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Ningyo Joruri – Geschichten aus dem Puppentheater

Neben dem No- sowie dem Kabuki-Theater gehören auch die von Puppen erzählten Geschichten des Theaters Ningyo Joruri zu den drei großen traditionellen darstellenden Künsten Japans. Diese Theaterform, deren Wurzeln bis in die Edo-Zeit (1603-1868) zurückreichen und die ihre Geschichten mithilfe von Puppen vorträgt, wird bis heute in Japan weitergegeben. (Am Ende dieses Beitrags finden Sie einen Link, der Ihnen u.a. die Möglichkeit bietet, die Aufführung zweier Stücke des Ningyo Joruri online zu erleben.)

Fotos: KURIHARA Osamu

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Bild: Mutter und Kind vereint im Stück „Keisei Awa no Naruto – Junrei Uta no Dan“ („Die Kurtisane bei den Meeresstrudeln von Awa – Pilgerlied-Kapitel“).

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Bild: Die Puppenspieler tragen schwarze Gewänder und Kapuzen, um unauffällig mit dem Bühnenhintergrund zu verschmelzen.

Bei dieser Form des Puppentheaters trägt ein tayu genannter Erzähler die Geschichte vor, während die dreisaitige Shamisen-Laute die Szene musikalisch untermalt und die Puppen sich gleichzeitig lebhaft dazu bewegen. Ningyo Joruri bildet somit eine einzigartige Form der darstellenden Kunst in Japan, bei der drei unterschiedliche Gruppen von Künstlern perfekt zusammenwirken und eine Geschichte vortragen.

Die Ursprünge dieser Geschichten des Puppentheaters liegen in katarimono, einer bestimmten Kategorie von erzählten Geschichten, die mit vertonten Versen vorgetragen wurden. Zu Beginn dienten die Biwa-Laute (ein Zupfinstrument) sowie das Schlagen mit Fächern als musikalische Begleitung, bis im 16. Jh. joruri genannte Erzählungen, die zur Musik der Shamisen gesungen wurden, eingeführt wurden. Ningyo Joruri („Puppen-Joruri“) entstand dann im 17. Jh. in Osaka , als sich die joruri mit dem Puppentheater verbanden. Auch wenn man bei Puppentheater zuallererst an Geschichten für Kinder denken könnte, ist Ningyo Joruri doch stets eine Unterhaltungskunst für Erwachsene gewesen. Viele der Geschichten basieren auf historischen Erzählungen und Ereignissen oder sie beschreiben die Liebe zwischen Eltern und Kindern sowie die Zuneigung zwischen Mann und Frau, beispielsweise in dem Meisterwerk Sonezaki Shinju („Liebestod in Sonezaki“) des Autors CHIKAMATSU Monzaemon; 1703 uraufgeführt, ein Werk, das bis heute nichts von seiner Popularität eingebüßt hat.

Von seiner Geburtsstätte Osaka aus verbreitete sich Ningyo Joruri über die Städte in ganz Japan. Besonders beliebt wurden diese Aufführungen in der Präfektur Tokushima auf der Insel Shikoku, wo während der Edo-Zeit eine Vielzahl von Ensembles gegründet sowie Bühnen unter freiem Himmel für öffentliche Vorführungen in der Nähe von Shinto-Schreinen errichtet wurden. Mehr als zwanzig Puppentheater sind dort bis heute aktiv, die fast täglich Aufführungen anbieten, etwa im Theater „Awa Jurobei Yashiki“ in der Stadt Tokushima.

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Bild: Tayu (Erzähler) und Shamisen-Spieler sitzen während der Aufführung in einem Bereich neben der Bühne, der als yuka bezeichnet wird.

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Bild: Im Theater „Awa Jurobei Yashiki“ werden während der Aufführung Untertitel auf Japanisch und Englisch eingeblendet.

Die am häufigsten in diesem Theater aufgeführte Geschichte beruht auf einer lokalen Familienfehde und schildert eindrucksvoll die Liebe zwischen Eltern und Kindern. In einer Szene, in der Mutter und Kind endlich wiedervereint sind, lässt eine der Puppen ihre Schultern ganz leicht erzittern, während sie ihre Hand zum Gesicht führt – eine Geste, die so realistisch wirkt, dass die Puppe tatsächlich Tränen zu vergießen scheint. Diese lebensechte Spielweise wird durch eine einzigartige Technik ermöglicht, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt und bei der die Puppe gleichzeitig von drei Puppenspielern bewegt wird. Jeder Spieler führt einen bestimmten Teil der Puppe: etwa Kopf und rechte Hand, linke Hand oder die Beine, um auf diese Weise fließende, menschlich wirkende Gesten und Emotionen hervorzubringen, die sich durch eine große Fülle an Details auszeichnen. Die als Gesang vom tayu vorgetragene Erzählung und der Klang der Shamisen fügen der Aufführung weitere Nuancen hinzu. Zusammen mit den Bewegungen der Puppen kreieren Gesang und Musikinstrument eine exquisite Welt des Puppenspiels.

Vorführungen mit Ningyo Joruri kann man nicht nur in der Präfektur Tokushima, sondern überall in Japan erleben. Diese Form des Puppentheaters erzählt nuancierte Geschichten vom reichen Innenleben der Menschen und bietet dem Publikum somit ein unvergessliches Erlebnis.

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Bild: Im Theater „Awa Jurobei Yashiki“ können sich die Besucher auch Exponate, die mit dem Ningyo Joruri in Beziehung stehen, anschauen.

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Bild: Die Bühne „Haigyu Noson Butai“ liegt in einer ländlichen Gemeinde in der Präfektur Tokushima. Einmal im Jahr kommen die Bewohner der Umgebung hier zusammen, um öffentliche Vorführungen unter freiem Himmel zu erleben.

Das Original dieses Beitrags wurde von niponica, dem Web-Magazin von Web Japan (Außenministerium von Japan), übernommen und für NEUES AUS JAPAN ins Deutsche übersetzt. Den Originalbeitrag (in englischer Sprache) finden Sie hier: https://web-japan.org/niponica/niponica33/en/feature/feature02.html

Weitere Informationen zum Joruri-Puppentheater finden Sie unter dem folgenden Link auf der Webseite der Botschaft von Japan: https://www.de.emb-japan.go.jp/itpr_de/160jd_joruri.html(Hier können Sie u.a. die Aufführung zweier Stücke online zu erleben.)