzt.)
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