Botschaft von Japan

Kultur

Willkommen in japanischen Gärten

Japanische Gärten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nach dem Modell einer natürlichen Landschaft gestaltet sind. Wie hat sich dieser Stil herausgebildet und im Laufe der Zeit verändert? In diesem Beitrag begeben wir uns auf die Spuren der Geschichte der japanischen Gärten, die in jeder Ära spezifische Charakteristika hervorbrachten und eine einzigartige Entwicklung nahmen.

7. – 8. Jahrhundert: Gärten im Altertum

alt text

Bild: Der Garten des Östlichen Palastes auf dem Gelände des Kaiserlichen Palastes von Nara in der gleichnamigen Präfektur mit einem großflächigen suhama am Teichufer im Vordergrund; Rekonstruktion einer ca. 1.300 Jahre alten Anlage.

Die frühesten bekannten Gärten in Japan reichen bis in die Asuka-Zeit (593-710) und Nara-Zeit (710-794) zurück. In der Region Yamato (heutige Präfektur Nara) ließen der Kaiserhof und mächtige Adelsfamilien in den Gärten ihrer Paläste großflächige Teichanlagen mit Inseln und suhama (Sandstrände) an den Ufern anlegen, die Meereslandschaften nachempfunden waren.

9. Jahrhundert: Gärten im Shinden-zukuri Stil

alt text

Bild: Modell der Palastanlage Higashi Sanjoden in Heiankyo (dem heutigen Kyoto). Heute existiert kein Garten mehr im sogenannten Shinden-zukuri Stil in ursprünglicher Form. Vom freien Platz vor der Haupthalle aus verband eine Reihe kleiner Brücken die einzelnen Inseln miteinander und ermöglichte es den Besuchern, durch die Teichlandschaft zu flanieren.

Japans Hauptstadt wurde 794 von Nara nach Kyoto verlegt; dieser Umzug markiert zugleich den Beginn der Heian-Zeit (794-1185). Die Adelsfamilie der Fujiwara baute damals ihren Einfluss aus, während gleichzeitig Kunst und Kultur auf der Grundlage eigenständiger japanischer Vorstellungen eine beeindruckende Entwicklung erfuhren. Die Adligen lebten in luxuriösen Anwesen, die im sogenannten Shinden-zukuri Stil errichtet wurden. Die Gärten in dieser Ära waren ebenfalls außerordentlich prachtvoll.

In Kyoto fließen mehrere große Wasserläufe zusammen; zudem ist die Stadt mit zahlreichen Quellen gesegnet. Da die Sommer dort durch hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit gekennzeichnet sind, entwickelten die Bewohner der Stadt eine besondere Vorliebe für Teiche und Wasserfälle, mit denen allgemein Kühle assoziiert wird. Zwischen den einzelnen Gebäuden und durch die Gärten der Paläste flossen kleine Bäche, yarimizu genannt. Große Teiche wurden angelegt, auf denen sogar Bootsfahrten möglich waren. Die Teiche wurden von Angelpavillons überragt, die über gedeckte Korridore erreichbar waren. Diese Pavillons waren der ideale Ort, um die Abendkühle zu genießen, den Mond zu betrachten oder sich im Winter an der umgebenden Schneelandschaft zu erfreuen. Zwischen Hauptgebäude und Teich lag eine mit weißem Sand bedeckte Fläche, die als malerischer Veranstaltungsort für verschiedenste Zeremonien und Feierlichkeiten diente.

10. - 11. Jahrhundert: Jodo Gärten

alt text

Bild: Der Garten des Motsuji-Tempels (Präfektur Iwate) ist ein schönes Beispiel für einen Jodo Garten.

alt text

Bild: Shiramizu Amida-do (Präfektur Fukushima). Links ist eine Brücke in Form eines Bogens zu sehen.

Im 10. und 11. Jahrhundert gewann der Buddhismus zunehmend Einfluss auf die Angehörigen der Adelsschicht in Japan, was in einer weit verbreitenden Frömmigkeit zum Ausdruck kam. Die Menschen glaubten, dass die wahre Lehre des Buddhismus schon bald verschwinden werde. Daher wurden Gärten nach dem Vorbild des „Reinen Landes“ (jodo) gestaltet – ein buddhistisches Paradies, das in Schriften und religiösen Abhandlungen beschrieben wird. Bei diesem Gartentyp steht der Teich im Fokus, über den eine Brücke in weitem Bogen zu einer Insel in der Teichmitte führt. In den Gärten des Motsuji-Tempels in der Präfektur Iwate und des Shiramizu Amida-do in der Präfektur Fukushima ist die Atmosphäre eines Gartens im Jodo Stil erhalten geblieben.

12. Jahrhundert: Zen-Gärten

alt text

Bild: Der Garten des Tempels Ryoanji (Präfektur Kyoto). Ein typischer japanischer Trockenlandschaftsgarten.

Die Kamakura-Zeit (1185-1333), die auf die Heian-Zeit folgte, erlebte den Aufstieg der Samurai-Krieger, und damit einhergehend gewann auch die buddhistische Zen-Lehre an Einfluss. Dies führte zu einem Wandel beim Stil der Wohnhäuser und der Gestaltung von Gärten. Bei den Samurai, selbst bei den führenden Vertretern dieses Standes, war es nicht üblich, in ihren Gärten prächtige Zeremonien durchzuführen.

Japanische Gärten erlebten in der folgenden Muromachi-Zeit (1333-1568) einen ersten Höhepunkt: Gruppen äußerst geschickter Gartenbauer, die senzui kawaramono („Menschen, die in den Bergen, an Bächen und Flüssen leben“) genannt wurden, waren verantwortlich für die Schaffung eines neuen Gartenstils, der als karesansui („Japanische Trockenlandschaft“) bekannt ist. Stark vom Zen-Buddhismus beeinflusst, sind diese Gärten durch ihre extreme Abstraktion charakterisiert. Sorgfältig platzierte Felsen stellen Berge oder Wasserfälle dar und weißer Sand ersetzt fließendes Wasser. Diese Art von Gärten findet man nirgendwo sonst auf der Welt.

Darüber hinaus wurden die Gärten dieser Periode in hohem Maß von einem Architekturstil namens Shoin-zukuri beeinflusst, der bis in die Gegenwart als Prototyp japanischer Häuser im traditionellen Stil fungiert. Der Garten, der vom Haus aus bewundert wird, ist so gestaltet, dass er dem Betrachter, der sich im shoin (einem Raum innerhalb eines Shoin-zukuri Hauses) befindet, das Gefühl verleiht, er blicke auf ein Meisterwerk der Malerei, das zu sorgfältiger und ausgiebiger Betrachtung verleitet.

16. Jahrhundert: Teegärten

alt text

Bild: Tee-Pavillon im Kaiserlichen Sento-Palast (Präfektur Kyoto).

alt text

Bild: Trittsteine, die vom Eingang des Gartens zum Teehaus führen.

alt text

Bild: Eine Steinlaterne im Garten dient der Beleuchtung und gleichzeitig zur Dekoration.

alt text

Bild: Blumen und andere Pflanzen stellen eine visuelle Bereicherung des Gartens dar.

Der Teegarten, der eine ruhige Spiritualität ausstrahlt, entwickelte sich in Verbindung mit der Teezeremonie, die vom Teemeister Sen no Rikyu (1522-1591) vervollkommnet wurde. Durch den Teegarten, der jeden Eindruck von Künstlichkeit vermeidet und so angelegt ist, dass er einen in hohem Maß natürlichen Anblick bietet, führt der Weg zum Ort der Teezeremonie. Die heutigen japanischen Gärten weisen eine Reihe von Elementen auf, die vom Teegarten übernommen wurden, etwa Trittsteine, Steinlaternen, Baumgruppen sowie steinerne Wasserbecken. Der schlicht gestaltete Teepavillon, in dem den Gästen Tee serviert wird, hat seinen Ursprung ebenfalls im Teegarten.

17. Jahrhundert: Gärten im Kaiyu Stil

alt text

Bild: Ein Garten im Kaiyu Stil: der Suizenji Jojuen (Präfektur Kumamoto).

Die verschiedenen Formen, die Gärten im Laufe der Jahrhunderte annahmen, erfuhren ihren Höhepunkt in den Gärten im Kaiyu Stil der Edo-Zeit (1603-1867). Alte Steine und geschmackvolle Bäume wurden verwendet, um eine Miniaturreproduktion berühmter Landschaften zu erschaffen. Die Menschen erfreuten sich hier am jahreszeitlichen Wandel der Szenerie, während sie an den weitläufigen Teichen entlangspazierten. Der Garten der Kaiserlichen Katsura-Villa in Kyoto, eine Kreation der frühen Edo-Zeit, ist ein typischer Garten im Kaiyu Stil mit einem Teich in der Mitte, umgeben von verschiedenen Teepavillons. Die als die „Drei großen Gärten“ Japans bekannten Gartenanlagen – der Kairaku-Garten in Mito (Präfektur Ibaraki), der Kenrokuen in Kanazawa (Präfektur Ishikawa) und der Korakuen in Okayama in der gleichnamigen Präfektur – sowie der Suizenji Jojuen in der Präfektur Kumamoto sind Gärten im Kaiyu Stil, die von Feudalherren angelegt wurden.

Gegenwart

alt text

Bild: Der Shinjuku Gyoen National Garden mit seinen weitläufigen Rasenflächen.

Zu Beginn der Meiji-Zeit (1868-1912) fand der westliche Einfluss auch Eingang in das traditionelle japanische Gartendesign, indem nun innerhalb der Gärten große Rasenflächen geschaffen wurden. Der Shinjuku Gyoen National Garden in Tokyo ist hierfür ein bekanntes Beispiel.

Der Autor: AMASAKI Hiromasa, Landschaftsarchitekt, Gartenkünstler und Professor an der Kyoto University of Art and Design. 1991 Preisträger des Japanese Institute of Landscape Architecture Prize. Präsident des Kyoto College of Art sowie Vizepräsident der Kyoto University of Art and Design. Derzeit Direktor h.c. des Research Center for Japanese Garden Art and Historical Heritage.

Fotos: Nara City Tourist Association, Museum of Kyoto, Leemu, @fukui_norisuke, shalion/PIXTA, Studio Koichi/Aflo, Izumi Shrine, Shinjuku Gyoen, Ministry of the Environment.

(c) niponica 2020