Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.53                                  April 2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bericht eines Teilnehmers am JET-Programm:

45 Minuten Deutschland zwischen Großem Bären und orangener Maus

 

Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich fast 5000 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer oder Sporttrainer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer und 15 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Lesen Sie hier den Bericht von unserem CIR Björn-Ole Kamm, der seit August 2008 in der Stadt Ichinomiya in der Präfektur Aichi lebt:

 

 

 

 

 

Byon-byon deha nai!“ (Ich bin nicht Dops-Dops) ist meistens einer der ersten Sätze, den ich meinen lachenden und kichernden SchülerInnen entgegenwerfe. Mein tatsächlicher Name ist leider für Japaner recht schwierig auszusprechen, weshalb ich mich in der Regel als Byohn vorstelle, was sehr leicht mit der japanischen Lautmalerei für einen hüpfender Ball zu verwechseln ist („byon-byon“). So ein Anfang gefällt insbesondere den jüngeren Kindern, die mit dem Kichern gar nicht mehr aufhören, wenn ich ihnen erzähle, dass mein Name zusätzlich auch noch großer Bär bedeutet und ich 189 cm groß bin. Da werden gleich mal die anwesenden Lehrer gezwungen, sich neben mich zu stellen.

Aber wo befinden wir uns eigentlich? In einer von über 60 Grundschulen der 380.000-Seelen-Stadt Ichinomiya in der Aichi-Präfektur, also so ziemlich in der Mitte Japans. Da es noch ein Dutzend anderer Ichinomiyas im ganzen Land gibt, bezeichnet man es auch gerne als Owari-Ichinomiya. Ichinomiya bedeutet so viel wie Erster Schrein bzw. Hauptschrein einer Provinz (vor 1885 gab es 68 Provinzen, die von den 47 heutigen Präfekturen abgelöst wurden). Mein Ichinomiya entstand im siebten Jh. n. Chr. um den Masumida-Schrein der damaligen Owari-Provinz – deshalb Owari-Ichinomiya. Seit dieser Zeit blüht in der Region das Weberei- und Textilhandwerk bzw. heute die Textilindustrie, was man auf den Segen von Yorozuhatatoyoakitsushihime-no-mikoto zurückführt (auch ich kann diesen Namen nicht aussprechen!), der Patronin der Webkunst und Mutter der im Masumida-Schrein verehrten Gottheit. Das hiesige Tanabata-Sternenfest, das hier auch zu Ehren dieser Gottheiten abgehalten wird, gilt als eines der schönsten Japans, so dass ich mich sehr darauf freue, mich im Juli unter die über eine Million zählenden Besucher zu reihen. Davor finden im Frühling noch viele weitere Feierlichkeiten in der Region statt – z.B. die verschiedenen Fruchtbarkeitsfeste – so dass bis Sommer fast jeden Monat etwas zu erleben sein wird.

Ichinomiya war Partner für Italien auf der Expo 2005 in Aichi. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur einen englischsprachigen CIR (Coordinator for International Relations) hier im Rathaus. Um besser mit Italien zusammenarbeiten zu können und weil man durch die Eingemeindung zweier anliegender Städte stark angewachsen war, wurde eine italienische CIR zusätzlich an Bord geholt. Deren Nachfolge als „Euro-CIR“ trat ich im Sommer 2008 an.
Der internationale Austausch verknüpft bis heute die Partnerschaft zu Italien mit der hiesigen Textilindustrie, so dass jedes Jahr eine Delegation der Fashion- und Designfakultät der Universität Venedig nach Ichinomiya kommt. Während wir CIRs hierbei im September als Dolmetscher aushelfen, besteht unsere Hauptaufgabe jedoch in Schulbesuchen, da wir dem Board of Education unterstehen.

Nun ist meine Teilnahme am JET-Programm nicht mein erster Japanaufenthalt. So wusste ich, dass zur gleichen Zeit der Expo auch das „Deutschlandjahr in Japan“ stattfand und die WDR-Maus hierfür als Maskottchen auftrat. Somit gibt es auch japanische Synchronisationen der Sendungen, die ich immer mal wieder in meinen Schulbesuchen einsetze. Die meisten Kinder kennen die „Sendung mit der Maus“, wissen aber nicht, dass diese aus Deutschland kommt. Daher fragen sie mich immer, warum ich die denn nun dabei habe.

Am Morgen eines Schulbesuchs werde ich (wie auch die kanadische CIR) von einem Taxi abgeholt und zur Schule gefahren – je nach Verkehr und Entfernung dauert das schon mal 40 Minuten. An der Schule angekommen, beginnt der Selbstvorstellungsreigen beim Schulleiter und vorm Kollegium. Ein Tee wird gereicht und dann geht’s los. Eigentlich sollen wir nur fünf Unterrichtsstunden halten, aber oft wollen die Schulen, dass wir allen sechs Klassenstufen einzeln unsere jeweilige Heimat vorstellen. Das geht manchmal ganz schön auf die Stimme!
Die betreuenden Lehrer haben vor dem Schulbesuch das Thema der Stunde bestimmt, wobei deutsches Essen der absolute Favorit ist. Habe ich jedoch die Möglichkeit, den Kindern direkt die Wahl zu lassen, dann haben sie sich bisher immer dafür entschieden, etwas über deutsche Schulen und den Alltag ihrer deutschen Altersgenossen zu erfahren. „Wie? Keine Hausaufgaben in den Sommerferien?!?“ „Schon um eins Schule aus?“ Da sich die Schulsysteme doch sehr unterscheiden, gibt es Vieles, was meine Zuhörerschaft dazu bringt aufzustehen und laute Fragen zu stellen (mit Ausnahme der Sechstklässler, die sind bereits über Reaktionen erhaben). Aber nichts stellt eine größere Trommelfellattacke dar als die Reaktion, wenn ich die erste deutsche Pokemon-Karte zeige. Dann ist die Hölle los! Die Kinder sind total erstaunt, wenn sie erfahren, dass ihre Lieblingsmanga und -anime (Zeichentrickfilme) auch in Deutschland beliebt sind. Da wollen sie gleich wissen, wie sich ihr favorisiertes Comic so schlägt, ob wir au
ch die Figuren haben und und und...
Zum Abschluss übe ich mit den Kindern
dann das Leisesein, wenn ich ihnen z.B. „Hänschen, piep einmal“ vorstelle.
Ob einmal 45 Minuten mit „Byon-Byon-sensei“ (Lehrer Dops-Dops) oder meiner kanadischen Kollegin pro Jahr genügen, um das erklärte Ziel zu erreichen, d
ie Kinder an die Ausländer in ihrer Mitte zu gewöhnen, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Ich hoffe jedoch, dass sie zumindest mitnehmen, dass ihre deutschen Altersgenossen ihnen eigentlich gar nicht so fremd sind.

Jetzt im Sommer werde ich zusätzlich noch ein mehrwöchiges Seminar für Erwachsene halten können. Im Anträge schreiben für so etwas sollte ich nun auch langsam geübt sein, da ich davor schon einen offiziellen CIR-Newsletter und ein Mini-Seminar bewilligt bekommen habe. Hier habe ich nicht nur die Chance, ein paar Stereotype über Deutsche aufzuweichen, sondern muss mich auch meinen eigenen festgefahrenen Vorstellungen stellen, wenn diese hinterfragt werden. Das ist erfrischend und hält den Geist auf Trapp. 30 weitere „One-Shots“, was im JET-Jargon heißt, dass man eine Schule nur einmal besucht anstatt wie bei den meisten ALT (Assistant Language Teacher) einer Schule dauerhaft zugeordnet zu sein, warten im nächsten Schulhalbjahr auf mich. Da ist das Planen und Durchführen eines mehrmaligen Seminars eine willkommene Abwechslung und auch Herausforderung. Ob ich hier auch mit einem gut platzierten „byon-byon“ die Teilnehmer werde begeistern können?

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