Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.49                           Dezember 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Interview mit Petra Nagel
2005-2008 in Takamatsu, Präfektur Kagawa

 

Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich fast 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen  assistieren. Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer und 15 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Lesen Sie hier ein Interview mit Petra Nagel, die die letzten drei Jahre in der Stadt Takamatsu in der Präfektur Kagawa auf Shikoku als CIR gearbeitet hat, und mit der Frau Sakaedani von Neues aus Japan (NaJ) anlässlich des JET-Ehemaligen-Treffens Ende Oktober in Berlin persönlich sprechen konnte:

 

 

 

 

 

NaJ: Frau Nagel, was war denn in Japan für Sie neu, besonders im Alltagsleben oder in den zwischenmenschlichen Beziehungen etc. - abgesehen von der Sprache?

Frau Nagel:
Bei der Arbeit war für mich zuerst einmal neu, dass wir in einem Großraumbüro mit 15 Leute
n gearbeitet haben. Der Lärmpegel war natürlich sehr hoch, aber ich habe dann auch schnell die Vorteile erkannt. Die Kommunikation geht viel schneller, man kann direkt seinen Gegenüber fragen, „Wie geht denn das?“ oder „Hast du da irgendwelche Tipps?“ Die Leute waren einfach sehr nah und greifbar. Ich habe z.B. am Anfang immer sehr genau zugehört, mit was für Höflichkeitsfloskeln die japanischen Kolleginnen Telefonate annehmen, so dass ich später selber - zumindest den Anfang und das Ende - immer ganz gut hinbekommen habe.

Japaner drücken sich manchmal nicht so direkt aus. Bei vielen Gesprächen musste ich hinterher noch mal nachfragen, „Heißt das jetzt das und das?“, oder „Soll ich jetzt konkret das und das tun?“ Manchmal ging mir da auch die Geduld aus, wenn mir nach einem langem Gespräch letztlich nicht klar war, was es nun konkret bedeutet. Ich habe dann wie meine Kollegen auch die Aussagen noch mal wiederholt und einfach gefragt, ob es das und das bedeutet.

Interessant fand ich den Umgang mit Besuchern und Gästen. Zurück in Deutschland war ich schon etwas erstaunt über die Art und Weise, wie Besucher behandelt werden. In Japan steht man selbstverständlich auf und geht hin, um zu fragen, ob man helfen kann. Man wird in Japan auch nie laut ... egal wie unverschämt der Kunde ist. Das fand ich schon spannend!

NaJ: Konnten Sie neue Ideen oder eigene Projekte einbringen bei der Arbeit?

Frau Nagel:
In einem gewissen Rahmen ging das, ja. Wenn z.B. klar war,
dass ich einen Vortrag halten muss, dann hatte ich da schon relative Freiheiten – z.B. bei den Inhalten – der Rahmen war aber vorbestimmt, den zu ändern war dann schon schwierig. Im ersten Jahr wäre ich aber auch gar nicht auf die Idee gekommen, eigene Projekte einzubringen. Ich war so beschäftigt, mich an alles zu gewöhnen und die Dinge auf die Reihe zu kriegen, die von mir verlangt wurden. Im 2. Jahr war das dann schon viel besser, und im 3. Jahr hatte ich dann schon Lust, das eine oder andere auf eine andere Art zu machen oder etwas ganz Neues. Das war nicht ganz leicht, und es war wegen der Hierarchie vor allem wichtig, wen man da als Erstes fragt, weil es ja dann alles seinen korrekten Weg nach oben geht.

NaJ: Sie haben sich anscheinend sehr gut angepasst und eingefügt. Wie konnten Sie z.B. diese Hierarchie in Japan akzeptieren?

Frau Nagel:
Ich kann ja Japanern nicht vorwerfen, dass sie japanisch sind! Es gibt Grenzen, aber jeder hat sein Ding und seine Welt, und das ist dann in Ordnung. Ich habe es mir abgewöhnt, so gut wie möglich jedenfalls, Urteile auszusprechen.

NaJ: Wie haben Sie Kontakte zur Japanern gefunden?

Frau Nagel:
Einmal über die Arbeit, man sitzt ja von 9
.30 bis 17.30 Uhr mit den Kollegen zusammen. Aber abends alleine zu sein, tat mir nicht gut, und so habe ich mir Sport gesucht – wie ja in Deutschland auch. Zuerst waren das dann nur Bekanntschaften, aber nach und nach sind einige Freundschaften daraus geworden, es dauert eben in Japan doch lange.

NaJ: Konnten Sie Ihre Kontakte nach Deutschland über die drei Jahre gut pflegen?

Frau Nagel:
Ja! Ach, gute Freunde, die behält man einfach. Nach dem Studium gab es ja für alle ein
en Umbruch, Telefonieren war wegen
der Zeitverschiebung schon schwierig, aber beim E-mailen ist es letztlich egal, wo man lebt. Ich habe neben meinen Eltern auch alle Freunde zu mir nach Japan eingeladen – das war mir schon wichtig. Meine Freunde und Bekannten haben auch vielfach durch Studium, Judo oder so Interesse an Japan, nur meine Eltern konnten nicht einmal Englisch, da musste ich dann ständig dolmetschen.

NaJ: Wie war das für Sie mit dem Dialekt in Kagawa?

Frau Nagel:
Im Büro haben alle Leute Hochjapanisch gesprochen, aber beim Sport war es manchmal schon schwieriger. Ältere Leute außerhalb der Stadt, wo es dann rasch sehr ländlich wurde, habe ich wegen ihres starken Dialekts z.T. bis zum Schluss nicht verstanden.

NaJ: Ist es auf dem Land nicht um einiges konservativer?

Frau Nagel:
Viele sagen
, Takamatsu sei so ländlich, aber es ist eigentlich eine große Stadt. Sie ist gut zum Wohnen, es ist alles da. Tokyo oder so ist interessant, aber nach ein paar Tagen wird es schnell zu viel. Es gibt weniger Ausländer in Takamatsu, man wird schon mehr angeschaut auf der Straße ... Ich denke, für Japanerinnen ist es sicher um einiges strenger als in einer Metropole. Aber als Ausländerin falle ich da eh schon ein Stück weit raus. Wenn ich etwas gemacht habe, das nicht so ganz konservativen Vorstellungen entspricht, dann bin ich ja immer noch Ausländerin! Da habe ich mir dann gesagt, das ist jetzt im positiven Sinne mein „Ausländerbonus“. Für JETler, die in ganz kleinen Dörfern gewohnt haben, war das sicher noch etwas schwieriger als für mich in Takamatsu.

Heiraten ist in Japan z.B. immer ein Thema und ich habe dann erklärt, dass man in Deutschland nicht so früh heiratet, und mir auch von meiner Mutter empfohlen wurde, erst mit einem Mann vorher zusammen zu leben und sich wirklich gut kennen zu lernen bevor man heiratet.

NaJ: Das ist dann Internationalisierung, wenn die Leute andere Werte kennen lernen!
Wie war das mit Urlaub nehmen? Bekamen Sie z.B. Überstunden vergütet?

Frau Nagel:
Überstundengeld habe ich nicht bekommen, aber ich konnte sie mit Freizeit ausgleichen.

Einmal wollte ich nach New York fliegen, weil ein Freund von mir da geheiratet hat, das war dann schwierig. Urlaub für
eine Reise nach Hause nach Deutschland zu bekommen war nie ein Problem, aber ansonsten so weit weg zu fliegen und an so einen gefährlichen Ort ... war schwierig ... es ging allerdings dann schon, wenn man genau hinterließ, wann und unter welcher Telefonnummer erreichbar war. Manche JETler fühlten sich kontrolliert, oder fanden es lästig, dass man sich immer abmelden muss, aber ich dachte, so weit kann ich ihnen entgegen kommen, dafür dass ich dann meinen Urlaub nehmen kann wie ich will.

NaJ: Was hat Sie in den drei JET-Jahren besonders geprägt?

Frau Nagel:
Das
Prägendste im zweiten und dritten Jahr war der PA-Job, also der Prefectoral-Advisor-Job, (Anm. der Redaktion: der PA ist ein interner Ansprechpartner für alle JETler der Präfektur und damit Teil eines Unterstützungssystems innerhalb des JET-Programms in Japan).

Es kam nur drei oder vier Mal vor, dass wirklich schlimme Probleme an mich herangetragen wurden, die mir dann aber auch fast den Schlaf geraubt haben. Z.B. war eine Frau zu Weihnachten in Thailand gewesen und kam dann zu mir und sagte, sie befürchte, sie habe sich Aids geholt. Man muss ja dann drei Monate warten, bevor ein Test etwas nützt. Ich habe beim Gesundheitsamt und Krankenhaus für sie angerufen. In der Wartezeit war sie durch die Angst wirklich stark psychisch angegriffen. Ich habe sie damals gefragt, ob ich sie nicht an jemanden Professionellen weiterleiten soll, aber das wollte sie auch nicht. Zum Glück war dann nichts!

NaJ: Wie sind Sie zu dem Prefectoral-Advisor-Job gekommen?

Frau Nagel:
Ich wurde gefragt, ob ich das nicht machen möchte. Es gab mehrere dreitägige Fortbildungen in Tokyo durch professionelle Psychologen. Man blieb aber natürlich nur erste Anlaufstelle und sollte auch klar sagen, wenn man überfordert ist, und dass man dann die- oder denjenigen an andere Stellen bzw. Profis weitervermitteln möchte.

NaJ: Gab es durch die drei Jahre auch einen Einfluss auf Ihre innere Entwicklung ?

Frau Nagel:
Ja, auf jeden Fall. Ich habe festgestellt,
dass alles immer irgendwie klappt.
Man wird vor eine Aufgabe gestellt, man hat das noch nie gemacht und dann macht man sich Gedanken, fragt andere um sich herum und fängt einfach an. Und meistens klappt es dann auch irgendwie. Und auch wenn etwas nicht hundertprozentig klappt, geht trotzdem die Sonne am nächsten Tag wieder auf!

NaJ: Sie haben Gelassenheit entwickelt?

Frau Nagel:
Ja, und mein Selbstvertrauen hat sich entwickelt. Dann denke ich, dass ich ein Stück geduldiger geworden bin - auch mit mir selbst. Man kann in Japan plötzlich lauter Dinge nicht mehr alleine, die man in Deutschland selber
machen kann, wie Ämtergänge zum Beispiel. Alles dauert länger. Man muss dann einfach mit sich geduldiger sein und auch mit seiner Umgebung. Inwieweit ich mich dort entwickelt habe, werde ich aber wahrscheinlich erst nach einem größeren Zeitabstand richtig verstehen. Man merkt auch, was man an Deutschland hat. Man muss wohl einmal richtig rauskommen um zu verstehen, was man an seinem Zuhause und an seiner Familie hat.

NaJ: Hätten Sie nicht noch länger in Japan bleiben wollen?

Frau Nagel:
Eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben. Dann dachte ich, jetzt läuft es gerade mal gut, jetzt bleibst du noch. Vom 2. zum 3. Jahr habe ich schon gezögert, weil mir war klar, für immer will ich nicht in Japan bleiben, das heißt, irgendwann mus
ste ich den Absprung schaffen.

Je länger man weg ist, und je älter man wird, desto schwieriger wird ja auch der Wiedereinstieg in Deutschland. Deswegen habe ich dann auch gleich entschieden, danach nicht noch einmal zu verlängern.

NaJ: Haben Sie abschließend noch ein kurzes Fazit für uns?

Frau Nagel:
Die drei Jahre als JET in Japan waren eine nicht immer einfache aber auf jeden Fall schöne Erfahrung!

NaJ: Vielen Dank für dieses Gespräch!
 

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