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Neues aus Japan Nr.64 März 2010

Berlinale 2010

Deutsche Untertitel für einen japanischen Film

Interview mit Isolde Asai, die im Rahmen der Berlinale den japanischen Film OTOUTO untertitelt hat

Auf der 60. Berlinale haben die Zuschauer auch dieses Jahr wieder die Möglichkeit gehabt, ausländische Filme in Originalsprache mit deutschen oder englischen Untertiteln zu sehen. So wurde u.a. eine Reihe japanischer Filme gezeigt. Auch beim offiziellen Abschlussfilm der diesjährigen Berlinale handelte es sich um einen japanischen Spielfilm: Otouto (Der Bruder) von Yoji YAMADA. Neues aus Japan sprach mit Isolde Asai, die die deutschen Untertitel für diesen Film gemacht hat. Frau Asai ist Übersetzerin und Dolmetscherin und hat 25 Jahre in Japan gelebt.

 

Wie sind Sie zu der Arbeit, Untertitel für japanische Filme zu machen, gekommen?

Isolde AsaiIn Japan habe ich oft für Verlage, die Deutschbücher herausgeben, die dazugehörigen CDs besprochen. In einem der Verlage lernte ich den Chef einer Firma, die auch mit Untertiteln zu tun hat, kennen. Dieser war verzweifelt auf der Suche nach jemandem, der so etwas machen konnte. Ich habe damals gesagt, dass mich diese Arbeit interessieren würde. Es war Zufall, dass der Mann genau zu der Zeit als ich für den Verlag gearbeitet habe, jemanden für die Untertitelung von Filmen gesucht hat. 1996 habe ich dann begonnen, in diesem Bereich zu arbeiten. Bis heute habe ich bereits 43 japanische Filme untertitelt, darunter unter anderem so bekannte Werke wie Tora-san (Anmerkung der Redaktion: Bei uns ist diese Filmreihe eher bekannt unter dem Titel Otoko wa tsurai yo.) und Kabei, der vor zwei Jahren auf der Berlinale im Wettbewerb lief. (Anmerkung der Redaktion: Regie führte bei beiden Filmen ebenfalls Yoji YAMADA.).

Wie sieht der Markt für japanisch-deutsche Untertitel aus?

Der Markt für Filmuntertitel ist in Deutschland nicht sehr groß, da hier viele ausländische Filme nicht mit Untertitel gezeigt, sondern synchronisiert werden. Hauptsächlich mache ich Untertitel für das Kulturinstitut in Köln und für Filme, die im Rahmen von verschiedenen Filmfestivals gezeigt werden, u.a. auf der Berlinale.
Ich wünsche mir, dass Deutsche noch mehr Filme mit Untertiteln sehen, denn nur im Originalton erschließt sich der ganze Reiz eines Films.

Sie haben die Untertitel für den diesjährigen Abschlussfilm der Berlinale Otouto gemacht. Wie lange hatten Sie Zeit für die Untertitel?

Der Film besteht aus 1543 Untertiteln. Gewöhnlich brauche ich für solch eine Anzahl an Untertiteln etwa eine Woche. In diesem Fall hatte ich aber nur drei Tage Zeit. An einem Montagnachmittag im Januar habe ich den Film erhalten und musste ihn dann bereits am Donnerstagmittag fertig untertitelt wieder abgeben. Da wurde dann auch schon mal die ganze Nacht durchgearbeitet.

Wie läuft Ihre Arbeit ab, und wie war es bei Otouto?

Ich denke, jeder hat seine eigene Vorgehensweise. Bei mir läuft es so ab, dass ich mir zuerst den Film einmal ansehe, um die Atmosphäre des Films erfassen zu können. Das erste Sehen des Films ermöglicht es mir, kleine Redewendungen, die oft nichts aussagen bzw. verschiedene Dinge meinen können – von denen gibt es im Japanischen einige – in den Zusammenhang einzuordnen und die entsprechende Übersetzung zu finden. So kann das japanische Wort hai, sowohl bejahende Bedeutung haben, aber auch so viel wie „Ich habe verstanden“ oder „Ich komme“ meinen. Die Nuance in solchen Fällen erschließt sich nur durch das Ansehen des Films. Nach dem ersten Sehen, teile ich das Drehbuch auf, so dass ich etwa 300-400 Untertitel pro Tag fertig mache. Am Abend schaue ich mir den Film nochmals an, um die fertigen Untertitel zu überprüfen. Wenn ich an einem Tag 300-400 Untertitel schaffe, ist das normalerweise gut. Aber weil für Otouto die Zeit so knapp war, habe ich 500 Untertitel am Tag erstellen müssen. Wie schon gesagt, gab es dieses Mal kaum Schlaf, weshalb ich Frau Prof. Dr. Stumpp um die Korrektur der Untertitel bat. Es litten also zwei Personen unter dem knappen Abgabetermin. Je enger der Termin, umso eher passiert es, dass sich der eine oder andere Tippfehler einschleicht oder ganze Untertitel verrutschen. Diese kleinen Fehler fallen mir dann spätestens auf, wenn ich die Korrektur-DVD bekomme. Die DVD zeigt den Film mit eingebrannten Untertiteln: das erste Mal sehe ich dann die Bilder zusammen mit den Texten.

Wie gefällt Ihnen der Film Otouto?

Der Film hat mich begeistert und er hat mich berührt. „Der Bruder“ ist äußerst feinfühlig und strahlt eine große Wärme aus. Er regt die Zuschauer zum Nachdenken über den Umgang mit den eigenen Eltern und mit Menschen an, die nicht in unser Gesellschaftssystem passen. Man wird selbstkritisch und fragt sich: „Wie mache ich das mit meinen Eltern?“ und „Guck ich Leute, die nicht in das Gesellschaftssystem passen, nicht auch immer etwas komisch an?“ Der Film wirkt dabei jedoch niemals belehrend auf die Zuschauer.
Yoji YAMADA besitzt eine Sensibilität für kritische Themen. So geht er schwierige Themen mit einer gesunden Portion Humor an, so dass sie den Zuschauer nicht erschlagen, und er im Nachhinein denkt, „Ach, den Film würde ich eigentlich gern noch mal sehen“.
Beeindruckt hat mich nicht nur die Herangehensweise von Yoji YAMADA, sondern auch die natürliche und einfache, und dabei überzeugende Art der Hauptdarstellerin Sayuri YOSHINAGA sowie aller anderen Schauspieler. Sayuri YOSHINAGA war bereits vor zwei Jahren im Film Kabei auf der Berlinale zu sehen. Auch dieser Film ist von Yoji YAMADA. Ich bedaure es sehr, dass dieser große Altmeister des Films und seine Werke in Deutschland nicht bekannt sind. Meiner Meinung nach werden insgesamt zu wenige japanische Filme in Deutschland gezeigt. Ich schätze die japanischen Spiel- und Dokumentarfilme über alles und finde es sehr schade, dass nur wenige in Deutschland bekannt sind.

Wie oft haben Sie Otouto gesehen?

Insgesamt habe ich den Film während der Fertigungsphase vier Mal gesehen. Und ich habe jedes Mal wieder aus Rührung weinen müssen, alle vier Mal. Und dann habe ich bei der Aufführung im Berlinale Palast noch einmal mein Taschentuch gebraucht.
Durch meine Filmarbeit habe ich einen Vorsprung vor dem allgemeinen Publikum. Ich sehe die Filme, bevor sie im Kino gezeigt werden. Umso wichtiger ist es für mich, meine Arbeit wirklich gut zu machen. Ich empfinde eine tiefe Verantwortung für das Werk selbst, den Regisseur sowie für die Schauspieler.

Was war das Schwierigste bei der Untertitelung von Otouto?

In Otouto gibt es verschiedene Leitmotive. Diese Leitmotive in den kurzen Untertiteln durchgehend mit den gleichen Umschreibungen darzustellen, war keine leichte Aufgabe. Aber oft sind es auch Kleinigkeiten, die einem Schwierigkeiten bereiten. Meistens handelt es sich um Sachverhalte, die es im deutschen Umfeld so nicht gibt. Beispielsweise bedankt sich die Tochter während der Hochzeitszeremonie bei ihrer Mutter mit den Worten Nagai aida osewa ni narimashita. Eine japanische Redewendung, die die Gäste alle zu Tränen rührt, weil das Gesagte mit tiefen Emotionen verbunden ist. Ins Deutsche übersetzt, erscheint dieser Satz jedoch relativ banal: „Vielen Dank, dass du dich so lange um mich gekümmert hast“. Es war eine kleine Herausforderung, eine deutsche Entsprechung zu finden, die den deutschen Zuschauern ebenfalls zu Herzen geht. Aber genau solche Schwierigkeiten machen die Arbeit interessant und aufregend. Für das Untertiteln von Filmen braucht es eine gewisse Sensibilität für die jeweiligen Sprachen. Ich denke, dass ich ein gewisses Gespür für beide Sprachen besitze: Deutsch ist ja meine Muttersprache und in Japan habe ich lange Zeit gelebt. Ich bin in beiden Sprachen zuhause.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Zur Person

Frau Isolde Asai wurde am 23. Juni 1957 in Süddeutschland geboren. An der Pädagogischen Hochschule Freiburg studierte sie Lehramt (Realschule) in den Fächern Deutsch und Katholische Theologie. 1981 zog sie nach Japan um. Sie arbeitete als Dozentin an der Literarischen Fakultät der Keio Universität, der Fakultät für Internationale Kommunikation der Hosei Universität und der Juristischen Fakultät der Waseda Universität. Darüber hinaus übersetzte sie japanische Lyrik, Prosa und Theaterstücke. Nach 25 Jahren in Japan kehrte sie 2008 nach Deutschland zurück. 2009 erhielt sie den JaDe-Preis für ihre Arbeit als Übersetzerin japanischer Filme und Literatur, die zur Sprach- und Kulturvermittlung maßgeblich beigetragen haben.

 

 


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