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Neues aus Japan Nr.99 Februar 2013

Shikki – Lackwaren

Meisterwerke traditioneller japanischer Kunst

„Welches traditionelle Kunsthandwerk kann als typisch japanisch gelten?“ Auf diese Frage würden viele Menschen in Japan wohl mit „Shikki“ (Lackwaren) antworten. Shikki, das sind zum Beispiel Schachteln oder andere Gerätschaften aus Holz, auf die zahlreiche Schichten von Harzlack aufgetragen werden, das aus verschiedenen Bäumen sowie bestimmten Efeuarten gewonnen wird. Diese Gegenstände werden anschließend mithilfe unterschiedlichster Techniken verziert. Lackwaren zeichnen sich durch ihren besonderen matten Glanz sowie durch eine samtige Oberfläche aus. Von den Gegenständen geht ein Gefühl der Wärme aus, das nur Holz zu geben vermag, und die Farben faszinieren durch ihre außerordentliche Tiefe. Das Kunsthandwerk der Lackwarenherstellung kann in Ostasien auf eine viele tausend Jahre lange Geschichte zurückblicken, während die ersten Beispiele dieser Kunst in Europa etwa im 16. Jh. auftauchten. So besaß Marie Antoinette im 18. Jh. eine große Sammlung von Lackwaren. Die Schönheit dieser Gegenstände, auf die Japan zu Recht stolz ist, begeistert seitdem Menschen auf der ganzen Welt. Während weißes Porzellan in vielen Ländern auch sprachlich mit „China“ assoziiert wird, stehen Lackwaren eindeutig für „Japan“.

 

 

 

5.500 Jahre alte Kunstobjekte

In Japan werden Lackwaren seit der Jomon-Zeit hergestellt, eine Periode, die von ca. 10.000 – 500 v. Chr. dauerte. Und trotz ihres hohen Alters erstaunen die leuchtenden Farben der Lackwaren aus der Jomon-Zeit den Betrachter noch heute. In der Ausgrabungsstätte Sannai Maruyama in Aomori, der Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur am nördlichen Ende der Hauptinsel Honshu, wurden Fragmente von lackiertem Holz gefunden, deren Alter auf 5.500 Jahre geschätzt wird. Das Bemerkenswerte daran ist, dass diese Stücke nach wie vor eine kräftig leuchtende zinnoberrote Schicht trugen. Beim Zusammensetzen der Bruchstücke wurde dann der erstaunlich hohe Grad an Kunstfertigkeit sichtbar, der durchaus Vergleichen mit heute standhält.

 

 

Tatsächlich werden die japanischen Lackwaren noch heutzutage unter Verwendung von Techniken gefertigt, die aus dem Altertum stammen, z.B. solide schwarze oder zinnoberrote Lackwaren, aber auch Stücke mit ausgesprochen erlesenem Dekor. Die heute verwendeten Techniken zur Herstellung der großartigen japanischen Lackwaren haben sich im Laufe von Jahrhunderten der kunsthandwerklichen Weiterentwicklung herausgebildet.

Die bekannteste Technik ist makie (Lackwaren mit eingestreutem Gold- oder Silberpulver). Dabei wird ein Muster aus Lackharz mit einem Pinsel aufgetragen. Auf den noch feuchten Lack wird anschließend Gold- oder Silberpulver gestreut und das Ganze dann viele Male poliert. Daneben gibt es auch noch die Technik des chinkin (Lack mit Goldeinlagen). Dabei werden Muster in die lackierte Oberfläche eingraviert, um diese feinen Gravuren dann mit Blattgold oder Blattsilber auszufüllen. Lackwaren mit raden (Perlmutt) werden gefertigt, indem hauchdünne Blätter von glitzerndem Perlmutt, das z.B. von Abalonen stammt, auf die lackierte Oberfläche aufgebracht werden. Alle diese großes Zartgefühl und viel Präzision verlangenden Techniken wurden eigenständig in Japan entwickelt. Lackkunstobjekte aus Japan, die diese Eigenschaften der Japaner in hohem Maße widerspiegeln, werden seit dem 16. Jh. auch in anderen Teilen der Welt außerordentlich geschätzt.

 

Faszinierende Schönheit

Die Stadt Wajima in der Präfektur Ishikawa auf der Halbinsel Noto, welche an der Westküste der Hauptinsel Honshu in das Japanische Meer hineinragt, ist die Heimat der Wajima-nuri oder Wajima-Lackwaren. Diese Lackwaren können auf eine rund 500 Jahre alte Geschichte zurückblicken, und sie sind sowohl für ihre besondere Eleganz als auch für ihre Robustheit bekannt. Die Gegenstände werden viele Male mit Lack überzogen und anschließend poliert. Insgesamt umfasst der Prozess der Herstellung einer einzigen Wajima-Lackware über hundert einzelne Arbeitsschritte. Diese Art der Lackwaren zeichnen sich durch die reiche Verwendung von Golddekor auf schwarzem Lack aus, so dass sie einen außerordentlich gediegenen Eindruck vermitteln. Viele dieser Gegenstände können durchaus als Kunstobjekte gelten, auch wenn sie eigentlich für den praktischen Gebrauch gedacht sind.

 

Seit vielen Jahrhunderten verwenden die Menschen in Japan in ihrem Alltag wunderschöne Lackwaren. Ein gutes Beispiel dafür ist Kawatsura shikki (Kawatsura-Lackwaren) aus der Stadt Yuzawa. Diese liegt in der Präfektur Akita an der Küste des Japanischen Meeres im Norden von Tohoku. Die Kawatsura-Lackwaren, die es seit rund 800 Jahren gibt, fallen nicht durch aufwändiges Dekor auf. Dafür sind sie äußerst haltbar und praktisch, so dass man in Japan sagt: „Hat man sie einmal gekauft, halten sie bis zu den Enkeln.“ Denn Lackwaren können immer wieder neu mit Lack überzogen werden und sind dann viele Jahrzehnte lang verwendbar. Sie bestehen aus natürlichen Materialien und sind damit frei von künstlichen Chemikalien. Damit spiegeln sie die Geschichte der Menschen in Japan wider, die stets harmonisch in enger Beziehung mit der Natur lebten. Um die Wertschätzung für diese lokal hergestellten Lackwaren auch den Kindern zu vermitteln, verwenden heute eine Reihe von Grundschulen Lackwaren aus Kawatsura shikki für das Schulessen.

 

 

Ryukyu shikki (Ryukyu-Lackwaren) aus der Präfektur Okinawa, Japans südwestlichster Inselgruppe, zeichnen sich durch ihr hell leuchtendes Zinnoberrot aus, eine Folge des intensiven ultravioletten Lichts in Japans sonnigem Süden. Ihr einzigartiges Design zeigt zudem vielfältige Einflüsse aus der jahrhundertelangen Geschichte des Austausches zwischen Okinawa und anderen Regionen in Ostasien. Während die meisten japanischen Lackwaren Pflanzenmotive zeigen, sind bei Ryukyu shikki auch fliegende Drachen sowie andere exotische Motive zu finden. Die Tsuikin-Technik, die im 18. Jh. auf den Ryukyu-Inseln (eine alte Bezeichnung für Okinawa) entstanden sein soll, vermittelt aufgrund ihrer dreidimensionalen Reliefs einen besonders dynamischen Eindruck.

 

 

 

Ringe und Fingernägel

Während japanische Lackwaren einerseits auf eine lange Geschichte zurückblicken können, wurden andererseits in den letzten Jahren auch viele neue Lackgegenstände kreiert, z.B. als Dekoration für Inneneinrichtungen oder als modische Accessoires, die vor allem bei jüngeren Frauen sehr beliebt sind. Dies ist Ausdruck einer weiteren charakteristischen Eigenschaft der Menschen in Japan: das stete Streben, bewährte Dinge immer noch besser zu machen.

Ein Beispiel hierfür sind Hidehira-nuri (Hidehira-Lackwaren), die in der Stadt Hiraizumi in der Präfektur Iwate (Region Tohoku) produziert werden. Der dortige buddhistische Tempel Chuson-ji und weitere historische Gebäude und Gärten wurden im Juni 2011 von der UNESCO in die Liste der Welterbestätten aufgenommen (siehe auch den Beitrag zu Hiraizumi in der Märzausgabe 2012 in Neues aus Japan). Die Stadt hat neue Konzepte in der Lackkunst eingeführt wie z.B. Sektgläser aus lackiertem Holz. Die einzigartigen wie ein Horn geformten Gläser sind Party-Häppchen nachgebildet. Ihre Form und Farbe machen sie zudem zu einem idealen Dekorationsobjekt. Wenn man mit diesen Gläsern anstößt, verleiht das den damit genossenen Getränken einen ganz besonderen Geschmack.

 

 

Kagawa shikki (Kagawa-Lackwaren) stammen aus der Präfektur Kagawa auf Shikoku, der kleinsten der vier Hauptinseln des japanischen Archipels. Unter diesen findet man nun auch Sets, bestehend aus einer Teeschale, einer Reis- oder Suppenschale, einer großen Schüssel sowie einem Teller, die, wenn man sie zusammensetzt, eine Rosenblüte nachbilden. Auch dieses wunderschöne Geschirr verleiht jedem Esstisch eine ganz besondere Note.

Das Auftragen von Lack unter Verwendung der traditionellen japanischen Farb- und Designkonzepte hat sich in jüngster Zeit ein weiteres Feld mit ganz erstaunlichen Effekten erschlossen: die Fingernägel von Frauen. Auch Ringe und Ohrstecker in leuchtenden Farben, die durch das Auftragen zahlreicher Farbschichten entstehen, haben sich zu einem sehr beliebten Modeaccessoire entwickelt. Die tiefen und gedämpften Farben, die so charakteristisch für Lackwaren sind, werden dabei auch von modebewussten Frauen sehr geschätzt.

 

 

Die Lackkunst, die tief im Leben der Japaner verwurzelt ist, hat in der Tat großen Anteil an den traditionellen Vorstellungen von Schönheit in Japan, gestützt auf eine mehrere tausend Jahre alte Geschichte. Während sie einerseits die Tradition bewahren, haben die Menschen in Japan andererseits auch immer wieder neue Wege entwickelt, um sich an Lackwaren zu erfreuen. Es sind wahre Kunstobjekte, die ihren Ursprung in Japan haben und heute auf der ganzen Welt bewundert werden.

 

© Web Japan 2012

 

 


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