Botschaft von Japan |
Neues
aus Japan Nr.36
November
2007 |
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„Japan as it is“ oder die Sache mit den Krawatten |
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Ein Bericht über das Studienprogramm für Ortskräfte der diplomatischen Vertretungen Japans von Andreas Göbel |
Als Mitarbeiter der Botschaft von Japan in Berlin hatte ich Mitte September die Gelegenheit, in Japan an einem einwöchigen Studienprogramm des Außenministeriums teilzunehmen. Zwar hatte ich das Land bereits während meines Studiums kennen gelernt, aber das war sechzehn Jahren her, und inzwischen hatte sich auch Japan bestimmt verändert. So war ich denn auch vor dem Abflug recht gespannt auf das Wiedersehen mit Japan nach so vielen Jahren. Eine kleine Sorge bereitete mir allerdings noch die Kleiderordnung während des Programms. Die Aussicht, Japan bei hochsommerlichen Temperaturen wie in der Botschaft üblich mit Anzug und Krawatte zu bereisen, bereitete mir doch einiges Unbehagen. Kurz vor dem Abflugtermin aber gab es unerwartet Entwarnung: Da seit zwei Jahren in Japan die so genannte „Cool Biz“ Kampagne zur Reduzierung des Energieverbrauchs durchgeführt wird, gilt für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September die Empfehlung, die Klimaanlagen in den Büroräumen auf nicht unter 28 Grad Celsius einzustellen. Dafür wird den Berufstätigen erlaubt, ohne Jacke und Krawatte zur Arbeit zu erscheinen. Bei dieser Kampagne gehen die Behörden und somit auch das Außenministerium von Japan mit gutem Beispiel voran. Übrigens hatte bereits der Japanbesuch von Bundeskanzlerin Merkel Ende August diese von der Regierung geförderte Kampagne auch in Deutschland bekannt gemacht. Über den Hintergrund für den krawattenlosen Auftritt von Premierminister Abe bei der Zusammenkunft mit der Bundeskanzlerin in Toyko war auch in den deutschen Medien berichtet worden. Ich war daher ziemlich aufgeregt, als ich nach so vielen Jahren endlich wieder einmal - ohne Krawatte im Gepäck - nach Japan kam. Das achttägige Studienprogramm, an dem insgesamt zehn Ortskräfte aus zehn verschiedenen Ländern aus Europa, Asien und Afrika teilnahmen, umfasste eine Vielzahl unterschiedlichster Programmpunkte: Vorträge und Diskussionen mit den für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Beamten im Außenministerium, Besuche von Einrichtungen, die im Bereich der auswärtigen Kultur- und Informationspolitik Japans tätig sind (u.a. Japan Foundation, NHK und Foreign Press Center Japan), der Besuch einer kleinen Fabrik und einer Mittelschule sowie u.a. auch ein zweitägiger Abstecher nach Kyoto (einschließlich Homestay). Die Eindrücke, die dieses umfangreiche und äußerst vielseitige Programm vermittelte, waren selbst für jemanden, der zuvor bereits in Japan gewesen war, überwältigend.
Bei
den Zusammenkünften mit den zuständigen, überwiegend noch recht jungen
Beamten des Außenministeriums, waren alle Teilnehmer überaus angetan von
deren Kompetenz und Bereitschaft, Anregungen von Seiten der Ortskräfte
aufzunehmen. Ein weiterer Schwerpunkt des Studienprogramms bildete die japanische Popkultur, die insbesondere in Form von Manga und Anime mittlerweile Einzug in fast alle Länder der Welt gefunden hat. Der Besuch eines Produktionsstudios für Zeichentrickfilme in Tokyo sowie des Kyoto International Manga Museum vermittelten einen Einblick in dieses Genre, das für die internationale Öffentlichkeitsarbeit Japans zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine Diskussion mit Studierenden aus anderen asiatischen Ländern über den Einfluss und die Entwicklung japanischer Manga und Anime in ihren Heimatländern vermittelte den Eindruck, dass gerade die jungen Menschen in Asien in ihrer Wahrnehmung und Haltung in Bezug auf Japan positiv von der japanischen Popkultur beeinflusst werden. So ist es nicht verwunderlich, dass die Regierung von Japan die Verbreitung der Popkultur im Ausland als effizientes Mittel der Öffentlichkeitsarbeit entdeckt hat und nun aktiv fördert. Der kurze Abstecher nach Kyoto war dazu bestimmt, den Teilnehmern einen Einblick in die traditionelle Kultur Japans zu gewähren. Neben einem Besuch des Kinkaku-ji (Tempel des Goldenen Pavillons) standen eine Teezeremonie sowie eine Kimono-Vorführung auf dem Programm, bei der wir - ziemlich unerwartet - als Models fungierten. Schließlich bot der Aufenthalt in einer Gastfamilie die Gelegenheit, das Alltagsleben in einer normalen japanischen Familie näher kennen zu lernen - und nebenbei auch die japanische Küche einschließlich Sake und Bier. Insgesamt bot das Studienprogramm den Teilnehmern (auch denen, die bereits über Japan-Erfahrung verfügten) die wertvolle Gelegenheit, ihre Ansichten und ihr Bild von Japan zu bestätigen, zu ergänzen oder zu korrigieren. Darüber hinaus konnten wir viele neue Erfahrungen machen. Alle Teilnehmer waren mehr oder weniger überrascht über die vielfältige Art und Weise, in der sich Japan - in jedem Land ein wenig anders - präsentiert und in der es für sich wirbt. Und auch die Art und Weise, wie Japan in den einzelnen Ländern gesehen wird, unterscheidet sich oft in wichtigen Details. Als Beispiel sei hier nur der hohe Stellenwert eines Stipendiums für ein Hochschulstudium in Japan angeführt, um das sich jedes Jahr zahlreiche junge Menschen in den asiatischen Ländern bewerben. Auch dies ist eine Erfahrung, die den Teilnehmern des Programms bei ihrer weiteren Arbeit in den diplomatischen Vertretungen Japans helfen wird. Als Resümee dieser Reise lässt sich der Rat eines jungen Beamten an die Teilnehmer anführen: „Just convey Japan as it is.“ Schließlich noch ein paar Anmerkungen darüber, was sich in Japan gegenüber meinem letzten Aufenthalt vor sechzehn Jahren verändert hat. Natürlich hatte ich während der kurzen Zeit nicht die Möglichkeit, einen tieferen Einblick in all die Veränderungen zu bekommen, von denen u.a. die Medien berichten. Auf den ersten Blick scheint sich jedoch nicht so viel verändert zu haben. Der Alltag in Japan ist unverändert sehr effizient organisiert. Öffentliche Verkehrsmittel funktionieren genauso zuverlässig und pünktlich wie früher. Zwar sind viele Gebäude in Tokyo neu errichtet worden, aber dies hat keine Auswirkungen auf den Eindruck, den diese riesige Stadt auf einen macht. Nach wie vor findet man an fast jeder Straßenecke Getränkeautomaten, die eine Vielzahl unterschiedlicher Getränke anbieten, und trotz der hochsommerlichen Temperaturen sind darunter auch einige heiße Getränke. Erstaunlicherweise sind die Preise gegenüber früher nur wenig gestiegen. Ein kleiner Unterschied fiel mir dann doch auf: Während es früher insbesondere in der Nähe der Bahnhöfe lange Reihen von Münzfernsprechern in den verschiedensten Farben gegeben hatte, musste man nun lange nach öffentlichen Telefonen suchen. Der Grund ist eindeutig: Handys werden in Japan noch intensiver genutzt als bei uns. Mit einigem Staunen beobachtete ich vor allem junge Japaner, die selbst im dichtesten Gedränge der morgendlichen und abendlichen Rushhour stets ihren Blick auf das Display ihres Handys gerichtet hatten, ohne dabei mit anderen Menschen zusammenzustoßen. Auch in den U-Bahnen sieht man nun viele Fahrgäste, die gleich, nachdem sie einen Platz gefunden haben, ihr Handy aufklappen, um den Eingang neuer Nachrichten zu prüfen oder selber Mitteilungen zu verfassen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch immer noch viele Menschen, die die Fahrt zur Arbeit zum Lesen eines Buches nutzen. Ein weiterer Unterschied, der mir auffiel, ist, dass viele Hinweisschilder, die auf bekannte Sehenswürdigkeiten und Attraktionen verweisen, nun nicht mehr nur in Japanisch und Englisch, sondern auch in Chinesisch und Koreanisch abgefasst sind. Wenn ich unmittelbar nach dem Ende des täglichen Programms noch rasch in ein Kaufhaus eilte, um einige Souvenirs zu kaufen, konnte ich auch hören, dass die Lautsprecherdurchsagen, mit denen die Kunden über den unmittelbar bevorstehenden Ladenschluss unterrichtet werden, inzwischen ebenfalls viersprachig sind. Diese zunehmende „Internationalität“ mag auf Tokyo und vielleicht noch auf Kyoto beschränkt sein, trotzdem ist dies sicherlich ein Zeichen dafür, dass in Japan die Zahl der Besucher gerade aus anderen asiatischen Ländern erheblich zugenommen hat.
Und
schließlich war da noch die Sache mit den Krawatten. Tatsächlich sah man im
Außenministerium während des Studienprogramms keinen einzigen Beamten, der
eine Krawatte trug. Auch bei den meisten anderen besuchten Einrichtungen
waren Krawattenträger eindeutig in der Minderheit. Vor dem Eingang zur
Kantine von NHK, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Japans,
ermunterte sogar ein Hinweisschild die Vorgesetzten dazu, ihre Krawatte
abzulegen, um ihren Mitarbeitern ein gutes Beispiel zu geben. (Einer Umfrage
zufolge zögern fast 96 % aller Mitarbeiter die Krawatte abzulegen, wenn der
eigene Vorgesetzte weiter Krawatte trägt.) Eine Ausnahme bildete die
besuchte Mittelschule. Der Schuldirektor war der einzige männliche
Erwachsene, der keine Krawatte trug. Darauf angesprochen, verwies er auf
seine Vorbildfunktion als Leiter einer öffentlichen Einrichtung. Die
Regierung habe das Ablegen der Krawatten empfohlen, daher folge er mit gutem
Beispiel, während die Lehrer zu sehr „Gentlemen“ seien. Wahrscheinlich
spielt aber auch ihre Funktion als Vorbild für die Schüler eine Rolle. Man
sieht also: in Japan hat sich manches geändert, anderes ist hingegen
gleichgeblieben.
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