Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.41                                  April 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht eines Teilnehmers am JET-Programm:

Immer wieder Japan
- Oder wie ich zum JET kam

 


Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich über 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder als Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen zu assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer, ein Basketballtrainer sowie 16 Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) aus Deutschland.
Als Assistenz-Deutschlehrer arbeitet Johannes Kaumann in der Präfektur Saitama; er berichtet aus Saitama über sein Leben in Japan.

 

 

 

 

 

 

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Wie war das mit dem Tropfen, der ins Wasser fällt und dessen Wellen sich ausbreiten?
Manchmal breitet er sich besonders weit aus, verdunstet an einer anderen Stelle und regnet später erneut hinab – wobei wieder neue Wellen entstehen.
Einem ähnlichen Kreislauf habe ich es wohl zu verdanken, dass ich Teilnehmer des „Japan Exchange and Teaching“- Programms (JET) geworden bin, und mich zur Zeit der Aufgabe widme, japanischen High-School-Kids Deutschland und Deutsch näher zu bringen.

Um die Geschichte aber von Anfang an zu erzählen, so war mein „Tropfen“ ein Artikel in einer Göttinger Lokalzeitung vor gut 15 Jahren, nach welchem Gastfamilien für ein deutsch- japanisches Schüleraustauschprogramm gesucht wurden. Da ich mich damals brennend für japanische Kampfkünste interessierte, überredete ich meine Eltern kurzfristig, zwei Schüler einer insgesamt fünfzehnköpfigen Gruppe aus Kansai bei uns aufzunehmen. Ich merkte schnell, dass es sich um eine ganz besondere Erfahrung handelte. Ich glaube, es war vor allem die Tatsache, dass die Japaner so gut wie kein Englisch sprachen und wir deshalb völlig neue Wege der Kommunikation finden mussten, die uns Teenager innerhalb kürzester Zeit eng „zusammenschweißten“. Einen ähnlich emotionalen Abschied innerhalb einer Gruppe, nach nur drei Wochen, habe ich in meinem Leben nur noch ein einziges Mal wieder erlebt, nämlich im darauf folgenden Jahr, als ich als Teilnehmer desselben Austauschprogramms zum ersten Mal nach Japan flog.

Wenn ich heute darüber nachdenke, kann ich mit Sicherheit sagen, dass die Erfahrung mich und mein Leben als Siebzehnjähriger „umgekrempelt“ hat. Kurzum: Die Eindrücke waren so faszinierend und vielfältig, und meine Gastfamilie (die allen meinen damaligen Klischees von Japan widersprach) so unglaublich herzlich, dass ich seither die Sprache gelernt und stets meinen Weg nach Japan zurück gesucht habe: Über eine Volunteer–Stelle in einem Kindergarten in der Präfektur Saitama, ein Praktikum an einer deutschen Schule in Yokohama, ein Studienjahr in der Präfektur Aichi, ein Kunstprojekt in Tokyo ... ohne es wirklich zu realisieren, häuften sich plötzlich Jahre an, die ich neben meinem Lehramtsstudium in Japan verbrachte. Dass ich nach Beendigung meines Studiums zufällig im Internet über die Stellenausschreibung „Assistenzlehrer für Deutsch in Japan“ stolperte, ist wohl Ausdruck davon, dass sich meine Suche inzwischen unterbewusst verselbstständigt hat.

Deutsch an High Schools in Japan ist ungewöhnlich – etwa so ungewöhnlich wie Japanisch an deutschen Gymnasien. Ich denke, diese Tatsache ist für meine Arbeit hier ungemein prägend.
Zunächst einmal gibt nur sehr wenige Schulen, die meistens zwei, höchstens vier Stunden Deutsch pro Klasse und Woche anbieten. Deshalb bin ich auch gleich bei vier verschiedenen Schulen angestellt, die teilweise mehrere Stunden voneinander entfernt liegen. Die langen Fahrzeiten im Großraum Tokyo, sowie die Unregelmäßigkeit der Arbeitswoche stellen auch den anstrengendsten Teil meiner Beschäftigung dar.

Ansonsten überwiegen die Vorteile, ein „Exot unter den Fremdsprachenassistenten“ zu sein. So sind beispielsweise die Schulen, an denen ich arbeite, sehr interessant und recht experimentell angehaucht. Wenngleich sie sich in ihrer Atmosphäre jeweils stark voneinander unterscheiden, so haben sie doch eines gemeinsam: sie sind international ausgerichtet und wollen insbesondere den Fremdsprachenbereich etwas „anders“ machen. Teilweise werden bis zu sechs verschiedene Fremdsprachen angeboten und es sind bis zu zehn ausländische Lehrer beschäftigt. Dies hat den Hintergrund, dass die japanische Regierung festgestellt hat, dass die Fremdsprachen im internationalen Vergleich zu den Schwachpunkten der japanischen Schulbildung gehören, im Rahmen der Globalisierung und des wirtschaftlichen Wachstums aber ungemein wichtig sind.

Aus diesem Grund wurde auch das JET-Programm ins Leben gerufen, nach dem seit mittlerweile über 20 Jahren an vielen Schulen Fremdsprachen im „Team“ unterrichtet werden. Ein solches Team besteht aus einem japanischen Lehrer (zuständig für Grammatik und Text) und einem „Native Speaker“ (zuständig für Aussprache und Konversation). Meiner Erfahrung nach geht dieses Konzept unterschiedlich gut auf, im Deutschbereich vielleicht sogar besser als in Englisch. Denn in Englisch und anderen Hauptfächern trüben die oft sehr reglementierten Prüfungsvorgaben mit einer sehr starken Fixierung auf das Schriftliche den Vorteil der Teilnahme eines Muttersprachlers am Unterricht. Dies hat wohl vor allem mit dem sich über Jahrhunderte in Japan etablierten System der strengen schriftlichen Eintrittsexamen für die Universität zu tun. Die Schulen in Japan sehen es als eine ihrer Hauptaufgaben an, auf diese Examen vorzubereiten. Um noch mehr zu verbessern, müsste dieser Kreislauf meiner Meinung nach zuerst einmal durchbrochen werden.

Wie dem auch sei, Deutsch ist davon kaum betroffen, da es ein freiwilliges Wahlfach ist, in dem es kaum reglementierte Prüfungs- oder Unterrichtsvorgaben gibt. Dies wirkt sich mitunter sehr positiv auf die Motivation der Schüler und Lehrer aus, wie auch auf die gesamte Unterrichtsatmosphäre. Die Stimmung in meinen nur fünf bis fünfzehn Schüler fassenden Klassen (im Vergleich zu bis zu vierzig Schülern in den Hauptfächern!) ist sehr entspannt und gelöst, nicht selten ist ein ähnlicher „Zauber der Faszination“ für das noch unbekannte Ausland spürbar, wie er mir selbst noch aus der Zeit meiner ersten Kontakte mit Japan in Erinnerung geblieben ist. Dass einige Schüler regelmäßig zu mir ins Lehrerzimmer kommen, einfach nur um Fragen über Deutschland zu stellen, und teilweise sogar freiwillig ihre Zeit am Nachmittag opfern, um z.B. ein Tagebuch auf Deutsch zu schreiben, lässt mich abends oft mit dem wundervollen Gefühl einschlafen, tatsächlich ein paar „Wellen geschlagen“ zu haben.

Ich kann es nicht anders sagen: Die Arbeit macht unheimlich Spaß und ist sehr ausfüllend! Natürlich läuft nicht immer alles glatt, und es gibt auch für mich viel zu lernen. Ungewohnt waren z.B. einige Verhaltensweisen der Schüler im Unterricht, die auf kulturelle Unterschiede zurückgehen. So ist prägend für die japanische Kultur, dass in der Erziehung Sozialverhalten weit über die Fähigkeit gestellt wird, sich vor anderen alleine durchzusetzen und oft um jeden Preis vermieden wird, dass jemand vor anderen „bloßgestellt“ wird. Aus diesem Grund reagieren japanische Schüler auch teilweise sehr unsicher auf Situationen, in denen sie alleine vor anderen sprechen, diskutieren oder etwas präsentieren sollen. Da dies jedoch unabdingbare Fähigkeiten sind, um eine Sprache zu erlernen, liegt hier eine besondere Herausforderung, die viel Feingefühl erfordert. Auf der anderen Seite erlebe ich japanische Schüler tatsächlich als sehr sozial, mit einem sehr hohen Verantwortungsbewusstsein für andere. Dieses wird wahrscheinlich auch während der vielen spannenden Gruppenaktivitäten geschult, die am Nachmittag angeboten werden. Ich denke, hier könnte sich auch die deutsche Schulbildung noch einiges abschauen.

Trotz aller wertvollen Erfahrungen mit den kulturellen Unterschieden, die einen immer wieder über sich selbst und das eigene Land nachdenken lassen, bleiben mir jedoch insbesondere solche Momente im Gedächtnis, in denen man vergisst, sich im Ausland zu befinden. Momente, in denen man feststellt, dass es überall auf der Welt interessante, individuelle und humorvolle Charaktere gibt, ungeachtet ihres Alters, Geschlechts oder ihrer Religion.
In diesem Sinne kann ich jedem eine vergleichbare Erfahrung ans Herz legen!

Bewerbungsunterlagen für das JET-Programm finden sich übrigens ab Mitte September auf der Homepage der japanischen Botschaft in Berlin. Eine bereits bestehende Verbindung zu dem Land Japan, wie in meinem Fall, ist je nach Stelle übrigens nicht unbedingt von Nöten.

 

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