Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.31                                    Juni 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Japan ist eine Gesellschaft, die sich durch Innovation weiterentwickelt hat

 

Prof. Dr. Taizo Yakushiji
Mitglied des Allgemeinen Rats für Wissenschaft und Technologie im Kabinettsamt

 

 

 

 

 

Die Schaffung neuer Werte verändert die bestehende Gesellschaft

Im September 2006 stellte Premierminister Shinzo Abe in seiner Regierungserklärung vor dem Parlament unter der Bezeichnung „Innovation 25“ ein langfristiges strategisches Konzept für Innovationen vor, mit dem ein Beitrag für wirtschaftliches Wachstum geleistet und der Blick bis auf das Jahr 2025 gerichtet werden soll. Der Begriff Innovation leitet sich vom lateinischen Wort „innovare“ für „erneuern“ ab. Er bedeutet die Schaffung neuer Werte durch neue Technologien und Kenntnisse sowie eine umfassende Veränderung der bestehenden Gesellschaft.

Die Regierung hat für die Umsetzung dieser Strategie unter der Führung der neu ernannten Ministerin für Innovationen, Sanae Takaichi, den „Strategierat Innovation 25“ ins Leben gerufen, der dazu dient, diese Strategie zu prüfen und voranzutreiben. Den Vorsitz übernahm der Mediziner und Sonderberater des Kabinettsamts, Prof. Kiyoshi Kurokawa. Zu den weiteren sechs Mitgliedern zählen neben meiner Person u.a. Tadashi Okamura, Aufsichtsratvorsitzender der Toshiba Corp., und Prof. Ichiro Kanazawa, Präsident des Nationalen Zentrums für Neurologie und Psychiatrie. Der Rat kam bislang insgesamt acht Mal zusammen und legte im Februar 2007 einen Zwischenbericht vor. Darin wird unter dem Titel „Ein Tag im Leben der Familie Inobe“ (Inobe leitet sich von der englichen Aussprche des Begriffs „Innovation“ ab) der Alltag einer durchschnittlichen japanischen Familie in zwanzig Jahren vorgestellt; diese Zukunftsvision fand bei den Medien große Beachtung. Die konkreten Maßnahmen für die Strategie werden bis Ende Mai insbesondere vom Beratungsgremium für Politik und Finanzen aufgestellt werden.


Nachahmung als Beginn

Ich habe 1989 das Buch „Techno-Hegemonie - Aufstieg und Fall von Staaten durch Technologie“ (erschienen im Verlag Chuo Koron) verfasst. Damals war der Höhepunkt der Ära des so genannten „Japan Bashing“ in den Vereinigten Staaten, als Japan sich heftiger Kritik ausgesetzt sah. In den Medien wurden Bilder verbreitet, wie von japanischen Produkten bedrängte und aufgebrachte Amerikaner Elektrogeräte Made in Japan zerstörten. Diese behaupteten, Japan habe die amerikanische Technologie gestohlen und sie dann wieder in die Vereinigten Staaten zurück exportiert. Ich hielt mich damals zu einem Studienaufenthalt in Amerika auf und hegte meine Zweifel bezüglich dieser geäußerten Auffassung. Mir kam dann der Gedanke von „Emulation, die keine Imitation ist“ in den Sinn.

Die Vereinigten Staaten haben sich nach der Erringung ihrer Unabhängigkeit in weniger als zweihundert Jahren zu einer Großmacht entwickelt. Auf Japan übertragen entspräche dies dem Zeitraum vom Ende der Edo-Zeit bis in die Gegenwart. Warum war Amerika in der Lage, in derart kurzer Zeit einen so gewaltigen Sprung nach vorn zu machen? Als ich die Gründe dafür näher untersuchte, erkannte ich deutlich die Tatsache, dass auch Amerika im Verlauf seiner Entwicklung andere Länder nachgeahmt hat. Seine Vorbilder waren das Mutterland Großbritannien und sein Verbündeter während des Unabhängigkeitskrieges: Frankreich. Aus Großbritannien übernahm man die Technologien in den Bereichen Industrie und Sozialsysteme, während aus Frankreich die Technologien in den Bereichen Landwirtschaft und Sprengstoff stammen. Auch die Militärakademie Westpoint wurde ursprünglich von französischen Militärberatern gegründet.

Woher aber hatte Großbritannien diese Technologien übernommen? Als Vorbild für Großbritannien dienten die Niederlande. Die Niederlande wiederum hatten die Technologien aus katholischen Ländern wie Italien und Frankreich übernommen. Anlass dafür war der 1562 ausgebrochene erste Hugenottenkrieg. Die Flucht der Hugenotten, die über großes technologisches Wissen verfügten, vor dem Bürgerkrieg im eigenen Land führte sie u.a. in die Niederlande und nach Deutschland; dies führte zu einem Technologietransfer in diese Länder.
 

Ausbildung der Humanressourcen als dringende Aufgabe

Heutzutage wird in China eine große Zahl von Produkten hergestellt, die Kopien von Produkten aus anderen Staaten sind. In jedem Land bemüht man sich bei der Nachahmung von Technologien aus anderen Staaten zunächst um die Herstellung von Kopien. Diese sind zunächst recht primitiv, entwickeln sich aber allmählich zu immer besserer Qualität. Die betroffenen Staaten stellen dann eigene Regeln auf und versuchen die Neulinge auszuschließen. In Amerika traten früher Revolutionäre wie Henry Ford auf, die die bestehende Ordnung aufbrachen und neue Systeme entwickelten. Die Tatsache, dass heute die Chinesen die gleichen Produkte herstellen wie sie in Japan gefertigt werden, überrascht mich daher nicht. Japan sollte aber gut aufpassen, wenn China beginnt, in die nachgeahmten Produkte neue Dinge einzufügen.

Man muss deutlich zwischen den Begriffen Innovation und Erfindung unterscheiden. Denn mit Erfindungen allein kann man im Wettbewerb nicht bestehen. Man schaue sich nur das Beispiel von Thomas Edison an. Er war für zahlreiche Erfindungen verantwortlich und hat auch auf dem Gebiet der Elektrizität große Leistungen vollbracht. So hat er zwar die Glühbirne nicht selbst erfunden, aber einen Glühfaden entwickelt, der einer hohen Spannung gewachsen ist. Niemand konnte sich damals vorstellen, dass ein Glühfaden bei einer Spannung von 110 Volt nicht durchbrennt. Er hat also eine „Verbesserung“ durchgeführt, mit der es ihm gelang, ein „elektrisches System“ aufzubauen. Japan ist eine Gesellschaft, die sich durch Innovation weiter entwickelt hat. Weder das Motorrad noch der Fernseher wurden von Japanern erfunden. Trotzdem wird heute auf der ganzen Welt die hohe Qualität von Autos und Elektrogeräten Made in Japan anerkannt.

Um Innovationen zu gestalten, ist neben den Wissenschaften und Technologien auch eine soziale Infrastruktur in Form von Regeln und Systemen erforderlich. Gesellschaften, in denen ein Klima der Unfreiheit herrscht, dürfte es schwer fallen Innovationen hervorzubringen. Damit Einzelne Innovationen hervorbringen, ist es zudem erforderlich, dass sie sich bereits in jungen Jahren die grundlegenden wissenschaftlichen Fähigkeiten aneignen. Dies auch deshalb, weil dies eine Art „Fallstudie“ darstellt, bei der man den Blick auf das Ergebnis richtet. Hierfür muss Japan in Zukunft seine sozialen Systeme verändern, und die Ausbildung der Humanressourcen stellt dabei eine dringende Aufgabe dar. Das Japan in zwanzig Jahren wird von den heutigen jungen Menschen getragen werden. Es ist nicht einfach, die Ziele für die Zukunft zu bestimmen und die Gegenwart dafür zu verändern. Aber unter dem Aspekt, dass für die Förderung von Innovationen der Ausbildung der Humanressourcen eine besondere Bedeutung zukommt, planen wir eine „Innovation der humanen Ressourcen“.
 

Prof. Dr. Taizo Yakushiji

Ständiges Mitglied des Allgemeinen Rats für Wissenschaft und Technologie im Kabinettsamt; Mitglied des Deutsch-Japanischen Forums; Gastprofessor an der Keio Universität. 1968 Studienabschluss an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Keio Universität, 1970 Studienabschluss an der Pädagogischen Fakultät der Universität Tokyo. 1977 Erwerb des Doktortitels am Massachusetts Institute of Technology (Politikwissenschaften). Professor am Graduiertenkolleg der Universität Saitama und an der Keio Universität. Zahlreiche Publikationen, u.a.: „Theorie und Praxis in den ‚Sozialwissenschaften’“, „Rezeptur für ‚Wissen’ in der Wirtschaft Japans“, „Öffentliche Politik“ und „Techno-Hegemonie“.

Dieser Beitrag erschien zunächst in der japanischsprachigen Ausgabe von Gaiko Forum (Mai 2007) und wurde für Neues aus Japan ins Deutsche übersetzt.


(c) Gaiko Forum 2007

 

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