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Neues aus Japan Nr.108 November 2013

Das neue Kabuki-za begeistert mit zahlreichen fantastischen Attraktionen

- Spektakuläre Luftsprünge, modernste Drehbühnentechnik und Laufstege für die Schauspieler mitten im Publikumssaal

Im Frühjahr 2013 öffnete das neue Theater Kabuki-za seine Pforten im Zentrum der japanischen Hauptstadt Tokyo. Das ausschließlich für Aufführungen der traditionellen Kabuki-Theaterkunst konzipierte Gebäude ist damit nach einem kompletten Neubau wieder zum Leben erwacht. Es ist bereits der vierte Um- bzw. Neubau in seiner mittlerweile 124-jährigen Geschichte. Während sich die äußere Erscheinung nach wie vor an der Vergangenheit orientiert – etwa das große Ziegeldach mit seinen sanft geschwungenen Linien – wurde das Innere des Gebäudes in beeindruckender Weise umfassend modernisiert. Dies beinhaltet auch eine Vielzahl von Einbauten neuester Technik sowie eine hochmoderne Bühnenausstattung. Gleichzeitig ist das Gebäude nun auch mit einem benachbarten Hochhaus baulich verbunden. Seine Erscheinung ist damit eine exakte Wiedergabe des Geistes des Kabuki-Theaters, das in seiner rund 400-jährigen Geschichte stets nach Neuem strebte, während es gleichzeitig die Tradition bewahrte.

 

 

 

Punk Rock aus Edo

Die Ursprünge des Kabuki-Theaters gehen auf die Kabuki-Tänze (kabuki odori) zurück, die ab 1603 in Kyoto aufgeführt wurden. Die Aufführungen bestanden aus Stücken und Tänzen mit einfacher Choreographie, bei denen exzentrisch anmutende Auftritte – etwa von Frauen in Männerkostümen – im Mittelpunkt standen, die beliebte Lieder sangen. Man kann diese Stücke durchaus mit dem japanischen Punk Rock unserer Zeit vergleichen. Gegen Ende der Edo-Zeit (1603-1868) etablierte sich das Kabuki-Theater schließlich als eine der klassischen Formen der darstellenden Künste in Japan, das Musik, Tanz und Schauspiel in sich vereint. Bis heute hat diese Theaterkunst eine große Zahl von herausragenden Schauspielern und Meisterwerken hervorgebracht, die Geschichten aus dem Leben, Historienstücke, die auf wahren Ereignissen der japanischen Geschichte beruhen, oder auch Stücke aus reinen Fantasiewelten erzählen. All diese Aufführungen sind geprägt durch eine Verschmelzung von Elementen der Vergangenheit und Gegenwart wie auch durch prachtvolle Tanzvorführungen.

Ebenfalls aus der Edo-Zeit stammt die Tradition, dass im Kabuki nur männliche Schauspieler auftreten. Zwar gab es auch im Westen zu Zeiten Shakespeares Fälle, dass Jungen in Frauenrollen auf der Bühne auftraten, aber insgesamt bildet es in der Welt des Theaters eine große Ausnahme, dass männliche Schauspieler wie im Kabuki-Theater alle weiblichen Rollen (sogenannte onnagata) spielen - von jungen Mädchen bis hin zu hochbetagten Greisinnen. Die Erscheinung der weiblichen Rollen in ihren überaus prächtigen Kostümen und ihre Tanzkünste genossen stets auch die Bewunderung von Frauen, und das Kabuki-Theater entwickelte sich zu einer reichen Quelle der Inspiration für neueste Modetrends, etwa in Bezug auf Frisuren oder Kleidung.

Darüber hinaus war es gerade das Kabuki-za, das über all die Jahre hinweg die Essenz dieser traditionellen Kunst bewahrt und weiterentwickelt hat. Auf diese Weise entwickelte sich dieses Theater als ein Ort für diese Art von Unterhaltung, die die Menschen von Edo in ihren Bann zog, von einem kleinen Theatergebäude zu einem überaus luxuriösen Gebäudeensemble.

 

 

 

Spontane Besuche von einzelnen Akten möglich

Das jüngste Kabuki-za, das erstmals seit neunzig Jahren auf einem unbebauten Gelände von Grund auf neu errichtet wurde, beinhaltet nun eine Vielzahl von wohlgeplanten Merkmalen, etwa eine barrierefreie Architektur, während gleichzeitig die wichtigsten Designfeatures des Vorgängerbaus übernommen wurden. Schon die Lobby im Atrium (oma genannt) bietet den Besuchern mit dem leuchtend roten Teppich einen atemberaubenden Anblick. Der sich über drei Stockwerke erstreckende Theatersaal fasst insgesamt 1.808 Sitzplätze. Da auch ein englischsprachiger Audio Guide zur Verfügung steht, bietet sich ebenfalls Besuchern, die kein Japanisch verstehen, die Möglichkeit, der Handlung zu folgen sowie Besonderheiten zur aktuellen Aufführung zu erfahren. Im vierten Stock gibt es einen weiteren Zuschauerbereich, von dem aus man der Aufführung von einzelnen Akten aus verschiedenen Stücken zuschauen kann. Diese Möglichkeit, spontan die eigene Lieblingsvorstellung zu einem erschwinglichen Preis zu sehen, bietet nur das Kabuki-za. Dieser Bereich bietet Platz für 156 Besucher, darunter auch Stehplätze, so dass man auch dann Ausschnitte aus einem Stück genießen kann, wenn man das Theater an diesem Tag eher zufällig besucht.

 

 

 

Entführung der Zuschauer in eine andere Dimension

Wenn man eine Kabuki-Aufführung zum ersten Mal besucht, ist man sogleich von der hohen Qualität der Schauspielkunst (kata) und den präzise einstudierten Tänzen der Schauspieler fasziniert, die diese von ihren Vorgängern erlernt und vervollkommnet haben. Zugleich entdeckt man Techniken und Bühnenarrangements, die im modernen Theater zum Standradrepertoire zählen, wie etwa aufsehenerregende Stunts in Form von Luftsprüngen, bei denen die Schauspieler an dünnen Drähten hängen und gleichsam wie von Zauberhand über den Köpfen der Zuschauer schweben. Diese Technik mag an Peter Pan erinnern, wurde aber tatsächlich ursprünglich für das Kabuki-Theater erfunden.

Eine weitere Vorrichtung ist die Drehbühne, die es erlaubt, im Nu eine völlig neue Szenerie zu zeigen, indem die ganze Bühne um 180 Grad gedreht wird. Der Einsatz dieses Hilfsmittels erlaubt zudem „Sprünge in Zeit und Raum“, indem die Szenerie etwa vom Innern eines Hauses zur Außenansicht wechselt oder von einer Szene auf hoher See zu einer an der Küste. Indem zwei Ereignisse im Wechsel gezeigt werden, vermittelt dies den Zuschauern den Eindruck eines dreidimensionalen Bildes. Es heißt, dass es das Kabuki-Theater war, das diese Technik Mitte des 18. Jahrhunderts zum ersten Mal auf der Welt einführte.

Der hanamichi genannte Laufsteg, der vom Zuschauer aus betrachtet auf der linken Seite der Bühne beginnt und in den großen Saal hineinragt, ist ein weiteres besonderes Merkmal des Kabuki-Theaters. Dieser Steg kann für die Darstellung verschiedenster Orte genutzt werden, etwa für einen schmalen Gebirgspfad oder auch für eine Szene auf hoher See. Gerade hier haben viele Rollen des Kabuki-Theaters ihre bekanntesten Textstellen oder zeigen ihre äußerst beeindruckenden Posen. Der hanamichi sorgt dafür, dass auch der Zuschauer das Gefühl hat, er befände sich mitten auf der Bühne, und dies zieht ihn noch tiefer in die Handlung des Stückes hinein.

Tatsächlich bildet die Bühne dank einer Vielzahl von Vorrichtungen wie den gerade beschriebenen eine fantastische und außerordentlich räumlich wirkende Dimension. Gleichzeitig kann das Publikum von jeder Stelle im Zuschauersaal aus erkennen, wie sehr sich Produzenten und Schauspieler tagtäglich darum bemühen, den Zuschauern nur die beste Unterhaltung zu bieten.

 

 

 

Portrait mit Kostüm und Make-up

Das neue Kabuki-za bietet nicht allein als Theater eine große Fülle von Attraktionen, sondern auch als ein besonders beliebter Ort für Touristen aus aller Welt. Im fünften Stock des 29-stöckigen Kabuki-za Tower, der mit dem Theater durch eine Passage verbunden ist, findet man die Kabuki Gallery mit zu jeder neuen Spielzeit wechselnden Ausstellungen von Kostümen, Requisiten und anderen Dingen. Dort befindet sich auch ein Fotostudio, wo sich besonders enthusiastische Besucher in einem prachtvollen Kabuki-Kostüm sowie mit kunstvoll gestaltetem Make-up fotografieren lassen können. Unterhalb des neuen Theatergebäudes reihen sich nun zahlreiche Geschäfte aneinander, die z.B. Souvenirs anbieten, die nur hier zu finden sind. Daneben gibt es auch Bento-Schachteln mit Mahlzeiten für die Pausen zwischen den Aufführungen sowie eine große Auswahl an Süßigkeiten und anderen Leckereien, die zahlreiche Besucher und Touristen in ihren Bann ziehen.

Das neugeborene Kabuki-za gleicht damit einer wahren Schatztruhe voller Unterhaltung und Überraschungen.

 

 

© Web Japan 2013

 


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