
Der „Weg“ (Dô) als wichtiger Begriff der traditionellen Kultur Japans wie z.B. Sadô, Kadô und Budô
Seit langem erfreut sich die traditionelle Kultur Japans auf der ganzen Welt außerordentlich großer Beliebtheit. Mit Blick auf die Zahl der aktiven Anhänger sind hier an erster Stelle die Kampfkünste wie Judô, Karate oder Aikidô, aber auch die Teezeremonie oder die Kunst des Blumensteckens (Ikebana) zu nennen. Im Rahmen des aktuellen Jubiläumsjahres „150 Jahre Japan-Deutschland“ findet auch eine ganze Reihe von Veranstaltungen in diesen Künsten statt. So wird es in diesem Monat z.B. Teezeremonien im Bundespräsidialamt sowie in der Residenz des Botschafters von Japan geben. Neues aus Japan nimmt dies zum Anlass, um einmal einen Begriff hervorzuheben, der allen traditionellen Künsten Japans gemeinsam ist, nämlich der Begriff des „Weges“ (道 sino-japanisch „dô“ oder reinjapanisch „michi“). Das breite Spektrum der „Wege“ in der japanischen Kultur reicht von der Teezeremonie (茶道 Sadô) über Kalligraphie (書道 Shodô), Duftzeremonie (香道 Kôdô) bis zur Blumensteckkunst (華道 Kadô) und den Kampfkünsten (武道 Budô) wie Bogenschießen (弓道 Kyûdô) oder Schwertfechten (剣道 Kendô).
Die Bezeichnung dieser Künste als „Weg“ deutet die religiöse Beziehung insbesondere zum Zen-Buddhismus an. In Bezug auf Motivation, Haltung und Übung sind die Künste von der Meditation des Zen angeregt. Während Zen auf die Erleuchtung abzielt, hat bei den angeführten Künsten im Laufe der Zeit der Aspekt der Kunstfertigkeit immer mehr an Bedeutung gewonnen.
Der „Weg“ stellt einmal die Tradition dar, ohne die eine Kunst nicht existieren kann. Zugleich weist dieser Begriff neben dem Beschreiten eines bestimmten Weges, also neben dem eigentlichen Praktizieren der jeweiligen Kunst auch auf das Gestalten eines solchen Weges hin. So wie beim Zen-Buddhismus die Erleuchtung nur durch intuitive Erfahrung erlangt werden kann, so ist es auch beim Streben nach Meisterschaft in der jeweiligen Kunst notwendig, der eigenen schöpferischen Freiheit beim Praktizieren keinen Raum zu geben. Denn die zu erstrebende wahre und echte Freiheit liegt in der Verneinung des eigennützigen Ich und in der Aufgabe jeglicher Willkür beim Praktizieren. Dies erfordert eine strenge Selbstschulung der Freiheit, wenn sie – und damit letztendlich auch die Meisterschaft – erreicht werden soll.
Sadô: Der Weg des Tees (茶道)
Die Teezeremonie (neben sadô auch als chadô oder chanoyu bekannt) ist die ritualisierte Zubereitung und das Servieren von grünem Pulvertee in Anwesenheit von Gästen. Eine formelle Teezeremonie in ganzer Länge umfasst eine Mahlzeit (chakaiseki) sowie das zweimalige Servieren von Tee (koicha und usucha) und dauert mehrere Stunden. Während dieser Zeit setzt sich der Gastgeber mit seinem ganzen Wesen für die Gestaltung einer besonderen Zeitspanne ein, in der er den Gästen ästhetisches, geistiges und physisches Vergnügen sowie Ruhe des Geistes zu vermitteln sucht.
Um dies zu erreichen, benötigt der Gastgeber unter Umständen Jahrzehnte, um sich nicht nur die vorgeschriebenen Prozeduren des Servierens von Tee in Anwesenheit von Gästen anzueignen, sondern auch um selbst zu lernen, wie man Kunst, Handwerk, Dichtung und Kalligraphie richtig wertschätzt. Dazu kommt eventuell noch das Erlernen der Kunst des Blumensteckens, das Zubereiten von Speisen und die Pflege des Gartens. Zugleich eignet er sich auf diese Weise zudem Würde, Selbstlosigkeit und ein Gespür für die Bedürfnisse anderer Menschen an.
Kadô: Der Weg der Blumen (華道)
Die Kunst des Blumensteckens, bekannter unter dem Namen Ikebana, beschränkt sich keineswegs auf Blumen. Vielmehr können dafür auch frisch geschnittene Zweige von Bäumen und Sträuchern, Ranken, Blätter, Gräser, Beeren, Obst und Samenkapseln, aber auch verwelkte und getrocknete Pflanzen verwendet werden. Tatsächlich kann jedes natürliche Material genutzt werden, und im modernen Ikebana werden sogar Materialien wie Glas, Metall oder Kunststoff verwendet. Als eine der traditionellen Künste Japans hat Ikebana eine symbolische Sprache, dekorative Konzepte sowie die Verwendung natürlicher kurzlebiger Blumen und Zweige entwickelt, die zusammengenommen die Dimension der Zeit zu einem integralen Bestandteil des Kreierens machen. Die Beziehung zwischen den verwendeten Materialien, die Stile des Arrangierens, Größe, Form, Oberfläche, Volumen und Farbe des Behältnisses sowie der Platz und der konkrete Anlass für das Arrangement sind entscheidende Faktoren. In seiner 500-jährigen Geschichte hat der Weg der Blumen ein breites Spektrum an Formen entwickelt, die von kleinen Kreationen als Zimmerschmuck bis hin zu ganzen Landschaften und innovativen Skulpturen reichen.
Budô: Der Weg der Kampfkünste (武道)
Die meisten japanischen Kampfkünste reichen in ihren Ursprüngen bis in die Vorgeschichte zurück. So kann etwa das Bogenschießen auf Pferden (yabusame) bis ins 7. Jh. zurückverfolgt werden. Die Samurai, die seit dem Ende des 12. Jh. an der Spitze der japanischen Gesellschaft standen, übten sich im Gebrauch der verschiedenen Waffen wie Schwert, Pfeil und Bogen sowie Lanze. Daraus entstanden im Laufe der Zeit standardisierte Stile bzw. Schulen, die auch während der friedlichen Edo-Zeit (1600-1868) bestehen blieben. Mit der Abschaffung des Samurai-Standes zu Beginn der Meiji-Zeit und der Einführung moderner Waffen erfuhren diese Künste jedoch einen Niedergang. Ab 1895 organisierte die Dai Nippon Budo Kai (Großjapanische Gesellschaft der Kampfkünste) die einzelnen Künste neu und betrieb ihre Eingliederung in das Bildungssystem, so dass sie eine neue Blüte erlebten. Heute betonen die einzelnen Kampfkünste Japans vor allem die positiven physischen und psychischen Aspekte als Sport.
In den Bezeichnungen der einzelnen Kampfkünste findet sich oft auch der Begriff Dô selbst wieder. So etwa in 柔道 Jûdô (Sanfter Weg), 弓道 Kyûdô (Weg des Bogens), 剣道 Kendô (Weg des Schwertes), 合気道 Aikidô (etwa: Weg der Harmonie mit der Energie) oder auch 空手道 Karatedô (Weg der leeren Hand).
Die Ausführungen zum Begriff Dô sind dem Japan-Handbuch, herausgegeben von H. Hammitzsch (1981), entnommen. Die Einführungen in Sadô, Kadô und Budô entstammen den entsprechenden Fact Sheets auf der Webseite von Web Japan.