Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.40                                 März 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht eines Teilnehmers am JET-Programm:

Als Deutsche im „inaka

 


Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich über 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder als Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen zu assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer, ein Basketballtrainer sowie 16 Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) aus Deutschland. Eine von letzteren lebt und arbeitet bereits im vierten Jahr in Japan; ihren Bericht aus der Präfektur Ishikawa können Sie hier lesen:

Wenn ich z.B. in Tokyo Japaner kennen lerne und erzähle, dass ich in der Präfektur Ishikawa lebe, höre ich immer: “Da ist die Natur sicher sehr schön.” Übersetzt heißt das soviel wie: Da ist bestimmt nichts los.

Ja, mein Wohnort Kahoku in der Präfektur Ishikawa ist eindeutig “inaka”, “auf dem Land”. Bei Ishikawa handelt es sich um eine Landzunge, die recht prägnant an der japanischen Westküste liegt. Man “verirrt” sich also nicht einfach nach Ishikawa, und man befindet sich auch nicht auf der Durchreise nach irgendwo anders. Hierher kommt man nur, wenn man etwas hier zu tun hat. Und das habe ich. Seit August 2005 arbeite ich hier als CIR (Coordinator for International Relations). Oft werde ich gefragt, was mir hier so gefällt, dass ich meinen CIR-Vertrag um ein viertes Jahr verlängert habe.

Meine Arbeit als CIR ist so vielfältig, dass man sie nur schwer kurz zusammenfassen kann. Sie reicht von Vorträgen zu Deutschland bis zur Einladung in die Schulkantine, wenn es “deutsches Essen” gibt. Ich besuche Kindergärten, erzähle den Kindern über Deutschland und bastle und spiele mit ihnen. Zweimal die Woche gehe ich nachmittags in eine Grundschule und nehme mit den Schülern gemeinsam an Veranstaltungen teil, die ihnen die japanische Kultur nahebringen sollen. Dort lerne ich nicht nur die Grundlagen von Teezeremonie, Ikebana, Shogi und Go, sondern auch implizit sehr viel über die japanische Kultur. Z.B. dass ein Großteil des sozialen Miteinanders bei japanischen Grundschülern über “Janken” (Stein-Schere-Papier oder Schnick-Schnack-Schnuck) geregelt wird.

Außerdem bin ich für die Betreuung der deutsch- und englischsprachigen Homepages von Kahoku zuständig (www.city.kahoku.ishikawa.jp), in deren Rahmen ich viele japanisch-deutsche und japanisch-englische Übersetzungen mache, und bin Schnittstelle für die Kommunikation zwischen den nicht-japanischen Englischlehrern und der Stadt. Ich regele die Korrespondenz zwischen Kahoku und der deutschen Partnerstadt Messkirch. Diese Partnerstadtbeziehung besteht schon seit über 20 Jahren, und es gibt sehr viele Leute in Kahoku, die bereits in Messkirch waren und umgekehrt. Wenn Delegationen aus Messkirch kommen (jedes zweite Jahr), dolmetsche ich, und wenn Delegationen nach Messkirch fahren (jedes zweite Jahr), fahre ich mit und dolmetsche dort ebenfalls. Einmal pro Woche unterrichte ich Deutsch für interessierte Bürger. Und da der partnerstädtische Austausch mit Messkirch sehr intensiv und wohlgepflegt ist, ist das Interesse an Deutschland in Kahoku traditionell sehr hoch und diese Kurse sind gut besucht.

In meiner “Abteilung für lebenslanges Lernen”, komme ich mit allen gut aus, weil sich beide Seiten bemühen, die Kultur des Anderen zu respektieren. Vor Arbeitsbeginn fegen wir gemeinsam den Büroboden oder schippen im Winter Schnee. Danach ist es meine Aufgabe, Tee zu servieren. Ich serviere jeden Morgen Tee, meine Kolleginnen mittags und nachmittags, Männer nie. Das Teemachen nutze ich zu einer Plauderei mit meinen Kolleginnen, so kriege ich immer den neuesten Klatsch mit. Natürlich habe ich viele der Annehmlichkeiten in meinem Job meinen CIR-Vorgängerinnen und -Vorgängern zu verdanken. Und viel von dem Verständnis und Wohlwollen, das mir als Deutscher entgegegengebracht wird (sowie dem CIR-Job überhaupt) der Partnerstadtbeziehung mit Messkirch.

Auch in meiner Freizeit wird mir nicht langweilig: im Sommer schwimme ich im Meer, das 10 Minuten zu Fuß von meiner Wohnung entfernt ist, und im Winter gehe ich in den ausgezeichneten Skigebieten der Präfektur Snowboarden. Mein großes Hobby sind japanische TV-Serien, die ich mir in der Videothek ausleihe, und von denen ich gar nicht genug kriegen kann (nach stundenlangem so geartetem Genuss beruhige ich mein Gewissen immer damit, dass das “ja auch Lernen” ist). Auch japanisches Fernsehen interessiert mich sehr, obwohl oder gerade weil ich mich manchmal doch sehr darüber wundere. Die Präfektur Ishikawa ist außerdem für ihren Fisch berühmt. Und im Eigenversuch habe ich festgestellt, dass man in einem Sushi-Restaurant hier tatsächlich besseren Fisch fürs Geld bekommt als sonstwo in Japan.

Egal wohin ich gehe, werde ich natürlich als Ausländerin wahrgenommen und teils neugierig, teils kritisch beäugt. Viele scheinen sich zu fragen, wie ich hier überleben kann. Dass ich hier ein normales Leben führe und meinen japanischen Altersgenossinnen in Fähigkeiten und Aktivitätsradius in nichts nachstehe, stößt manchmal auf Verwunderung. Als ich z.B. meinem Zahnarzt erzählt habe, dass ich mit dem Auto nach XY gefahren bin, konnte er nicht fassen, dass ich erstens ein Auto besitze und mich zweitens alleine auf Japans Straßen wage. Auch ist es vielen Japanern hier unbegreiflich, wie ich als Ausländerin von Anfang an keine Probleme mit dem japanischen Essen gehabt haben konnte, ja sogar rohen Fisch essen kann. Natürlich ist es anstrengend, immer wieder auf dieselben Dinge angesprochen zu werden. Die Verwunderung auf japanischer Seite, wenn ein Ausländer Essstäbchen benutzen kann, kennt wohl jeder, der schon einmal in Japan war. Wenn ein Ausländer z.B. im Restaurant auch nur “arigatou (danke)” sagt, wird er wegen seines exzellenten Japanisch gelobt. Ich werde oft gefragt, was ich von japanischem Bier halte, und ob die Würstchen in Deutschland anders schmecken. Und wenn ich einkaufen gehe, gucken Leute auffallend häufig in meinen Einkaufswagen, neugierig, was ich wohl so esse. Ich habe oft das Gefühl, dass mein Leben hier im “inaka” für die Japaner wundersamer ist als für mich.

Natürlich gibt es immer wieder Dinge, die mir nicht gefallen oder die ich nicht verstehe, sei es im täglichen Leben, am Arbeitsplatz oder im zwischenmenschlichen Umgang. Aber im allgemeinen finde ich mich sehr gut zurecht und fühle mich wohl hier. Auch auf deutsches Brot brauche ich nicht zu verzichten, denn in der Nachbarstadt backt ein Bäcker einmal im Monat Schwarzbrot, das ich dann in großen Menge kaufe, einfriere und bei Bedarf auftaue. Was mir hier wirklich fehlt, ist die gute alte deutsche Zentralheizung. Im Winter (und gerade ist leider Winter!) weiche ich meinem transportablen Ölofen nicht von der Seite.

Ob ich Deutschland vermisse? Ja, manchmal. Aber vorerst genieße ich einfach meine Zeit im “inaka”.

 

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