Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.51                              Februar 2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Filme aus Japan

Onibaba

 

(Japan 1964, 100 Minuten)

Unter dem Titel „Hommage an Madame Kawakita“ schnürte das Kawakita Memorial Film Institute ein Paket japanischer Filmklassiker, das im Januar und Februar diesen Jahres im Arsenal Berlin präsentiert wurde.
Kashiko Kawakita gilt als Grande Dame des japanischen Films. Gemeinsam mit ihrem Mann Nagamasa Kawakita, der das renommierte Filmstudio „Toho“ gründete, das seinerseits die Filme Akira Kurosawas und die Anime des Ghibli-Studios produzierte, fällt ihr das Verdienst zu, in erheblichem Maße zur Verbreitung des japanischen Kinos im Ausland beigetragen zu haben. Die anlässlich des 100. Geburtstages von Kashiko Kawakita zusammengestellte Reihe setzte sich aus jeweils drei Filmen von acht Regisseuren und Regisseurinnen, darunter Akira Kurosawa, Nagisa Oshima, Kaneto Shindo, Shohei Imamura, Sumiko Haneda, Kon Ichikawa, Yoji Yamada und Seijun Suzuki, zusammen. Die Auswahl, die einen illustren Querschnitt durch das japanische Kino bot, war eine wunderbare Gelegenheit, Kinosensationen – wie z.B. den 1964 entstandenen Streifen „Onibaba – Die Töterinnen“ von Kaneto Shindo, von neuem zu entdecken.

Eine Sensation war Shindos Film bei seiner Premiere im Jahre 1964 zweifelsohne. Seine ungeschönte Darstellung von Gewalt und Sexualität war für die damalige Zeit beispiellos und hat selbst für uns hartgesottenen Kinogänger von heute nichts von seiner verstörenden Faszination verloren. Im vom Bürgerkrieg zerrissenen Japan des 14. Jahrhunderts leben zwei Frauen in einer kleinen Hütte inmitten einer Sumpflandschaft von mannshohem Zebragras. Verbunden sind die beiden durch einen jungen Mann, der bereits tot ist, wenn Shindo zu erzählen beginnt. Mutter (Nobuko OTOWA) und Schwiegertochter (Jitsuko YOSHIMURA) leben abseits der Gesellschaft, allein auf sich gestellt und sie töten. Sie töten fliehende, verletzte, versprengte Samurai und tauschen die erbeuteten Waffen, Rüstungen und Kleidungsstücke gegen Reis und Sake. Sie töten um zu überleben. Shindo zeigt uns in bedrückenden Bildern die Tristesse und Ereignislosigkeit dieses Kampfes ums Überleben, das Abstumpfen, die Sprach- und - abgesehen von den immer neuen Morden – die Ereignislosigkeit dieser Existenz. Erst mit der Rückkehr eines Gefährten des Getöteten (Kei SATO) wird diese Ereignislosigkeit durchbrochen und die fragile Notgemeinschaft zerfällt.

Shindos Film ist ein Antikriegsfilm, der den Zuschauer nicht einen Moment dem aktuellen Kriegsgeschehen aussetzt. Eine dunkle Rauchwolke am Horizont, das Hufgetrappel fliehender Reiter und zwei im Wasser treibende, verzweifelt aufeinander einschlagende Samurai symbolisieren den Krieg minimalistisch in all seiner Sinnlosigkeit und Morbidität. Die sexuelle Anziehung zwischen der jungen Frau und dem heimgekehrten Vagabunden ist der Gegenpol – der ungestüme, durch nichts zu bremsende Drang nach Leben. Inmitten einer Welt, die jedes soziale Gefüge und jedes individuelle Gefühl hat längst ersterben lassen, zeigt Shindo Sex von animalischer Wucht und gewalttätiger Begierde, seine Protagonisten lieben wie sie töten – zwanghaft und dem bloßen Augenblick verhaftet.
Als die ältere Frau letztendlich versucht, das Mädchen des nachts auf dem Weg zu ihrem Liebhaber mit einer Dämonenmaske zu erschrecken, nimmt das Grauen konkrete Form an. Die Maske lässt sich nicht mehr vom Gesicht lösen, der gefallene Mensch materialisiert sich zum bösen Geist und das Grauen endet erst mit dem Tod.
„People are both the devil and God. …they are truly mysterious”, sinnierte Shindo damals
in einem Interview. Damit hat er wohl unwidersprochen recht.

 

Fazit:

Erotischer Horrorklassiker, dessen klaustrophobische Atmosphäre inmitten wogender Zebragräser und frenetischer Taiko-Klänge noch heute für Gänsehaut sorgt.

 
 
 

 
 

J.G. (Diese Rezension stellt eine individuelle Meinung dar und vertritt nicht die offizielle Haltung der Botschaft von Japan)    

 

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