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Neues aus Japan Nr.64 März 2010

Regionen Japans - vorgestellt von Teilnehmern des JET-Programms

Miyazaki – Palmen und Gelassenheit

Jedes Jahr Anfang August machen sich junge deutsche Hochschulabsolventen auf den Weg nach Japan, um sich für die Internationalisierung Japans zu engagieren. Dies geschieht im Rahmen des Japan Exchange and Teaching (JET) Programms, mit dem jährlich ca. 4500 junge Menschen aus fast 40 Ländern hauptsächlich als Assistenz-Sprachlehrer in Schulen arbeiten bzw. in Rathäusern oder Präfekturverwaltungen außerhalb der großen Zentren wie Tokyo oder Osaka im Bereich Internationale Beziehungen assistieren.
Zur Zeit arbeiten zwei Assistenz-Deutschlehrer und 11 deutsche Koordinatoren für Internationale Beziehungen (CIR) in Japan. Inzwischen gibt es aber auch schon über 240 ehemalige deutsche Teilnehmer am JET-Programm.
Bis dato haben aktuelle und ehemalige deutsche TeilnehmerInnen für NaJ ihr Leben als JET und ihre Aufgaben und Erlebnisse beschrieben z.T. direkt von vor Ort, z.T. aus der Rückschau. Ab jetzt sollen in diesen Berichten schwerpunktmäßig ihre Einsatzregionen vorgestellt werden. Den Start macht diesen Monat Sascha Klinger mit der Stadt bzw. Präfektur Miyazaki; er ist dort seit August 2009 als CIR tätig:

Grüne Bergketten reichen nahezu bis an den mit Palmen gesäumten Sandstrand. Ich spüre die Energie der Wellen noch im ganzen Körper, als ich mit dem Surfbrett unterm Arm aus dem Meer komme. Es wird Mittag, Zeit zur Arbeit zu gehen. Mein Büro ist im Rathaus von Miyazaki, eine Stadt ca. in der Größe von Wuppertal oder Chemnitz im Osten von Kyûshû. Miyazaki ist etwas anders als das, was sich wohl viele unter Japan vorstellen. Nach der japanischen Mythologie stammt zwar der erste Kaiser aus Miyazaki, aber historische Bauwerke wie etwa in Kyoto findet man selten. Schreine, Sushi und Stress gibt es in Miyazaki natürlich auch, aber hier stehen eher Natur und Gelassenheit im Vordergrund. Meine Kollegen im Rathaus kommen durchaus mal fünf Minuten zu spät zur Arbeit, was woanders in Japan kaum vorstellbar ist. Dass ich meine Überstunden im Meer absurfen kann, ist wohl auch ein Privileg, welches woanders kaum möglich ist. Und laut Wetterstatistik ist Miyazaki der Ort mit den drittmeisten Sonnentagen in Japan. Dieses spezielle Potential wurde schon früh gefördert. In den 30er Jahren begann ein lokales Touristikunternehmen, die Strände mit Palmen zu bepflanzen. Die heute zahlreichen Palmenalleen geben dem Ort einen südseehaften Charakter.

 

Miyazaki

 

Bei älteren Japanern ist Miyazaki besonders als Hochzeitsreiseziel bekannt. Nachdem ein japanischer Kaiser 1962 seine Hochzeitsreise nach Miyazaki machte, entwickelte sich die Gegend zu einem regelrechten Mekka für Frischvermählte. 1974 gingen mehr als ein Drittel aller japanischen Hochzeitsreisen nach Miyazaki, es gab Hochzeitsreisesonderzüge von Kyoto. Die Tourismusindustrie wuchs steil. Und sie fiel tief, als in Japan Reisen nach Okinawa und ins Ausland möglich wurden, was viele Unternehmen in die Pleite stürzte.

Miyazaki
Diese Ruine von einem leer stehenden Hotel- komplex verschandelt seit über 20 Jahren einen der schönsten Strände von Miyazaki und erinnert mich an den Koloss von Prora auf Rügen. Im Laufe dieses Jahres soll sie endlich abgerissen werden.

Im neuen Jahrtausend ist die Tourismusbranche, neben der Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig in Miyazaki, wieder im Begriff, sich aufzurappeln. Dafür sind im Großen und Ganzen zwei Gründe zu nennen. Zum einen befindet sich Miyazaki derzeit im Miyazaki„Gouverneur-Boom“: Seit im Januar 2007 der japanweit hochbeliebte Schauspieler und Kabarettist Hideo Higashikokubaru sein Amt als Governeur der Präfektur Miyazaki antrat, pilgern seine Fans in Scharen ins Präfekturrathaus, welches seitdem 400.000 Besucher pro Jahr zählt, und Souvenirshops der Stadt konnten ihren Umsatz verfünffachen. Medienwirksam promotet Herr Higashikokubaru Miyazaki als Reiseziel im japanischen TV, und in zahllosen Geschäften, Hotels, Restaurants und wo auch sonst immer sich Touristen hin verirren könnten, findet man sein lebensgroßes Abbild, die Produkte der jeweiligen kommerziellen Einrichtung anpreisend. Ziel ist nun, den gegenwärtigen Trend aufrechtzuerhalten, auch wenn Herr Higashikokubaru sein Amt wieder verlässt.

Zum anderen setzt man erfolgreich auf den Ausbau von Trainingseinrichtungen für Profisport, wodurch zahlreiche Fans angelockt werden. Das milde Klima macht Miyazaki attraktiv als Wintertrainingsstätte für mehrere japanische Top-Baseballteams (Baseball ist die Sportart Nummer Eins in Japan). Zur Fußballweltmeisterschaft 2002 in Japan trainierten die deutsche und die schwedische Nationalmannschaft in Miyazaki. Abgesehen von solcherlei ausländischen Sondergästen trifft man in Miyazaki jedoch wenige Menschen nicht-japanischer Herkunft. Gegenwärtig sind nicht einmal 1400 Ausländer in Miyazaki registriert, ein Anteil von nur 0,4% (im Durchschnitt hat Japan einen Ausländeranteil von 1,7%). Darunter zählen immerhin sieben Deutsche, wovon zwei jedoch nur einen einjährigen Schulaustausch machen. Als „Koordinator für Internationale Beziehungen“, wie man meine Position hier ins Deutsche übertragen könnte, ist es somit weniger meine Aufgabe, mich mit den Sorgen meiner nicht-japanischen Kameraden zu beschäftigen, als vielmehr den Einheimischen Internationalität zu vermitteln. Zu diesem Zweck veranstaltete ich mit meinen Kollegen der „Internationalen Gesellschaft Miyazaki-City“ eine Weihnachtsfeier, bei der wir Weihnachtsplätzchen backten und deutsche Weihnachtslieder sangen. Das kam bei den überwiegend japanischen Teilnehmern ebenso gut an wie die Posterausstellung zum 20jährigen Mauerfall, oder mein Vortrag über das Oktoberfest mit Schunkel-Workshop. Weiterhin mache ich Übersetzungen, meistens vom Japanischen ins Englische, gebe Englisch- und Deutschsprachkurse und dolmetsche ab und an.

Im Gegenzug bekomme ich von Zeit zu Zeit Kostproben der einheimischen Traditionen, wie z.B. bei der jährlichen „Nackten Wallfahrt“ zum Aoshima-Schrein. Zu diesem Anlass machen Mitte Januar ca. 400 in traditionelle japanische Unterwäsche gekleidete Pilger bei unangenehmen Außentemperaturen einen Ausflug zum Schrein, wobei sie unterwegs im kalten Meerwasser für Gesundheit im neuen Jahr beten (oder bangen).

Miyazaki

 

Am JET-Programm kann man bis zu fünf Jahre lang teilnehmen – mein Vorgänger hatte diese Zeit bis zum Ende ausgeschöpft. Und auch ich denke, dass ich noch eine ganze Weile in Miyazaki bleiben werde…

 

Karte von Japan

 

 

FAKTEN ZU MIYAZAKI

Lage: Die Präfektur Miyazaki ist im Südosten Kyûshûs gelegen, welches wiederum die südöstlichste der vier japanischen Hauptinseln ist. Der Westen der Präfektur ist von einer Bergkette durchzogen, gekrönt vom Kirishima-Vulkan, der Osten mit der Präfekturhauptstadt Miyazaki-City schmiegt sich an den Pazifik.

Fläche: ca. 7,734 km²

Bevölkerung:  ca. 1.166.000

Klima: Ganzjährig mildes Klima und viele Sonnentage dank warmer Meeresströmungen

Links:

 

 

 


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