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Neues aus Japan Nr.105 August 2013

Sentō - Badehäuser: Entspannen auf japanische Art

In Japan findet man ein breites Spektrum an Einrichtungen für das Baden, das von gemütlichen heißen Quellbädern bis zu riesigen Anlagen in der Art eines Themenparks reicht. Ein wichtiger Bestandteil dieser Einrichtungen sind die Sentō, die öffentlichen Badehäuser, die mit ihren großen Badebecken das Bild des Badens in Japan prägen. Egal, ob in den schwül-heißen Sommermonaten oder während der kalten Wintertage – die Sentō mit ihren einzigartigen architektonischen Designs haben das öffentliche Baden zu einem festen Bestandteil der Alltagskultur der Menschen in Japan gemacht, die in dieser Form bereits seit Jahrhunderten besteht.

 

 

Badevergnügen für alle

Mit der hereinbrechenden Abenddämmerung nimmt auch die Zahl der Menschen deutlich zu, die unter einen Stoffvorhang oder noren hindurch schlüpfen, auf dem das Schriftzeichen für „heißes Wasser“ zu lesen ist, um so in ein Sentō zu gelangen. Nach Betreten des Badehauses ziehen die Gäste ihre Schuhe aus und gehen zu einer Art erhöhtem Schalter (bandai), wo die Aufsichtsperson des Badehauses sitzt. Heute haben viele Sentō ihre Inneneinrichtung neugestaltet, und man findet nun oft auch moderne Kassenschalter, aber viele Gäste haben eine ganz besondere Vorliebe für die traditionellen bandai. Die Eintrittspreise variieren je nach Region, jedoch liegen sie in der Regel zwischen 300 und 450 Yen für einen Erwachsenen.

Nachdem sich der Gast im Umkleideraum ausgezogen hat, verstaut er seine Kleidung in einen verschließbaren Schrank und geht weiter zur Tür des Baderaums. Hinter dieser Tür findet er Räume mit glänzenden Kachelfußböden, hohen Decken für eine bessere Luftzirkulation sowie großen Badebecken mit heißem Wasser. Allerdings sollte er nicht den Fehler begehen und gleich in eines dieser Becken springen. Zunächst verlangt die Etikette, dass man sich gründlich einseift und wäscht. Auch sollte man nicht sein Handtuch in das Badewasser tauchen; daher sieht man viele Badende, die ihr zusammengefaltetes Handtuch auf den Kopf legen.

Öffentliche Bäder, für deren Benutzung man ein Entgelt entrichtet, können in Japan auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückreicht. Zu Beginn waren noch Dampfbäder die Regel. Das Eintauchen in heißes Wasser kam erst relativ spät auf, nämlich während der Edo-Zeit (1603-1867). Damals litten die Einwohner der Riesenstadt Edo unter Sand- und Staubwolken, die von den beständig vom Meer her kommenden Winden über die Stadt geweht wurden. Die Badehäuser waren ein Weg, mit dem die Einwohner sich tagtäglich vom Schmutz befreien konnten, zugleich waren die Besuche in diesen Häusern aber auch ein unverzichtbarer und vergnüglicher Teil des Tagesablaufs.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich die öffentlichen Badehäuser zu Zentren einer lebhaften Unterhaltung unter den Gästen. Auch Spiele, die nach dem Baden im Umkleideraum gespielt wurden, wie z.B. shōgi (japanisches Schach) oder einfach nur das Betrachten eines schön gepflegten Gartens bildeten besondere Vergnügungen. Damit boten die Badehäuser den Menschen einen Raum für die Erholung vom anstrengenden Alltag, eine Funktion, die sie bereits seit mehreren hundert Jahren bis auf den heutigen Tag erfüllen.

 

 

 

Bilder vom Berg Fuji

Beim Besuch eines Sentō wird man in der Regel stets auch ein Bild vom Berg Fuji an einer Wand entdecken. Tatsächlich ist diese Eigenart so verbreitet, dass die Wandbilder mit dem Fuji-san in Japan als Synonym für Badehäuser gelten. In der Vergangenheit wurden die Wände in den Baderäumen häufig zu Werbezwecken genutzt. Aus dieser Zeit stammt auch der Brauch, Bilder vom Fuji auf die Wände die malen, insbesondere in Tokyo und Umgebung. Begabte Maler verwendeten vier verschiedene Farben für die Umrisse und waren mit Hilfe von Pinseln und Rollen in der Lage, innerhalb kürzester Zeit ein solches Bild fertigzustellen. Heute gibt es in ganz Tokyo noch zwei Maler, die diese Bilder vom Fuji-san in der traditionellen Technik malen können.

Ein besonderer architektonischer Stil für Badehäuser heißt miya-tsukuri und beinhaltet Ziegeldächer, wie sie sonst etwa bei Shinto-Schreinen anzutreffen sind. Dieser Baustil wurde vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Sentō verwendet und ist bis heute zu finden. Zwar wurden in den letzten Jahren zahlreiche Badehäuser umgebaut und entsprechend modernisiert, jedoch findet man auch heute noch in Tokyo zahlreiche Sentō, die ihre elegante traditionelle Architektur bewahrt haben. Bei einem Besuch in einem dieser Häuser kann man sich leicht vorstellen, wie diese eleganten Sentō bereits seit vielen Jahren als eine äußerst beliebte Form der Geselligkeit für die Menschen in Japan fungieren.

 

 

 

Der Thermae Romae-Boom

Während sich einerseits viele Menschen, die zu Hause über eigene Bäder verfügen, durchaus an einem angenehmen Besuch in einem Sentō in der Nachbarschaft erfreuen, hat auf der anderen Seite die allgemeine Verbreitung eigener Bäder in den Wohnungen doch zu einem spürbaren Rückgang der Zahl der Besucher von Sentō geführt. Während die Zahl der Badehäuser in den 1960er Jahren mit über 20.000 ihren Höchststand erreichte, findet man heute noch etwa 5.000 Sentō in ganz Japan.

Sentō mit ihrem ausgewiesenen Ruf als ein Ort, an dem „Alltagskultur“ gelebt wird, erfahren in den letzten Jahren aber zunehmend eine Neubewertung, da sie nun aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln heraus wieder außerordentlich geschätzt werden. Ein gutes Beispiel für diese neue Wertschätzung der Badehäuser ist der große Erfolg der Manga-Serie Thermae Romae, bei dem die Badekultur Japans im Mittelpunkt steht.

In der Story dieses Manga verschlägt es den jungen Römer Lucius aus der Zeit des antiken Rom in ein japanisches Badehaus der Gegenwart. Hier lernt er alles, was man über das Baden in einem Sentō und die Badekultur Japans wissen muss und kehrt mit diesem Wissen in das Rom der Antike zurück, um die neu erworbenen Kenntnisse dort zu verbreiten. Dieser Manga hat viele junge Japaner dazu angeregt, die eigene Kultur mit neuen Augen zu betrachten. Der Film auf der Grundlage des Manga war sowohl in Japan selbst als auch im Ausland ein großer Erfolg. Nach seinem Start im April 2012 führte er ein halbes Jahr lang die Liste der Filme mit den höchsten Besucherzahlen an. Darüber hinaus wurde er auch in zwölf weiteren Ländern und Regionen gezeigt, darunter in Italien, Frankreich und Hongkong.

 

 

 

Ein „Stützpunkt“ für Läufer

Ein weiterer Trend, der den Badehäusern im Zentrum von Tokyo neue Gäste zugeführt hat, ist die Entwicklung dieser Sentō zu „Läufer-Stationen“, die sich an Läufer in den Großstädten richten.

Seit 2007 der größte Marathonlauf Japans, der Tokyo Marathon mit rund 30.000 Läufern, ins Leben gerufen wurde, ist in der japanischen Hauptstadt ein regelrechter Lauf-Boom ausgebrochen. Tatsächlich nutzen viele Läufer, die im Zentrum von Tokyo arbeiten, für ihre Trainingsläufe die beliebte Laufstrecke, die um den Kaiserpalast führt. Der Mangel an geeigneten Orten, um sich nach dem Laufen umzuziehen und zu säubern, hat viele dieser Läufer in die Sentō der Umgebung geführt, wo sie sich nach ihrem Laufpensum richtig entspannen können.

Diese Badehäuser im Zentrum von Tokyo sind heutzutage von Gesprächen über das Laufen erfüllt, und aus der Unterhaltung der Badenden hört man etwa Sätze wie: „Wie viele Runden hast du heute geschafft?“ oder „Ich werde das auch mal versuchen.“ Der Zustrom an Läufern in den Sentō im Zentrum Tokyos hat zu einer neuen Atmosphäre in diesen Badehäusern geführt, wo sich nun Läufer und Nichtläufer über den Laufsport und gesundheitliche Themen austauschen.

Es sieht so aus, als würden die Menschen in den japanischen Städten die traditionellen Badehäuser wieder neu für sich entdecken, die sowohl einen guten Ort für Entspannung als auch für die Pflege von Kontakten und den Austausch von Informationen darstellen.

 

 

© Web Japan 2013

 


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