
Guido Buchwald, Trainer des japanischen Fußballklubs Urawa Red Diamonds (abgekürzt
„Urawa Redsg) aus der Stadt Saitama in der gleichnamigen Präfektur, die in
Japan als „Stadt des Fußballsg bekannt ist, spielte früher als Verteidiger
in der deutschen Fußballnationalmannschaft, die seinerzeit für ihre starke
Abwehr berühmt war. Nach der Gründung der „J-Leagueg, der japanischen
Fußballprofiliga, spielte Buchwald zunächst als Spieler für die Urawa Reds
und trug zusammen mit zahlreichen anderen ausländischen Profispielern
erheblich zur weiteren Entwicklung der J-League bei. Später dann führte er
seine Mannschaft als Trainer an die Spitze der japanischen Profiliga. Mit
seiner Offenheit beeindruckt er nicht nur seine Spieler, sondern auch die
japanischen Fußballfans insgesamt.
Zwei Tage vor dem Spiel gegen Gamba Osaka, dem Vorjahresmeister, ist die
Lobby des Klubheims der Trainingsstätte der Urawa Reds angefüllt mit
Journalisten, die über die Vorbereitung der Mannschaft berichten wollen. „Während
des Trainings scheint sich ein Spieler verletzt zu haben.
Ist bei dem alles in Ordnung?g - „gKein Grund
zur Sorge.g Die knappen Äußerungen des Trainers auf Deutsch werden eine nach
der anderen vom Dolmetscher übersetzt.
Guido Buchwald, in kurzer weißer Hose und blau-gelbem T-Shirt, ist
hochgewachsen, blond und 44 Jahre alt. Er hat zwei 19 und 15 Jahre alte
Söhne und wirkt doch erheblich jünger. Zwar soll er in letzter Zeit etwas
zugenommen haben, aber den Eindruck hat man eigentlich nicht. Mit einem
Schlag international bekannt wurde er, als er im Finale der Fußball-WM 1990
in Italien den argentinischen Superstar Diego Maradonna effektiv
ausschaltete. Zuvor hatte er bereits viele Jahre für den VfB Stuttgart,
einen der Spitzenklubs der Bundesliga, gespielt. Anders als man dies nach
den großen Erfolgen seiner Karriere annehmen könnte, hat Guido Buchwald sich
jedoch seine Umgänglichkeit und Bescheidenheit bewahrt.
Zwar spricht er kein Japanisch, da aber viele Fachausdrücke im japanischen
Fußball aus dem Englischen stammen, ist ihm dies bei seiner täglichen Arbeit
eine große Hilfe. Darüber hinaus folgen die Spieler genau seinen Anweisungen,
die er per Hand gibt.
Dass er Japan mag, ist keineswegs nur Konvention. „Alle sind hier sehr
freundlich und helfen einem.g, meint er dankbar. Das einzige, was ihn stört,
sind die Verkehrsstaus. Das versteht man, wenn man hört, dass er von seiner
Wohnung im Tokyoter Bezirk Setagaya, die günstig zur Deutschen Schule liegt,
in die sein jüngster Sohn geht, jeden Tag zwei Stunden benötigt, um zur
Arbeit zu gelangen.
Vom Traum zur Wirklichkeit
Strebte er von Kindes Beinen an eine Karriere als Fußballer an? Er erinnert
sich an früher und erzählt mit leuchtenden Augen. Bereits mit gerade einmal
drei Jahren spielte er mit seinen älteren Brüdern, wenn noch ein Spieler
gebraucht wurde. Irgendwann träumte er dann davon, ein richtiger
Fußballspieler zu werden. Allerdings war sein Vater, der kein Interesse am
Fußball hatte, zunächst dagegen.
Guido Buchwald war stets von Kampfgeist erfüllt. Vor der Fußball-WM 1990,
die seinen Ruf weltweit begründete, litt er unter einer geschwollenen und
schmerzenden Achillessehne. Er konsultierte verschiedene Ärzte, aber keiner
konnte ihm die Ursache benennen: „Sie sind gesund. Dass Sie Schmerzen haben,
glaube ich Ihnen. Aber dagegen kann man leider nichts machen.g Er fragte sich
damals: „Warum?g Aber schließlich überwand er die großen Schmerzen und
erhielt mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft eine große Belohnung. Gerade
auch wegen seiner perfekten Abwehrleistung konnte Deutschland sich den Titel
des Weltmeisters sichern. Guido Buchwald wurde vom damaligen deutschen
Nationaltrainer Franz Beckenbauer als wichtigster Spieler der Mannschaft
bezeichnet. Nach der Weltmeisterschaft wollte Guido Buchwald eigentlich nach
Italien zum FC Parma wechseln, aber der VfB Stuttgart ließ ihn nicht gehen.
Schließlich blieb er bis zur Fußball-WM 1994 in Deutschland. Dann, mit 33
Jahren entschied er sich endlich dazu, seine Heimat zu verlassen. Als dann
das Angebot kam, für die Urawa Reds zu spielen, griff er sofort zu: „Es war
unmittelbar nach Gründung der J-League. Ich hielt dies für eine einmalige
Chance, einen Beitrag für den Fußball in Japan zu leisten.g Ein paar Jahre
später kehrte er nach Deutschland zurück, um zunächst als Spieler und dann
als Manager zu wirken, aber 2004 zog es ihn erneut nach Japan - wieder zu
den Urawa Reds.
Haben Japaner das Zeug zum Fußball?
Um als Fußballer erfolgreich zu sein, brauche man großen Ehrgeiz und einen
eisernen Willen. Körperliche Fähigkeiten und Technik seien ohnehin
Grundvoraussetzung. Allerdings betont Guido Buchwald, dass Fußball vor allem
ein Mannschaftssport sei und dafür sei Teamgeist unerlässlich.
Er wiederholt mehrmals, wie wichtig Teamgeist sei. Man könne sagen, das dies
der Schlüssel zum Erfolg einer Mannschaft sei. Zugleich macht er jedem
Spieler deutlich, was er von ihm erwartet: „Meine Anweisungen sind stets
direkt, und ich erkläre jedem einzelnen Spieler die Gründe. Wenn ich daher
mit jemandem schimpfe, dann weiß derjenige auch, warum ich das tue.g
Diese direkte und schnörkellose Art der Kommunikation dürfte wohl in seinem
deutschen Charakter begründet liegen. Aber sie hat
bereits, wenn man die Leistungen der Urawa Reds sieht, zum Erfolg geführt. 2005 wurden sie
Zweiter in J-Jeague und gewannen den japanischen Pokalwettbewerb, den Tenno-Cup.
Beim letzten Spiel gegen Gamba Osaka im Februar besiegte man den
Vorjahresmeister mit 3:1 und übernahm die Tabellenführung.
Wo liegen nun die Unterschiede zwischen den Spielern in Japan und in anderen
Ländern? Allgemein sagt man, die englischen Spieler seien offensiv, die
Deutschen dagegen temperamentvoll und die Italiener geistreich. Guido
Buchwald gibt eine unerwartete Antwort auf die Frage nach der
charakteristischen Eigenschaft der japanischen Spieler - sie ähnelten den
brasilianischen Spielern. „Sie lieben den Ball und sind Individualisten. Sie
agieren flexibel und können gut mit dem Ball umgehen. Aber zumindest zum
jetzigen Zeitpunkt kann man sie noch nicht als ‚Torjägerf bezeichnen. Es
fällt ihnen schwer, während des Spiels die Ruhe zu bewahren, und sie freuen
sich bereits riesig, wenn sie den Ball bis auf einen Meter an das Tor
heranbringen.g Vielleicht liegt es an der typischen
Bescheidenheit der Japaners, dass sie glauben, kein internationaler
Superstar werden zu können.
Während die Japaner während des Spiels als Individualisten agierten, seien
sie außerhalb des Spielfelds mit ihren Mannschaftskameraden in enger
Freundschaft verbunden, und man unternehme sogar in der Freizeit
etwas gemeinsam. Guido Buchwald meint: „Von dreißig Spielern zeigen in einem Spiel nur
elf, was sie wirklich leisten können, und nur diese haben die Chance, sich
einen Namen zu machen. Im Ausland besteht zwischen den Spielern eine
ziemliche Konkurrenz, das gibt es in Japan nicht.g
Für die Zukunft des Fußballs
Er glaubt, dass es in Japan zahlreiche fähige Spieler gebe und dass sich der
japanische Fußball weiter entwickeln werde: „Wenn zu den angeborenen
Fähigkeiten der japanischen Spieler und ihrer Liebe zum Ball noch der Wille
zum Tor hinzukommt, dann können wir in Zukunft noch viel erwarten.g So wie
die französische Nationalelf 1998 einen großen Sprung nach vorn machte, so
könnte sich auch hier die Situation erheblich verbessern, wenn aus den
Reihen der japanischen Spieler ein „Starg hervortreten würde.
Wie wird die japanische Mannschaft bei der im Juni beginnenden Fußball-WM in
Deutschland abschneiden? Guido Buchwald meint ohne Umschweife: „Die Vorrunde
schaffen sie auf jeden Fall. Die Spiele gegen Australien und Kroatien sind
einigermaßen sicher. Selbstverständlich ist das mit Brasilien etwas anders.
Aber wenn sie die Vorrunde als Zweiter beenden, haben sie die Finalrunde
erreicht. Dann hängt alles vom jeweiligen Gegner ab.g
Guido Buchwald kann bereits auf viele Erfolge zurückblicken, aber an seinem
nächsten Ziel lässt er keinen Zweifel - die Meisterschaft in der J-League.
Er hält dies ohne weiteres für möglich: „Wir gelten derzeit als die beste
Mannschaft. Unsere wichtigste Aufgabe ist jetzt dafür zu sorgen, dass die
Spieler mit diesem Druck umgehen können.g
Wird Guido Buchwald auch künftig in Japan aktiv sein und die Erwartungen der
Fans erfüllen? Man solle sich keine Sorgen machen. Er habe nicht vor, Japan
in absehbarer Zeit zu verlassen. Er wolle sich künftig nicht nur im
Profibereich, sondern unter Umständen auch für die Ausbildung der nächsten
Generation engagieren: „Ich bin jetzt in der Lage, dass ich mir aussuchen
kann, was ich machen möchte und das dann mit Spaß an der Sache auch zu tun.g
Es ist zu hoffen, dass Guido Buchwald den Menschen in Japan auch weiterhin
durch schönen Fußball viel Freude bereitet.

Guido Buchwald: 1961 in Berlin geboren. 1978 DFB-Jugendauswahl. 1983
zum VfB Stuttgart, 1984 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister, 1990 mit
der DFB-Auswahl Weltmeister. 1994 Wechsel zu Urawa Red Diamonds; spielte vor
allem in der Abwehr. Seit 2002 Technischer Berater, seit 2004 Trainer der
Urawa Reds.
@
@
(Quelle: Europe, Frühjahr 2006; das japanische Original
wurde für Neues aus Japan ins Deutsch übersetzt.)
@
Druckversion
|