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Neues aus Japan Nr.63 Februar 2010

Mishima Yukio – Inbegriff von „Cool Japan“?

Ein Beitrag von Frau Prof. Dr. Hijiya-Kirschnereit, Ostasiatisches Seminar, FU Berlin

Wollte man den japanischen Schriftsteller mit dem höchsten internationalen Bekanntheitsgrad benennen, so fiele die Wahl wohl nach wie vor auf den Namen Mishima. Allem Anschein nach ist kein anderer japanischer Literat in so vielen Ländern so vielen Menschen aus unterschiedlichsten Schichten ein Begriff. Zweimal haben andere japanische Autoren, Kawabata und Oe, den Literatur-Nobelpreis erhalten. Doch selbst nun, wo eine jüngere Generation mit einzelnen Werken weit höhere Auflagenzahlen erzielt, ist es immer noch Mishima, der das Bild der modernen japanischen Literatur in der Welt wie kein anderer prägt.

Mishima – das ist für viele zuallererst ein visueller Eindruck, Erinnerung an Bilder von einem Mann mit muskulösem Körper, der mit entschlossen-grimmigem Gesichtsausdruck, ein Samurai-Schwert in der Hand, in einem japanischen Zimmer oder fast nackt im Schnee posiert. Sein Gesicht in Großaufnahme, den strengen Blick frontal in die Kamera gerichtet, eine Rose im Mund, oder Mishima, an einen Baum gefesselt, den nur mit einem Leinentuch bekleideten Körper von Pfeilen durchbohrt, in kunstvoller fotografischer Nachbildung von Guido Renis Gemälde des Heiligen Sebastian. Weniger häufig sieht man Bilder aus früheren Lebensphasen des Autors, etwa von seiner Hochzeit mit Yôko, der Tochter des bekannten Malers Sugiyama Yasushi, beim Anschneiden der Hochzeitstorte, oder man sieht die beiden auf der Fähre nach Staten Island, im Hintergrund die im Vergleich zu heute noch recht niedrige Kulisse der Wolkenkratzer von New York des Jahres 1960. Mishima ist zu diesem Zeitpunkt ein in Japan bereits sehr angesehener Autor, und auch im Ausland ist er nicht mehr unbekannt: 1957 waren seine Modernen Nô-Spiele in New York, 1958 dann auch in Hamburg, Bremen, Kiel, Heidelberg, Saarbrücken und Göttingen erfolgreich aufgeführt worden. Etwa zur gleichen Zeit erschienen auch die ersten Übersetzungen seiner Romane in westlichen Sprachen. Seit den 1960er Jahren gehört Mishima zu den meistübersetzten und international bekanntesten Autoren seines Landes, mehrfach wurde er für den Nobelpreis vorgeschlagen. Sein Schaffen ist so umfangreich wie vielfältig, es umfasst Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane, Gedichte, Dramen, darunter moderne Versionen europäischer wie japanischer Klassiker, wie auch kulturkritische Essays und scharfsinnige literaturtheoretische Schriften. Dennoch hat es den Anschein, als gehöre auch heute noch ein gewisses Maß an Überwindung dazu, sich ernsthaft mit diesem wichtigen Autor des 20. Jahrhunderts zu befassen, denn es schieben sich irritierende Bilder des Autors vor sein Werk, jene unzweifelhaft von starkem Narzissmus kündenden martialischen oder von sadomasochistischer Erotik durchtränkten Fotografien, von denen die Rede war, oder auch jene Bilddokumente, die am 25. November 1970 um die Welt gingen, als der Dichter seinem Leben nach einem missglückten Appell vor Soldaten der Selbstverteidigungsarmee, die traditionellen Tugenden zu wahren und den Tennô wieder in alte Rechte zu setzen, durch seinen spektakulären Freitod mit dem Schwert ein Ende setzte.

Seither sind vierzig Jahre vergangen. Die Erinnerung an das damalige Ereignis ist verblasst, aber dennoch lebt Mishima in seinem Werk weiter. Besonders faszinierend ist, wie sehr er namhafte Künstlerkollegen auf der ganzen Welt – Schriftsteller, Film- und Theaterregisseure, Komponisten, Choreographen und bildende Künstler - inspiriert hat, die seine Biographie wie auch seine Literatur zum Ausgangspunkt eigener Kreationen nehmen. Inzwischen wird Mishima allem Anschein nach auch in Japan von einer neuen Generation wiederentdeckt. Nachdem er lange Zeit aufgrund seiner bizarren und reaktionär eingeschätzten Aktivitäten abgelehnt worden war, scheint er sich, so die kürzlich geäußerte Ansicht eines japanischen Kritikers, in eine Ikone des ‚coolen‘ Japan zu verwandeln. Doch was macht eigentlich seine Faszination – und seine Problematik - aus? Warum hat er so viele Künstler in allen Sparten und Stilarten anregen können? Und was hat er uns heute noch zu sagen?

Diesen Fragen ist eine Tagung gewidmet, die die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zu Berlin gemeinsam mit der Freien Universität und dem Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin vom 18. bis 20. März 2010 veranstalten. Nähere Informationen zu der Tagung mit dem Titel MISHIMA! Worldwide Impact and Multicultural Roots finden Sie hier.

 

 


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