
Traditionelles Kunsthandwerk aus Tohoku
In dieser Ausgabe von Neues aus Japan möchten wir den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die lange und vielfältige Tradition des Kunsthandwerks in Tohoku bieten, der Region, die seit dem schweren Erdbeben, dem anschließenden Tsunami und dem Atomunfall im vergangenen März so sehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der ganzen Welt steht. Auf diese Weise möchten wir einen kleinen Beitrag dafür leisten, dass man auch hierzulande diese sechs Präfekturen im nördlichen Teil der japanischen Hauptinsel Honshu besser kennenlernt, um so vielleicht ein wenig beim Wiederaufbau dieser Region helfen zu können.
Fukushima: Aizu-nuri Lackwaren
Aizu-nuri Lackwaren können auf eine 500-jährige Geschichte zurückblicken und werden vor allem aufgrund ihres farbenprächtigen Dekors geschätzt, zu dessen Herstellung spezielle Techniken verwendet werden. Mitte des 15. Jh. förderte der damalige Feudalherr, der das Gebiet der heutigen Präfektur Fukushima regierte, die Entwicklung von Lackwaren, indem er Handwerker für die Herstellung von Schalen in seine Provinz einlud, um hier die entsprechenden handwerklichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu verbreiten. Seine Nachfolger führten diese aktive Förderung der Produktion hochwertiger Lackwaren fort. Im Laufe der Zeit entwickelte sich so eine Technik der Herstellung von Goldreliefs, für die Gold- und Silberpigmente aus Kyoto verwendet werden. Diese Neuerung trug erheblich zur stetigen Entwicklung von Aizu-nuri bei. Die Produktplatte reicht heute von flachen Tabletts für Speisen, Schüsseln und Platten bis hin zu Stapelkästen (jubako). 1975 wurden Aizu-nuri Lackwaren in die Liste des traditionellen Kunsthandwerks aufgenommen.

Akita: Kaba-zaiku Handarbeiten
Für die Kaba-zaiku Handarbeiten verwendet man als Material die Rinde der Bergkirsche. Unter der Patronage des Feudalherrn, der in der zweiten Hälfte des 18 Jh. das Gebiet um die Stadt Kakunodate in der heutigen Präfektur Akita verwaltete, entwickelten sich die Kaba-Arbeiten zu einem Nebenerwerb für die Angehörigen des Samurai-Standes, die niedrigere Ränge innehatten. Zunächst umfassten Kaba-Handarbeiten Inro (kleine Dosen), in denen man die persönlichen Siegel oder Medizin aufbewahrte, aber auch Brillenetuis und Netsuke (Zierknöpfe von Stoffbeutel). Die Arbeiten weisen tiefe und subtile Farben auf, die den Glanz der Rinde besonders zur Geltung bringen. Heutzutage umfassen die Produkte auch Utensilien für die Teezeremonie wie Teedosen, Schachteln für die Aufbewahrung von Briefen, kleine Teeregale, Broschen und Krawattennadeln. Kaba-Handarbeiten stehen seit 1976 auf der Liste des traditionellen Kunsthandwerks.

Akita: Mage-wappa Schachteln
Mage-wappa Schachteln gibt es bereits seit vielen Jahrhunderten, als Holzfäller aus dieser Präfektur Behälter für ihre Speisen herstellten, indem sie dünne Zedernholzstreifen in die passende Form bogen. Als der damalige lokale Feudalherr zu Beginn des 17. Jh. diese Schachteln sah, förderte er ihre Herstellung als Nebenerwerb von Samurai niedrigerer Ränge, die in Armut lebten. Dank der reichen Holzvorkommen in der Provinz Akita entwickelten sich Mage-wappa zu einer regionalen Spezialität. Heute verwendet man das Holz der vor Ort wachsenden Akita-Zeder, um vor allem Behälter für Dämpfgerichte und Siebe anzufertigen. Daneben werden auch Tabletts mit lackierten Intarsien hergestellt. Mage-wappa sind seit 1980 als traditionelles Kunsthandwerk registriert.

Iwate: Nanbu tekki Eisenwaren
Die bekanntesten Beispiele für Nanbu-Eisenwaren sind die eisernen Teekessel, die für das Erhitzen von Wasser verwendet werden. Diese Produkte sind eine Spezialität der Präfektur Iwate. Der Beginn der Herstellung von Nanbu-Eisenwaren geht auf die Einladung von Schmieden aus Koshu (heutige Präfektur Yamanashi) in diese Region zurück. Dies geschah 1633, als der Regierungssitz des Gebietes von der heutigen Stadt Hachinohe in der Präfektur Aomori in die Stadt Morioka in der Präfektur Iwate verlegt wurde. Ursprünglich wurde die Eisenwaren-Produktion von der Herstellung großer Kessel dominiert, aber mit zunehmender Popularität der Teezeremonie wurden die heute bekannten eisernen Teekessel entwickelt, indem die ursprünglichen Kessel immer kleiner und mit einem Ausguss sowie einem Henkel versehen wurden. Heute stellen die Schmiede in der Region 35 verschiedene Produkte her – nicht nur Teekessel, sondern auch Windglöckchen, Flaschenöffner, Aschenbecher, Ornamente, Wanddekorationen und Vasen. Nanbu-Eisenwaren wurden von der Regierung von Japan 1975 auf die Liste des traditionellen Kunsthandwerks gesetzt.

Miyagi: Naruko kokeshi Puppen
Naruko kokeshi Puppen sind eine schlichte Form von Spielzeug, die einer menschlichen Gestalt nachempfunden sind. Sie sind eine Spezialität in der Region um das Heilbad Naruko herum, das in der Präfektur Miyagi liegt. Dort sind etwa 80 Handwerkskünstler mit der Herstellung solcher Puppen beschäftigt. Die Naruko kokeshi Puppen zeichnen sich durch ihre charakteristischen breiten Schultern und einen dicken Torso aus. Die auf den Köpfen aufgemalten Gesichter haben eine Fransenfrisur, während die armlosen Körper mit einem Chrysanthemenmuster bemalt sind. Eine gute Balance zwischen Kopf und Körper verleiht diesen Puppen ihre besonders stabile und gewichtige Erscheinung. Der Kopf wird nicht richtig befestigt, sondern nur in den Torso gesteckt, so dass beim Drehen des Kopfes das für Naruko kokeshi Puppen so charakteristische Quietschen zu hören ist. Die Puppen stehen seit 1981 auf der Liste des traditionellen Kunsthandwerks.

Aomori: Tsugaru Drachenbilder
Es heißt, Tsugaru Flugdrachen, ein Handwerksprodukt aus der Präfektur Aomori, wurden zunächst im 17. Jh. von armen Angehörigen des Samurai-Standes hergestellt. Japanische Drachen haben im Allgemeinen einen Bambusrahmen, aber da Bambus in dem eher kalten Klima der Region Tsugaru nur schwer gedeiht, wird stattdessen leichtes Zypressenholz verwendet, das in dünne Streifen geschnitten wird. Die Tsugaru-Drachen werden in kräftigen und dicken Pinselstrichen mit japanischer Tusche bemalt und zeigen in leuchtenden Farben das Gesicht von Kriegern, bei denen vor allem Rot vorherrscht. Einige Drachen sind mit Porträts von berühmten Figuren bemalt, die aus bekannten Werken der chinesischen klassischen Literatur wie Sangokushi (Geschichte der Drei Reiche) oder Suikoden (Geschichte vom Wasserufer) stammen.

Aomori: Tsugaru-nuri Lackwaren
Die Herstellung von Tsugaru-nuri Lackwaren nahm ihren Anfang, als der Feudalherr von Tsugaru in der heutigen Präfektur Aomori die Produktion von japanischen Lackwaren ab der zweiten Hälfte des 17. Jh. bis zu Beginn des 18. Jh. förderte. Bei der Technik der Tsugaru-nuri bestehen Gegenstände wie z.B. Jubako, also Stapelboxen, in denen Speisen und Geschirr serviert werden, aus mit Stoff bespanntem Holz, auf das vierzig Lagen Lack aufgetragen werden. Der ganze Arbeitsvorgang dauert fünfzig Tage, und am Ende erhält man einen äußerst eleganten und zugleich robusten Gegenstand, der mit wundervoll glänzenden Blumenmustern verziert ist. Tsugaru-nuri Lackwaren sind in Japan nicht allein deshalb beliebt, weil die Produkte sehr praktisch, sondern auch, weil sie sehr dekorativ und ein beeindruckender Schmuck für die Wohnungseinrichtung sind. 1975 wurde Tsugaru-nuri als traditionelles Kunsthandwerk von der Regierung anerkannt.
Yamagata: Zao Takayu – traditionelle Kokeshi-Puppen
Kokeshi Puppen sind ein schlichtes Spielzeug aus Holz, das in dieser Form seit vielen Jahrhunderten in der Region Tohoku hergestellt wird. Die Puppen bestehen aus einem runden Kopf auf einem zylindrischen Körper, die mittels einer Drehbank gefertigt werden. Für die Bemalung werden einfache Muster gewählt. Die Kokeshi-Puppen dieser Region Japans haben einen dicken Torso, der mit Chrysanthemen- und Distelmustern verziert ist; sie verfügen über leicht abgerundete Schultern sowie einen charakteristischen großen Kopf, der auf den Körper gesteckt wird.