Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.31                                    Juni 2007

 

 

Schüleraustausch:
Ein halbes Jahr in einer japanischen Oberschule

 

Margarita ist Schülerin der 11. Klasse der Gustav-Heinemann-Oberschule Berlin und lernt seit der siebenten Klasse Japanisch. Von August 2006 bis Januar 2007 hielt sie sich im Rahmen des „Japan- Europe Mutual Understanding Scholarship Program“ der japanischen Regierung in Japan auf und besuchte dort eine Obershule in Tokushima. Wir haben sie im folgenden nach ihren Eindrücken befragt.

 

 

 

 

 

 

 

 

NaJ: Welchen Eindruck konntest Du von japanischen Jugendlichen gewinnen? Wie hast Du deine japanischen Altersgenossen kennen gelernt? Konntest Du schnell Kontakte knüpfen und Freunde finden?

Margarita: Im Allgemeinen kann ich sagen, dass ich von den japanischen Jugendlichen einen sehr guten Eindruck gewonnen habe. Ob das daran liegt, dass ich in eine gute Klasse auf eine gute Schule gekommen bin, zweifele ich. Denn im Städtchen, Ishii, wo ich diese 5 Monate verbracht habe, gab es nur eine Oberschule, also müssten da auch Schüler aus ganz verschiedenen Familien sein. Ich habe zwar ein Paar mal von meinen Lehrern gehört, dass meine Klasse eine der diszipliniertesten im Jahrgang sei, aber in den Pausen und in den AGs bin ich auch anderen Schülern begegnet, die sich nicht schlechter benommen haben, als die aus meiner Klasse. Die meisten waren sehr ruhig und bescheiden. Manche sogar zu schüchtern, aber ich fand das eher süß. Es war mir nicht immer leicht am Anfang mit ihnen in Kontakt zu kommen, da ich auch ziemlich schüchtern bin. Schüchtern waren viele auch deswegen, weil ich eine Ausländerin bin und sie nicht wussten, welche Sprache sie verwenden sollen, da nur wenige Ausländer Japanisch können. Aber wenn ich mich erst auf Japanisch vorgestellt habe, war das Schweigen gebrochen und nach zwei Minuten waren wir schon die besten Freunde. Ich hatte ja auch meine Gastschwester Mana da, die mich erst ihren Freundinnen vorgestellt hat. Mana hat sie auch zu uns nach Hause eingeladen und wir konnten uns gut unterhalten. Purikura, die Fotoautomaten, waren auch ein schöner Weg, um andere kennen zu lernen. Mit der Zeit, wenn ich in die AGs kam und an den Kultur- und Sportfestivals teilnahm, konnte ich auch weitere Klassenkameraden kennen lernen. Die Namen habe ich während des Unterrichts gelernt, wenn die Lehrer die Schüler beim Namen aufgerufen haben. Anfangs war es schwer, alle meine Mitschüler auseinander zu halten, da sie in den Schuluniformen auf den ersten Blick alle gleich aussahen. Und dass es in meiner Klasse zwei Zwillinge gab, habe ich erst nach zwei Monaten Schule mitbekommen…Im Korridor wurde ich oft von mir unbekannten Schülern angesprochen. Sie schienen wirklich glücklich zu sein, mit einer Ausländerin ein paar Worte auf Japanisch und manchmal sogar auf Englisch zu wechseln. Als Ausländer wird man hoch angesehen, besonders wenn man Japanisch kann. Was mir überhaupt an den Japanern gefällt, dass sie sehr (gast-)freundlich sind und immer lächeln. Manche sagen, ihr Lächeln sei gespielt, aber ich finde sogar ein gespieltes Lächeln besser als eine saure Grimasse.

Nach meinen Beobachtungen, ist es in der Schule uncool cool zu sein. Ich meine, viele Eigenschaften, die unter deutschen Jugendlichen als Schwächen angesehen werden, werden in Japan geschätzt, z.B. Hilfsbereitschaft, Rücksicht auf andere, Respekt vor den Lehrern, Sauberkeit und Ehrlichkeit. Abschreiben, Spickzettel, lautes Benehmen während des Unterrichts waren so selten, dass ich mich darüber immer wieder gewundert habe. Keine Rede von Alkohol, Drogen u.ä. Die Klassengemeinschaft wird in Japan sehr geschätzt. Man wird gelehrt, für die Gemeinschaft zu leben, nicht für sich selbst.


NaJ: Wie bist Du in der Schule zurecht gekommen? Wie hat Dir der Unterricht gefallen? Welche Fächer mochtest Du am meisten und hattest Du große Sprachprobleme?

Margarita: In der Schule hat es mir sehr gut gefallen. Alle, Mitschüler und Lehrer, waren sehr nett zu mir und haben mir alles erklärt, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Gleich am ersten Tag musste ich mich auf einer Schulversammlung allen Lehrern und Schülern vorstellen. Dann wurde ich meiner Klasse, 14 HR, vorgestellt. Am Anfang lief ich überall mit meiner Gastschwester rum, dann etwa nach zwei Wochen – schon selbständig. Der Unterricht war natürlich auf Japanisch. Aber da ich schon Grundkenntnisse in der Sprache hatte und teilweise die Unterrichtsthemen schon in Deutschland behandelt habe (ich wurde ja in die erste Klasse der Oberschule = 10. Klasse gesetzt), konnte ich dem Stoff gut folgen. Wenigstens habe ich verstanden, worum es ging, und habe mich bemüht, Hausaufgaben zu machen. Von meinen Gastschwestern habe ich nicht besonders viel Hilfe bekommen, da sie oft mit anderen Sachen beschäftigt waren.

Anfangs war es schwer, sich an das gesprochene Japanisch voll mit Jugend-Slang- und Dialektwörtern zu gewöhnen, aber mit der Zeit konnte ich schon Gespräche meiner Mitschüler in den Pausen lauschen und manchmal ganz unerwartet Kommentare geben, sodass sie oft staunen mussten.

Zwei Mal pro Woche hatte ich private Japanischstunden, bei denen ich meine Lehrerin alles fragen konnte, was ich im Wörterbuch nicht fand. Manchmal musste sie lange überlegen, um das eine oder das andere Wort zu erklären, oder sie hat gelacht und mich gefragt, wo ich solche Vokabeln her habe. Zum Slang gehören Wörter wie Yabai (beschreibt eine unangenehme Lage oder gefährliche Situation) – meine Lehrerin hat das Wort so erklärt: „Students are always in Yabai-situations!“, Meccha (=sehr, total), Osu (=Guten Morgen, eine Abkürzung von Ohayo gozaimaSU) usw. Zum Tokushima- Dialekt gehören unter anderem Ikeru (=OK, statt Daijoubu), chichai (=klein, statt chiisai), ken (=weil, statt kara).

Mathe, Kunst, Englisch, Naturwissenschaften, Home Economics, Computer, Sport etc. habe ich ohne Probleme mitgemacht und auch an den Prüfungen am Ende des Trimesters erfolgreich (mehr als 60%) abgeschnitten. Der Geschichtstest war schwer. Während des Japanisch- und Politikkundeunterrichts durfte ich mich in der Bibliothek mit eigenen Dingen beschäftigen. Da gab es auch einen Computer mit Internetzugang und so konnte ich fast jeden Tag mit Deutschland kommunizieren. (Meine Gastfamilien hatten keinen Computer!)

Am meisten hat mir der Fach 家庭科 (home economics)gefallen. Wir, auch Jungs, haben gekocht, genäht, uns wurde erklärt, wie man Wäsche wäscht, bügelt, Kranken und Älteren hilft, auf kleine Kinder aufpasst usw. Schade, dass es so etwas in Deutschland nicht gibt. Es gab auch interessanterweise Sporttheorie schriftlich. Da haben wir über Drogen, Medikamente, verschiedene Krankheiten usw. viel was gelernt. Auch sehr praktisch und hilfreich fürs Leben, finde ich.


NaJ:
Kannst Du uns einen typischen Schultag beschreiben? Hast Du an schulischen Klubaktivitäten teilgenommen?

Margarita: Am ersten September fing die Schule an. Zur Schule ging es mit Fahrrad. Ohne Fahrrad könnte ich in Ishii-cho gar nicht auskommen. Die Entfernungen waren auf dem Lande groß und außer Bus, der einmal pro Stunde fuhr, gab es keinen öffentlichen Verkehr. Erwachsene hatten ja Autos, wir Jugendliche mussten aber auch bei Regen mit einem Regenschirm in einer Hand, was eigentlich gegen die Verkehrsregeln war, aber es gab ja keine andere Möglichkeit, jeden Tag mit Fahrrad zur Schule zu kommen. Zum Glück hat es im Herbst und im Winter selten geregnet. (Die Regenzeit ist ja im Sommer.) Für jede Klasse gab es auf dem Schulhof eine große abgedeckte Fahrradstelle, die immer voll war, da fast alle mit Fahrrad kamen.

Der Unterricht ging jeden Tag von 8:50 bis 16:30, unterbrochen durch 35 Minuten Mittagspause. Ich besuchte eine gymnasiale Klasse, deswegen hatten wir oft extra Stunden, manchmal war das auch die 0. Stunde, die um 7:45 anfing. Ich durfte zwar in den Extra-Stunden fehlen, aber ich habe sie meistens doch mitgemacht, damit sich meine Gastschwestern nicht neidisch fühlten. Vor der ersten Stunde gab es jeden Tag zehn Minuten Lesen. Egal was, Hauptsache – lesen. Manche Schüler haben auch Kinderbücher studiert… Und während dessen, hatten die verspäteten Schüler noch schnell die Möglichkeit nachzukommen, bevor die eigentliche Stunde anfing. Es gab nur wenige Verspätungen. Japaner sind ja für ihre Pünktlichkeit bekannt. Nach dem Lesen gab es zehn Minuten KL. Die Klassenlehrerin hat über die Stundenplanänderungen, bevorstehende Kurztests usw. etwas gesagt und die Hausaufgaben eingesammelt.

Am Anfang jeder Stunde stehen alle Schüler nach dem Ruf des Klassensprechers: „Kiretsu! Rei!“ auf und verbeugen sich zur Begrüßung. Am Ende der Stunde wird das gleiche gemacht. Es gibt einen Gong, aber die Stunde beginnt und endet nach dem Wunsch des Lehrers und keiner packt frühzeitig ein oder geht raus.

Der Unterricht läuft in Japan überhaupt anders ab. Der Lehrer redet die ganze Zeit an der Tafel und mag es nicht, gestört zu werden. Währenddessen sind alle sehr leise und quatschen nicht. Die Schüler müssen zuhören und Notizen machen. Über die mündliche Mitarbeit ist da keine Rede. Wenn irgendwelche Arbeitsaufträge verglichen werden, müssen die Schüler nach der Sitzreihenfolge aufstehen und etwas sagen, aber melden tun sie nicht.

Drei Mal pro Trimester gibt es Prüfungswochen – eine ganze Woche werden nur Tests geschrieben, 3-4 Fächer pro Tag, je 50 Minuten. Das ist sehr stressige Zeit, da man gleichzeitig für alle Fächer lernen soll. Meine Gastschwestern haben manchmal bis 5 Uhr morgens gelernt! Aber es gab auch Schüler, die auch in der Zeit ganz kühl blieben, sie waren nach zwanzig Minuten schon fertig und haben…geschlafen!! Schlafen im Unterricht ist ein typisches Phänomen für die japanischen Schulen. Man darf schlafen, aber man darf nicht mit den Nachbarn quatschen. Wenn du keine Lust hast, schläfst und nicht alles mitbekommst, was der Lehrer sagt, ist es dein Problem – die Prüfungen sind für alle gleich. Hauptsache du störst andere, die was lernen wollen, nicht. Deswegen ist es so schön ruhig in den japanischen Schulen.

Nach der 6. bzw. 7. Stunde gab es jeden Tag wieder 10 Minuten KL, wobei die morgens eingesammelte Hausaufgaben an die Schüler zurückgegeben wurden. Danach haben alle Schüler täglich zwanzig Minuten lang die Schule sauber gemacht. Die ganze Schule, auch die Treppe, die Toiletten, der Schulgarten und der Hof, wurden gefegt. Die Fenster mussten wir auch sauber machen. Ich habe mich auf die Reinigungszeit immer gefreut, auch deswegen, weil die Schule danach sauber aussah. Meine Freundinnen und ich haben immer unten beim Eingang gefegt.

Im September gab es ein Kultur- und ein Sportfest in der Schule. Sie sahen unserem Tag der offenen Tür ähnlich, waren aber ausschließlich für die Schüler gedacht. Die Schüler haben sozusagen ein Fest für sich ganz allein gemacht. Alle Klassen hatten eine Woche unterrichtsfrei, um sich auf die Feste vorzubereiten (Dafür hatten wir keine Herbstferien.). An dem Kulturfestival traten musikalische AGs, eingeladene Musikbands und unsere Lehrer (in Gemüse und Fische verkleidet und Kinderlieder singend) auf und es wurden selbst gemachte Süßigkeiten und Snacks verkauft. Am Sportfestival mussten alle sämtlichen Schüler teilnehmen. Es gab viele lustige Wettkämpfe, wie 15 Leute gleichzeitig an einem Seil springen, und jede Klasse musste gemeinsam einen Tanz vorführen. Das war vielleicht der lustigste Tag meines Aufenthalts.

Es ist Pflicht, wenigstens eine AG mitzumachen. Die AGs dauern normalerweise eine Stunde nach dem Unterrichtsschluss. Es gibt so große Auswahl, was man da machen kann, auch Baseball, Bogenschießen, Sumo, Judo, Tee Zeremonie, Radio-Broadcasting, Koto spielen und, und, und… Die Schüler verbringen auch ihre Freizeit gerne in der Schule. Man darf sich nach dem Unterrichtsschluss mit eigenen Kunstarbeiten, z.B. bei Ölmalerei, Carving, Japanese Painting usw., weiterbeschäftigen.

Ich habe jeden Tag entweder im Orchester Geige gespielt oder im Chor gesungen. Fürs Manga-Zeichnen (mein Hobby) blieb einfach keine Zeit. Im Chor wollten mich die Musiklehrerinnen sehen, da sie zwei deutsche Lieder gesungen haben und von mir die richtige Aussprache hören wollten. Schwierigkeiten gab es mit Loreleys „Die Luft ist kühl und es dunkelt…“, da Sängerinnen den Unterschied zwischen U und Ü nicht verstanden und L nicht richtig aussprechen konnten.

Meine AGs waren reine Mädchengruppen, alle waren ganz lieb und nett zu mir. Wir hatten in diesen vier Monaten zwei große Aufführungen im Kulturzentrum Tokushimas (der Hauptstadt der Präfektur) und am Kulturfest in der Schule und ein paar Mal waren wir alle zusammen in einem Theater der Awa-Odori (traditionelle Tänze von Tokushima) und beim Grillen in einem Laden mit einem deutschen Namen: “Liebe Frau“.


NaJ:
Was machen japanische Kinder nach dem Unterricht? Verbringen Sie ihre Freizeit ähnlich wie ihre Altersgenossen in Deutschland?

Margarita: In Deutschland fängt der Nachmittag um ca. 15 Uhr an. Jugendlichen haben viel zu viel Zeit und wissen nicht wie sie sie vertreiben können. So sitzen sie stundenlang am PC, Fernseher, gehen shoppen oder in die Disco. An die AGs in der Schule und an die Hausaufgaben erinnern sich nur wenige. Die japanischen Schüler dagegen haben bis ca. 17 Uhr Unterricht und danach verbringen sie fast täglich eine Stunde in den AGs, was Pflicht ist. Neben Hausaufgabenmachen besuchen viele, wenn nicht über die Hälfte der Schüler, Juku, die Nachhilfeschule. Für den Spaß bleibt keine Zeit übrig. Am Wochenende spielen Japaner zwar auch gerne Videospiele und gucken fern, aber ihre meiste Jugendzeit verbringen sie am Schreibtisch, was die Pisa-Studie auch beweist.


NaJ:
Du warst ein halbes Jahr in Tokushima. Wie hat es Dir dort gefallen? Kannst Du uns einen Eindruck der Stadt geben? Hast Du in den Ferien Japan bereisen können und andere Städte kennen gelernt?

Margarita: Ich war nicht direkt in der Großstadt, sondern in einer kleinen Provinzstadt Ishii in der Umgebung von Tokushima. Das Städtchen lag in einem Tal zwischen zwei Bergketten. Die Berge waren nicht besonders hoch, aber sehr schön. Der Weg zur Schule lief zwischen Reisfeldern. Im Herbst konnte ich oft die Reis ernteten Bauern mit ihren Mini-Erntemaschinen und winzigen LKWs und die schönen weißen Kraniche auf den Feldern beobachten. Die Wege waren aber so schmal, dass man immer gut auf die kommenden Autos und mit Hunden spazierenden Fußgänger aufpassen sollte, sonst konnte man leicht in einen der Graben entlang der Felder geraten. Es gab in Ishii-cho auch einen Fluss, der aber sehr schmutzig war.

Es war nicht viel los da, alles war nicht so modern und lebhaft wie in den Großstädten. Am Anfang war ich ein bisschen enttäuscht, in einem Dorf gelandet zu haben, aber mit der Zeit habe ich Ishii und besonders die Menschen da, so offen und freundlich sie sind, sehr zu mögen begonnen. In der Präfektur ist es warm, im Sommer sogar heiß, aber dafür gab es im Winter keinen Schnee. Im Herbst konnte ich die Reisernte und im Winter die Kaki-Ernte sehen. Das Verkehrsmittel, das nach den Autos am meisten benutzt wird, ist das Fahrrad. Fast alle Schüler kamen so zur Schule. Ich habe auch ein Fahrrad von der Schule bekommen.

Alle drei meiner Gastfamilien waren sehr besorgt, dass sie mir nicht viel in Ishii zeigen konnten und haben mich oft am Wochenende in andere Städte wie Takamatsu, Kobe und in die Berge gefahren. Während meines Aufenthalts gab es da keine Ferien. Und andere Städte wie Tokio, Kioto, Osaka und Hiroshima habe ich vor dieser Reise schon mal kennen gelernt.


NaJ: Wie sieht die japanische Jugend Deutschland? Interessieren sich japanische Jugendliche für unser Land?

Margarita: Ehrlich gesagt, scheinen viele nicht zu wissen, wo Deutschland sich befindet. Ich wurde im August mehrmals gefragt, ob in Deutschland gerade Winter sei. Viele schwärmen von Europa, scheinen aber es nicht wirklich vorzuhaben, hinzureisen. Sehr viele waren noch nie im Ausland. Europa ist für sie ein geheimnisvoller Ort, der so weit liegt, wie für uns der Mond. Haben Sie vor eine Mondreise vorzunehmen? Ah, kommen Sie!!

Deutsche Fußballer sind unter Jugendlichen sehr bekannt. Besonders Ballack. Von Autos und Bier scheinen auch viele etwas gehört zu haben. Japaner mögen unsere Gummibärchen. Manche konnten mich sogar mit Guten Tag! begrüßen und sie lassen ihnen gerne weitere Phrasen beizubringen, wie Wie geht´s? und Tschüß. Wenn Japaner wissen, dass du aus Deutschland bist, fragen sie dich mit ganzem Interesse gründlich aus. Sie haben Interesse an Deutschland, aber für sie ist Deutschland eher ein Märchenland.


NaJ: Margarita, du bist eine passionierte Manga-Künstlerin. Hast Du Dich in Japan viel mit Manga und Anime beschäftigt? Konntest Du Dich dort inspirieren lassen?

Margarita: Zum Zeichnen bin ich wegen des Zeitdrucks in 5 Monaten kaum gekommen. Aber ich konnte sehr viele neue Ideen für meine zukünftige Mangas sammeln. Ich bin glücklich, dass ich nun auch die japanische Schule als Handlungsort verwenden kann, sodass es mir nicht mehr peinlich sein wird meine Mangas Japanern zu zeigen, da ich viel über das Schulsystem gelernt habe. Ich habe auch einige meiner Mitschüler schon als Charaktere entwickelt, aber zur Umsetzung meiner Geschichten werde ich wohl nicht früher als in den Sommerferien kommen, denn ich jetzt die fünf Monate des deutschen Schulprogramms nachholen muss.

Ich habe mir noch in Deutschland im Internet Mangas rausgesucht, die ich gerne in Japan auf Japanisch kaufen würde und ich habe sie auch gekauft. Auch zum Japanischlernen dienen sie als gute Lehrbücher. Doch in Japan bin ich auch zum Lesen nicht gekommen. Zu Anime stehe ich eher skeptisch, da die meisten schlechte Zeichenqualität haben, aber manchmal, wenn meine Lieblingsfiguren aus den Mangas in den Anime erschienen, habe ich die Serien doch geguckt.

Zurzeit interessiere ich mich für die japanischen Fernseh-Dramen und Filme. Sie dienen auch gut als Japanisch-Kurse. In der Nähe von der Schule in Ishii gab es einen Video-Verleih, wo ich öfters hingegangen bin.


NaJ: Gibt es etwas, das Dich in Japan völlig überraschte, da Du es nicht oder anders erwartet hast?

Margarita: Ich zähle einige Fakten auf, die mich überrascht haben:

- Als Ausländer zieht man viel Aufmerksamkeit an sich. Manchmal haben Autofahrer statt auf die Ampel auf mich geguckt. Ganz schön gefährlich!

- Englisch wird in der Schule auf hohem Niveau unterrichtet, doch nur wenige können es.

- Der Mond am Nachthimmel ist für die Japaner kein lachendes Gesicht, sondern ein Kaninchen. Ich habe öfters versucht mir ein Kaninchen vorzustellen, aber das klappte erst vor ein paar Wochen hier in Deutschland.

- Japaner halten ihre Hunde in Käfigen!! Zumindest, wenn Besucher kommen.

- Es gibt keine Herbstferien an der japanischen Schule!

- Sogar auf den Schultoiletten gibt es Klopantoffeln.

- Japaner rauchen viel weniger. Unter Jugendlichen ist Rauchen überhaupt sehr selten, keine Rede von Drogen.

- DIN-B3-Format der Papierbögen ist sehr verbreitet.

- Das japanische Fernsehen ist komisch. Es gibt zu viele Talk Shows für Erwachsene und im Vergleich zu der deutschen TV zu wenig News und amerikanische Seifenopern. Animes kommen immer abends von 19:00 bis 20:00 und danach kommen die Dramen bis ca. 23:00. Alles wird alle 10 Minuten durch die Werbung unterbrochen. Für mich war es ganz ungewöhnlich Sumo-Ringe, Baseball, American Football, das Neujahrskonzert der J-Pop und die Sesamstrasse in Japanisch zu gucken – es gibt ja in Deutschland nicht. Es gibt fast zu allen Sendungen Untertiteln, nicht nur für Schwerhörige, sondern für alle. Vor allen Kinderprogrammen werden die Zugucker aufgefordert den Raum, wo sie sich befinden, hell zu machen –das ist besser für die Augen.

- Besonders junge Japaner machen den Eindruck, ohne Keitai (Handy) nicht mehr leben zu können. Auch in den Schulpausen beschäftigen sie sich lieber damit, als mit ihren Freunden.

- In Tokushima ist subtropisches Klima und die Fauna ist auch anders als in Berlin. Einmal bin ich einer 10 cm großen Spinne begegnet….

- In den japanischen Häusern gibt es keine zentrale Heizung und im Winter kann es sehr kalt werden. Wenn nicht Kotatsu (Tisch mit eingebauter Heizung) und Eakon (air condition), kann man buchstäblich erfrieren.

- Computer mit Internetzugang ist in Japan eine Seltenheit. Keine meiner drei Gastfamilien hatten diese Seltenheit zu Hause. Ich durfte aber zum Glück den Schulcomputer benutzen.

Es gab noch viel mehr Überraschungen, aber wenn ich alles, was ich erlebt habe, aufschreibe, wird das ein ganzes Buch werden.


NaJ: Was würdest Du deutschen Jugendlichen raten, die für ein Austauschjahr oder nur zu Besuch nach Japan reisen? Gibt es etwas, was man unbedingt tun bzw. unterlassen sollte?

Margarita: Es gibt nichts Schöneres als seine Schuljahre auf einer japanischen Schule zu verbringen. Dabei kann man sich durch die Gastfamilien auch an den japanischen Alltag gewöhnen und dabei viel, viel über Japan lernen. Wer also vorhat, in der Zukunft irgendetwas mit japanischer Sprache oder Kultur zu tun haben, für den ist es die beste Möglichkeit in diese Welt einzusteigen. Natürlich hat man am Anfang Angst und Sprachprobleme, aber dann macht das Ganze so viel Spaß, dass man alle Nachteile vergisst.

Wenn man nur kurz nach Japan kommt, hat man nicht genug Zeit sich einzuleben.

Vor so einem Austauschjahr sollte man sich schon mit der Sprache ein bisschen auseinander setzen. Mit Englisch kommt man in Japan nicht weit. Es ist auch viel interessanter, z.B. im Unterricht dem Lehrer zuhören zu können, sich mit Älteren und kleinen Kindern, die kein Englisch können, zu unterhalten usw.

Ich empfehle allen: Macht unbedingt ein Austauschjahr in Japan!!


 Alle Fotos (c) Margarita Till

 

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