TICAD steht für die “Tokyo International Conference on African Development” und ist eine internationale Konferenz, die sich mit dem Thema der Entwicklung des afrikanischen Kontinents befasst. Seit 1993 wird diese Veranstaltung unter der Federführung Japans sowie im Zusammenwirken mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), der Weltbank sowie der Kommission der Afrikanischen Union (AUC) durchgeführt. Im Juli 2020 gab die Regierung von Japan bekannt, dass die 8. TICAD am 27. und 28. August 2022 in Tunesien stattfinden wird. Damit wurde diese Konferenz nach 2016 in Kenia nun bereits zum zweiten Mal in Afrika durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der TICAD7, die im August 2019 in Yokohama veranstaltet wurde, setzt Japan sein Engagement für die Unterstützung einer eigenverantwortlichen Entwicklung des afrikanischen Kontinents fort. Im Rahmen der TICAD8 fanden neben verschiedenen Sitzungen u.a. eine Vielzahl bilateraler Gespräche und Zusammenkünfte von Premierminister KISHIDA Fumio sowie Außenminister HAYASHI Yoshimasa mit führenden Vertretern der teilnehmenden afrikanischen Staaten statt. Eine Übersicht über die einzelnen Veranstaltungen und Resultate im Rahmen der Konferenz finden Sie auf der Sonderwebseite zur TICAD8. Darunter findet sich auch ein Überblick über die TICAD8-Erklärung von Tunis, in dem die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst sind (Links zur Webseite des Außenministeriums von Japan – in engl. Sprache).
Anlässlich der Eröffnung der TICAD8 hielt Premierminister Kishida das folgende Grußwort.

Bild: Premierminister Kishida während der TICAD8. Aufgrund einer Corona-Infektion nahm der Premierminister an dieser Konferenz im Online-Format teil. (Foto: Cabinet Public Affairs Office)
1. Einleitung
Ich begrüße die Staatsoberhäupter der Republik Tunesien, Seine Exzellenz Präsident SAIED, und der Republik Senegal, Seine Exzellenz Präsident SALL, sowie alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Konferenz auf das Herzlichste.
Seit ich in meiner Funktion als Außenminister Japans gemeinsam mit dem früheren Premierminister ABE Shinzo an der TICAD6 in Nairobi, der ersten TICAD in Afrika, teilnahm, sind sechs Jahre vergangen. Nun ist es mir eine große Freude, als Premierminister den Ko-Vorsitz bei der TICAD8 innezuhaben, die in Tunis stattfindet. Auch wenn ich online teilnehme, ist meine Leidenschaft für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents unverändert groß. Gemeinsam mit Ihnen allen bin ich fest entschlossen, die Beziehungen zwischen Japan und Afrika mithilfe der TICAD weiter zu vertiefen.
Afrika, das bis 2050 ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen wird, ist ein junger und hoffnungsvoller Kontinent, von dem wir uns ein dynamisches Wachstum erhoffen.
KUMA Kengo, einer der führenden Architekten Japans, sieht seine Erfahrungen im westlichen Afrika als Ausgangspunkt für seine Laufbahn als Architekt. Er setzt sich nun persönlich für die Ausbildung junger Menschen in Afrika ein. Für ihn ist Afrika ein ganz besonderer Ort, an dem er während seiner jungen Jahre zahlreiche Inspirationen erhielt und viele Dinge lernte. Herr Kuma entwarf u.a. das Hauptstadion für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tokyo. Ich hoffe, dass eines Tages junge Menschen aus Afrika seinem Beispiel folgen und eine Architektur verwirklichen werden, die ihre jeweiligen Heimatländer repräsentiert.
Japan strebt danach, ein „Partner Afrikas zu werden, mit dem wir gemeinsam wachsen.“ Wir werden mit diesem Kontinent zusammenarbeiten, um die Herausforderungen in der Region zu meistern und auf diese Weise Afrikas Entwicklung tatkräftig zu fördern. Dabei wird auch mein Land aufgrund der dabei gemachten Erfahrungen selber lernen und wachsen. Japan wird seine Initiativen mittels eines Ansatzes vorantreiben, der durch und durch japanisch ist und dabei den Fokus auf die „Menschen“ legen. Es ist meine Hoffnung, dass mein Land durch einen positiven Kreislauf von Wachstum und Verteilung dabei helfen kann, ein resilientes Afrika zu verwirklichen, so wie es die Menschen auf diesem Kontinent selber anstreben.
2. Japans Beitrag als „ein Partner Afrikas, mit dem wir gemeinsam wachsen“
Bei der TICAD7 im Jahr 2019 kündigte Japan im Privatsektor finanzielle Beiträge für Afrika in einem Umfang von 20 Mrd. Dollar an, und dieses Ziel haben wir in den vergangenen drei Jahren grundsätzlich erreicht. Im Rahmen von TICAD8 werden wir nun den Fokus auf die Menschen als Individuen legen, insbesondere auf „Investitionen in Menschen“ sowie auf die „Qualität des Wachstums“. Hierfür wird mein Land in den kommenden drei Jahren insgesamt 30 Mrd. Dollar investieren, die gemeinsam aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor stammen.
Erstens werden wir grünes Wachstum fördern. Hierfür werden wir „Japans Initiative für grünes Wachstum in Afrika“ ins Leben rufen und insgesamt 4 Mrd. Dollar an öffentlichen und privaten Finanzmitteln bereitstellen.
Zweitens werden wir Investitionen fördern. Insbesondere werden wir den Fokus auf Start-up-Unternehmen legen, in denen sich tatkräftige junge Menschen aus Japan und Afrika engagieren.
Drittens werden wir zusammen mit der Afrikanischen Entwicklungsbank eine Ko-Finanzierung von bis zu 5 Mrd. Dollar anbieten, um das Leben der Menschen in Afrika zu verbessern. Dies beinhaltet einen besonderen, neu eingerichteten Kredit von bis zu 1 Mrd. Dollar aus Japan zum Zweck der Förderung von Reformen, der zu einem besseren Schuldenmanagement führen sowie dabei helfen wird, ein resilientes und nachhaltiges Afrika zu verwirklichen.
Viertens hat die Ausbreitung von COVID-19 erneut die große Bedeutung der Bekämpfung von Infektionskrankheiten unterstrichen. Heute verkünde ich, dass Japan in den kommenden drei Jahren im Rahmen der siebten Aufstockung bis zu 1,08 Mrd. Dollar in den Global Fund einzahlen wird. Auf der Grundlage des Konzepts von Human Security wird Japan den Fokus auf Afrika richten und das Ziel verfolgen, einen Beitrag zu den unterstützenden Maßnahmen zu leisten, um die drei großen Infektionskrankheiten HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria zu bekämpfen sowie die Gesundheitssysteme zu stärken.
Fünftens werden wir die Entwicklung der humanen Ressourcen fördern. Die Zukunft Afrikas und Japans stützt sich auf die Menschen, die dort leben. Mein Land leistet seit vielen Jahren Beiträge für die Entwicklung der Humanressourcen in Afrika. Als Beispiel möchte ich hier das Noguchi Medical Research Institute in Ghana nennen, mit dem Japan seit seiner Gründung vor vier Jahrzehnten einen Beitrag zur Ausbildung von Forschenden vor Ort leistet. Nun spielt das Institut eine wichtige Rolle an der Spitze des Kampfes gegen COVID-19 im westlichen Afrika.
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse werden wir in den nächsten drei Jahren mehr als 300.000 Berufstätige in einem breiten Spektrum von Bereichen ausbilden, das von der Industrie über Gesundheit, Medizin, Bildung und Landwirtschaft bis hin zu Justiz und Verwaltung reicht.
Die „African Business Education Initiative for Youth (ABE Initiative)“ hat bereits rund 4.000 junge Menschen in Afrika als „Pioniere“ ausgebildet, die Wirtschaftsaktivitäten in Japan und auf dem afrikanischen Kontinent unterstützen.
Amedayenou Trevor CHRISTIAN aus der Côte d’Ivoire ist einer dieser vielversprechenden Afrikaner. Mit der Expertise, die er in Japan erworben hat, entwickelte er eine App, die die Suche nach Informationen über Stipendienprogramme vereinfacht. Dank dieser App haben nun mehr junge Menschen aus seinem Land die Chance, ein Hochschulstudium zu absolvieren. Viele andere junge Menschen wie Trevor werden als Wirtschaftsführer der nächsten Generation in Afrika wirken, die die sozialen Probleme ihrer Heimatländer in Angriff nehmen und gleichzeitig vielschichtige Netzwerke zwischen Japan und Afrika gestalten.
Es ist zudem von großer Bedeutung, den grenzüberschreitenden Personenverkehr wiederzubeleben. Japan hat jüngst seine Reisehinweise und -warnungen in Bezug auf Infektionskrankheiten für Staaten und Regionen mit niedrigen COVID-19-Infektionszahlen überarbeitet; darunter befinden sich auch zahlreiche afrikanische Staaten. Ich freue mich auf die Ausweitung der Aktivitäten durch „Menschen“ zwischen Japan und Afrika.
Der sechste Punkt umfasst die regionale Stabilisierung, die eine Voraussetzung dafür ist, dass Afrika das Potenzial seiner Menschen freisetzen kann, und die wesentlich für die Verwirklichung der Entwicklung Afrikas ist. In Sambia sprach eine frühere Geflüchtete, nachdem sie von der Japan International Cooperation Agency (JICA) Unterstützung für ihren Lebensunterhalt erhalten hatte, über ihren Traum, zunächst zur Schule zu gehen und danach ein eigenes Unternehmen zu gründen. Ein charakteristisches Merkmal der japanischen Unterstützung ist, dass wir über die reine Flüchtlingshilfe hinausgehen und Geflüchtete so lange unterstützen, bis sie unabhängig und in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Hierfür werden ihre Bedürfnisse so lange unterstützt, bis eine nachhaltige und stabile Gesellschaft verwirklicht ist.
Wenn wir Frieden und Wohlstand in Afrika und weltweit realisieren wollen, müssen wir die regelbasierte, freie und offene internationale Ordnung bewahren und weiter stärken. Wir werden die Koordination zwischen Japan und Afrika auf unterschiedlichen Ebenen ausbauen, um einen „Freien und offenen Indo-Pazifik“ zu fördern und um die Funktionen der Vereinten Nationen insgesamt zu stärken, u.a. durch eine Reform des Sicherheitsrats.
Wir arbeiten zudem mit den afrikanischen Staaten zusammen für eine Welt ohne Kernwaffen. Da sich der Weg in Richtung einer Welt ohne Kernwaffen in der aktuellen Situation schwieriger denn je gestaltet, habe ich kürzlich an der 10. Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags (NPT) teilgenommen und dort den „Hiroshima Action Plan“ vorgeschlagen, der auf fünf Maßnahmen beruht, sowie die Vertragsstaaten zu einem konstruktiven Engagement aufgerufen. Japan hat keine Mühe gescheut, um ein fruchtbares Resultat dieser Konferenz zu erreichen. Es fand eine aufrichtige Diskussion zwischen den teilnehmenden Staaten statt, und es ist zutiefst bedauerlich, dass Russland in der Schlussphase seinen Einspruch eingelegt hat und so die Konferenz nicht in der Lage war, im Konsens ein Abschlussdokument zu verabschieden.
Nichtsdestoweniger haben zahlreiche Vertragsstaaten erneut die große Bedeutung der Bewahrung und Stärkung des Nichtverbreitungsvertrags bekundet. Mit der Überzeugung, dass die weitere Beibehaltung und Stärkung des Nichtverbreitungsvertrags, an dem sich sowohl Kernwaffen- als auch Nichtkernwaffenstaaten beteiligen, der einzige realistische Ansatz für eine nukleare Abrüstung ist, wird Japan gemeinsam mit den afrikanischen Staaten sein realistisches Engagement fortsetzen.
3. Die Lage in der Ukraine und Nahrungssicherheit
Russlands Aggression gegenüber der Ukraine hat die Grundlagen der internationalen Ordnung erschüttert. Sollten wir die regelbasierte internationale Ordnung aufgeben und zulassen, dass der Status quo gewaltsam verändert wird, hätte dies Auswirkungen auch auf Afrika und die ganze Welt. Wir dürfen den zukunftsweisenden Weg, den die Staatengemeinschaft bis heute beschritten hat, nicht verlassen und zurückweichen.
Die anhaltende Aggression hat den Export von Getreide aus der Ukraine behindert, und die Nahrungsmittelkrise in Afrika gestaltet sich heute gravierender als je zuvor. Als enger Partner Afrikas wird Japan alles tun, um diese Situation zu lindern.
Mein Land hat jüngst entschieden, einen Betrag in Höhe von ca. 130 Mio. Dollar für Nahrungsmittelhilfen an afrikanische Staaten bereitzustellen. Zusätzlich wird Japan 300 Mio. Dollar bereitstellen, um die Nahrungsproduktion in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Entwicklungsbank zu unterstützen sowie den Aufbau von Kapazitäten für 200.000 Menschen im landwirtschaftlichen Sektor zu fördern.
Ebenfalls von großer Bedeutung für die Stärkung der Nahrungssicherheit in Afrika ist die internationale Koordinierung. Japan wird hierfür sein Engagement in enger Partnerschaft mit der internationalen Gemeinschaft ausbauen.
4. Schluss
Aufbauend auf den Diskussionen, die im Rahmen der TICAD8 geführt werden, wird mein Land als ein „Partner Afrikas, mit dem wir gemeinsam wachsen“, die Entwicklung des afrikanischen Kontinents auf der Basis der Eigenverantwortlichkeit Afrikas nachdrücklich unterstützen. Wir sehen dem G7-Gipfel in Hiroshima im kommenden Jahr erwartungsvoll entgegen.
Südafrikas früherer Präsident Nelson MANDELA hat einmal gesagt: „Wenn man einen hohen Berg bestiegen hat, entdeckt man bloß, dass es viele weitere zu besteigende Berge gibt.“ Wir sehen in der Tat, dass es noch viele Berge gibt, die wir besteigen müssen. Japan ist darauf erpicht, diese Berge gemeinsam mit Afrika zu besteigen. Ich freue mich auf die fruchtbaren Diskussionen in den beiden kommenden Tagen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.