Die 9. Tokyo International Conference on African Development (TICAD 9) fand vom 20. bis 22. August in Yokohama statt. Diese Konferenz hat sich zu einem wichtigen Pfeiler für Japans langfristiges Engagement in Afrika entwickelt, um durch eine auf enge Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort beruhende Partnerschaft Frieden und Wohlstand auf dem afrikanischen Kontinent zu fördern. Anlässlich der Eröffnung dieser Veranstaltung, zu der Vertreter zahlreicher afrikanischer Staaten und internationaler Organisationen nach Japan kamen, hielt Premierminister ISHIBA Shigeru die nachstehende Rede. Einen umfassenden Überblick über die zahlreichen Veranstaltungen und Ergebnisse im Rahmen dieser Konferenz finden Sie auf dieser [Sonderseite zur TICAD 9] (Link zur Webseite des Amts des Premierministers – in englischer Sprache).

Bild: Premierminister Ishiba während seiner Rede anlässlich der Eröffnung der TICAD 9 am 20. 08. 2025 (Foto: Cabinet Public Affairs Office)
„Exzellenz Lourenço als Präsident der Republik Angola und Vorsitzender der Afrikanischen Union, sehr geehrte Staats- und Regierungschefs sowie Minister als Vertreter der afrikanischen Staaten, sehr geehrte Anwesende,
die 9. Tokyo International Conference on African Development (TICAD 9) findet erstmals seit sechs Jahren wieder in Japan statt. Es ist mir eine Ehre, Sie alle im Namen des gastgebenden Landes willkommen heißen zu dürfen. TICAD wurde auf den Grundprinzipen der Eigenverantwortung Afrikas und der internationalen Partnerschaft ins Leben gerufen. Von der Zukunft Afrikas fest überzeugt, hat Japan 1993 diesen Prozess initiiert, kurz nach dem Ende des Kalten Krieges.
Wenn wir auf die Geschichte zwischen Japan und Afrika zurückblicken, reicht sie zurück bis zur Tensho-Gesandtschaft nach Europa im 16. Jahrhundert. Damals wurden vier junge Japaner als Vertreter christlicher Feudalherren in Japan nach Rom entsendet. Auf ihrer Rückreise legten sie einen Zwischenstopp in Mosambik ein. Und Dr. NOGUCHI Hideyo, der 1927 nach Ghana kam, um dort über Gelbfieber zu forschen, kann als ein Vorbild für Japaner angesehen werden, die sich für die Lösung der Herausforderungen Afrikas einsetzen.
Mein persönliches Engagement für Afrika reicht bis in das Jahr 2000 zurück, als ich Senegal besuchte. Damals war ich Vizeminister für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei. Nach der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 gab es zunehmenden Druck auf Japan, seinen Agrarmarkt zu öffnen, und so versuchte ich seinerzeit, die Kooperation mit anderen Ländern auszubauen und Partner für Japan zu finden. Dabei kam ich auch nach Senegal. Dort machte ich dem senegalesischen Landwirtschaftsminister folgenden Vorschlag: „Lassen Sie uns als Länder, die beide einen niedrigen Selbstversorgungsgrad bei Lebensmitteln haben, zusammenarbeiten. Lassen Sie uns im Rahmen der WTO kooperieren.“ Mein Amtskollege aus dem Senegal lehnte dies jedoch rundweg ab. Es treffe zwar zu, dass unsere beiden Länder einen niedrigen Selbstversorgungsgrad hätten, aber die Ursachen dafür seien vollkommen verschieden. Japans sei wirtschaftlich wohlhabend und könne daher Nahrungsmittel überall auf der Welt kaufen. Senegal hingegen habe, auch wenn es Bewässerungsanlagen und weitere Technologien einführen wolle, dafür gar kein Geld. Sein Land habe daher einfach keine andere Wahl, als weltweit Nahrungsmittel zu kaufen. Ich war über meine eigenen Worte sehr beschämt. Es ist wichtig, dass wir unser Gegenüber verstehen, zusammen nachdenken und schließlich gemeinsam Lösungen finden. Für die Entwicklung Afrikas sind Lösungen, die vor Ort verwurzelt sind, von großer Bedeutung. Die damalige eindringliche Erfahrung ließ mich dies deutlich erkennen. Tatsächlich ist dies genau das Thema von TICAD 9.
Beim gemeinsamen Finden von Lösungen für die anstehenden Herausforderungen legt TICAD 9 den Fokus auf drei wichtige Bereiche: Nachhaltiges Wachstum, das vom Privatsektor angeführt wird, junge Menschen und Frauen sowie regionale Integration und Konnektivität innerhalb Afrikas und darüber hinaus.
Nachhaltiges Wachstum, angeführt vom Privatsektor
Der erste Bereich ist das vom privaten Sektor angeführte nachhaltige Wachstum. Öffentlicher und privater Sektor werden dabei zusammenwirken und Investitionen vonseiten des Privatsektors fördern. Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden, indem wir Technologien und Expertise japanischer Unternehmen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Digitale Transformation (DX), Grüne Transformation (GX) sowie Anwendung von Satellitendaten nutzen.
Wahrscheinlich wird diese Botschaft nicht richtig verstanden, wenn man sie in diesen abstrakten Begriffen formuliert. Daher ein Beispiel: Wie wäre es, digitale Technologien dafür zu nutzen, um detaillierte Kreditanalysen durchzuführen und Taxifahrern, die zuvor Schwierigkeiten hatten, Zugang zu Finanzdienstleistungen zu erhalten, Kreditangebote zu vermitteln? Diese hart arbeitenden Fahrer können die Kredite dann dafür verwenden, gebrauchte Autos zu kaufen und mit ihrer Arbeit den Kredit zurückzahlen. Mithilfe digitaler Technologien möchte ich dabei mitwirken, eine Gesellschaft zu gestalten, in der aufrichtige Anstrengungen belohnt werden.
Das Meistern von Herausforderungen ist dabei keine Einbahnstraße. Ich wünsche mir, dass Afrika seine Stärken dafür zur Verfügung stellt, um auch Japans Herausforderungen zu lösen. Japans Bevölkerungszahl schrumpft immer weiter. Es heißt, in 75 Jahren werde sich die Bevölkerung meines Landes halbiert haben. Während die Bevölkerungszahl schrumpft, konzentrieren sich immer mehr Menschen in Tokyo, gleich nebenan von Yokohama. In den Regionen nimmt die Zahl der Menschen immer weiter ab. Dies stellt für Japan eine große Aufgabe dar. Eine weitere große Aufgabe ist der Rückgang der landwirtschaftlichen Flächen. Bei diesen zahlreichen Aufgaben möchten wir uns die Weisheit und die Kraft Afrikas ausleihen. Im Westen Japans liegt die Region Kyushu. Dort, in der Präfektur Nagasaki, gibt es das Gebiet der Goto-Inseln, das aus vielen entlegenen Inseln besteht und in der die Bevölkerungszahl erheblich zurückgeht. Die Verkehrswege sind dort sehr eingeschränkt. Daher werden dort Drohnen verwendet, um Medikamente auszuliefern. Dies ist für viele Menschen eine große Hilfe. Nun, wo fanden die Demonstrationstests für diese Drohnen statt? Richtig, in Ruanda. Dank der Kooperation vonseiten der Menschen in Ruanda waren wir in der Lage, eine von Japans Herausforderungen infolge der sinkenden Geburtenrate und Abwanderung zu meistern.
Auf diese Weise gewinnen neue Dienstleistungen und Wirtschaftsaktivitäten durch Startups in Afrika weiter an Fahrt. Um aber das Potenzial von Afrikas wachsender junger Bevölkerung freizusetzen, besteht eine der Herausforderungen darin, Industrien und die Produktion von Gütern zu fördern, um Beschäftigung zu generieren. Um Afrikas Produktivität im Bereich der Herstellung von Gütern zu verbessern, startete Japan ein Programm für Kaizen-Ausbildung in Tunesien, das mittlerweile auf 41 afrikanische Länder ausgeweitet wurde. Die Zahl der Kaizen-Ausbilder beträgt inzwischen 1.400. Diese Ausbilder tragen zur Produktionsverbesserung von 18.000 Unternehmen bei, die insgesamt 280.000 Menschen beschäftigen. Durch diesen Kaizen-Ansatz wurde die Produktivität dieser Unternehmen einem Bericht zufolge um mehr als sechzig Prozent gesteigert. Zusätzlich zu diesen Anstrengungen werden wir das industrielle Ökosystem zwischen Japan und Afrika fördern und ausweiten. Wir werden die Initiative „Japan Africa Co-Creation for Industry“ vorantreiben, eine Initiative, bei der afrikanische Startups und japanische Unternehmen gemeinsam Industrien weiterentwickeln.

Bild: Premierminister Ishiba beim Besuch einer Ausstellung im Rahmen von TICAD 9 (Foto: Cabinet Public Affairs Office)
Auf finanziellem Gebiet werden wir die Funktionen der „Enhanced Private Sector Assistance for Africa“, ein partnerschaftlicher Rahmen zwischen Japan und der Afrikanischen Entwicklungsbank, auf maximal 5,5 Mrd. Dollar ausweiten. Wir werden 1,5 Mrd. Dollar als Anschub-Investitionen vonseiten des öffentlichen und des privaten Sektors mobilisieren und dafür das Programm zur Finanzierung von Investitionen des Privatsektors der Japan International Cooperation Agency (JICA) als Katalysator einsetzen. Zudem werden wir in größtmöglichem Umfang Warenkreditversicherungen nutzen, um Geschäftsrisiken zu reduzieren. Auch der Inangriffnahme der Schuldenproblematik kommt für die Verwirklichung von nachhaltigem Wachstum große Bedeutung zu. Japan wird weiterhin eine führende Rolle bei der Verbesserung der Umsetzung des Gemeinsamen Rahmens für Schuldenbehandlung und Ausweitung der Schuldentransparenz spielen.
Junge Menschen und Frauen
Lassen Sie mich noch einmal zurückkehren zu meinem eingangs angeführten Besuch in Senegal vor 25 Jahren. Da ich damals in der Hauptstadt Dakar war, beschloss ich, auch den Leuchtturm von Mamelles zu besichtigen, den westlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents. Dort traf ich eine Gruppe von Oberschülerinnen, die etwa fünfzehn, sechzehn Jahre alt waren. Mit Unterstützung des japanischen Botschafters vor Ort kam es zu einer spontanen Diskussionsveranstaltung. Ich fragte die Schülerinnen behutsam nach ihren Träumen für die Zukunft. Da begannen ihre Augen zu leuchten und sie sprachen mit Leidenschaft über ihren künftigen Wunsch, Ärztin oder Lehrerin zu werden. In dem Moment war ich überzeugt: Junge Menschen wie diese hier gestalten Afrikas helle Zukunft. Nun ist diese Überzeugung Wirklichkeit geworden.
Mit einem Durchschnittsalter von neunzehn Jahren strömt Afrika gleichsam über vor jugendlicher Vitalität. Der Schlüssel dafür, diesen Kontinent zum nächsten Wachstumszentrum zu machen, besteht darin, die Fähigkeiten der jungen Menschen und Frauen auszubauen und Arbeitsplätze für sie zu schaffen. Daher werden wir in den nächsten drei Jahren ein Programm zur Entwicklung humaner Ressourcen für 300.000 Menschen umsetzen. Beispielsweise werden wir die Entwicklung herausragender KI-Talente fördern, zum Beispiel Pelonomi MOILOA, die an der Tohoku University in Japan studiert hat und vom TIME Magazin als eine der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten im Bereich der Künstlichen Intelligenz ausgewählt wurde. Mithilfe der „AI Data and Science Human Resource Development and Africa Economic Growth Initiative” werden wir im Zeitraum von drei Jahren 30.000 Menschen für die afrikanische KI-Industrie ausbilden.
Japan ruft zudem im Rahmen des „Investment Promotion Package for Sustainable Health in Africa“ zu Investitionen in den Gesundheitssektor auf dem Kontinent auf. Der Knowledge Hub zur flächendeckenden Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage, UHC), der dieses Jahr in Japan eingerichtet wird, sowie die Ausbildung von 35.000 Personen im Gesundheits- und Medizinbereich werden dazu beitragen, die UHC in den Ländern Afrikas zu verwirklichen. Zudem werden wir Afrikas Versorgung mit Impfstoffen durch Beiträge in Höhe von bis zu 550 Mio. Dollar für die nächsten fünf Jahre über die Impfallianz Gavi unterstützen.
Im Bildungsbereich, der die wichtigste Grundlage für die Entwicklung humaner Ressourcen darstellt, wollen wir das Lernen von zehn Millionen Kindern verbessern sowie 150.000 Menschen als fortgeschrittenes Personal ausbilden.
Regionale Integration und Konnektivität innerhalb Afrikas und darüber hinaus
Der dritte Bereich ist die regionale Integration und Konnektivität innerhalb Afrikas und darüber hinaus. Für das weitere Wachstum in den Ländern Afrikas sind neben der Ausweitung der industriellen Kapazitäten auch die regionale Integration über Ländergrenzen hinaus sowie der Ausbau der Konnektivität erforderlich. Um die regionale Integration des Kontinents zu stärken, unterstützt Japan die Umsetzung und Förderung der African Continental Free Trade Area. Hierfür werden wir eine gemeinsame Studiengruppe des öffentlichen und privaten Sektors für eine japanisch-afrikanische Wirtschaftspartnerschaft einrichten.
In der Vergangenheit hat Japan einen Großteil seines Platin-Bedarfs in Afrika gedeckt. Wir möchten diese Kooperation durch die „Resilient and Inclusive Supply-chain Enhancement (RISE) Partnership“ und weitere Initiativen ausweiten, um eine stabile Versorgung mit den reichen Ressourcen Afrikas sicherzustellen, darunter Kupfer und Kobalt, die in Fahrzeugen mit Hybrid- und Elektroantrieb zum Einsatz kommen. Zudem werden wir eine neue, die ganze Region umfassende Initiative für eine gemeinsame Co-Creation-Agenda ins Leben rufen, die die Logistik im Nacala-Korridor im Südosten Afrikas fördert. Damit wird ein Beitrag zur besseren Versorgung mit Mineralressourcen geleistet, während gleichzeitig die industrielle Entwicklung der Region gefördert wird. Auch der Ausbau der offenen Konnektivität innerhalb Afrikas und darüber hinaus ist von großer Bedeutung. Daher rufen wir die „Economic Region Initiative of Indian Ocean – Africa” ins Leben, um Handel und Investitionen zwischen Afrika und der Region des Indischen Ozeans zu stärken und auf diese Weise einen Beitrag zur regionalen Integration und industriellen Entwicklung des afrikanischen Kontinents zu leisten.
Frieden und Stabilität, Wirtschaftswachstum und inklusive Gesellschaften hängen alle miteinander zusammen. Um eine positive Dynamik von Frieden, Wachstum und Stabilität für diesen Kontinent zu erzeugen, wird Japan gemeinsam mit Afrika durch Beiträge zur Unterstützungs- und Stabilisierungsmission der Afrikanischen Union in Somalia, zur „Africa Mine Action Platform“ und zur Förderung der Initiative „Women, Peace and Security“ (WPS) zusammenwirken.
Afrika beteiligt sich heute als verantwortungsvoller Akteur an der Gestaltung der Weltordnung. Japan wird mit Afrika zusammenarbeiten, um eine verantwortungsvolle Global Governance zu formen, die den Stimmen der afrikanischen Länder innerhalb der internationalen Gemeinschaft noch mehr Gehör verschafft. Wir kooperieren mit den Ländern Afrikas bei der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und guten Regierungsführung, die zu den Zielen der Agenda 2063 zählen. Japan wird seine Anstrengungen für die Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) auf der Grundlage des Konzepts von Human Security fortführen.
Heute weilt auch VN-Generalsekretär António Guterres unter uns, und in diesem Jahr jährt sich die Gründung der Vereinten Nationen zum 80. Mal. Gemeinsam mit den Staaten Afrikas wird Japan sich für konkrete Fortschritte bei der Reform des VN-Sicherheitsrats einsetzen. Zudem wollen wir mit Afrika zusammen einen „Freien und offenen Indopazifik“ fördern, der auf den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit beruht, so wie dies von Japan auf der TICAD VI vorgeschlagen wurde.
Wir treten nun in eine Ära ein, in der aus Afrika kommende Lösungen die internationale Gemeinschaft unter Einschluss Japans retten. Japan hat den Wunsch, auch weiterhin ein verlässlicher Partner zu sein, der gemeinsam den Weg mit Afrika beschreitet und der gegenseitige Lösungen bereitstellt. Als Beweis dieser Zusage meines Landes, konkret zu handeln, möchte ich Ihnen hier mitteilen, dass im Rahmen der TICAD 9 diesmal über 300 Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet wurden. Japan glaubt fest an die Zukunft Afrikas und wird die Investitionen auf diesem Kontinent weiter vorantreiben.
„Ich bin nicht gekommen, um zu lehren. Ich bin gekommen, um zu lernen.“ Dies sind die Worte von Dr. NOGUCHI Hideyo, der in Mittel- und Südamerika sowie in Ghana über Gelbfieber forschte, wie ich Ihnen eingangs berichtete. Dr. Noguchi verfolgte einen Ansatz der Praxis vor Ort. Und so lernte er von Afrika und arbeitete, um die Probleme vor Ort in Ghana zu lösen. Dies kann als ein ko-kreatives Engagement zur Problemlösung vor hundert Jahren bezeichnet werden. Lassen Sie uns nun im 21. Jahrhundert miteinander vereint sein – Japan und die hier versammelten führenden Persönlichkeiten Afrikas – und zusammen innovative Lösungen gestalten, um die Herausforderungen, vor denen Afrika und die Welt stehen, in Angriff zu nehmen.
Vielen Dank.“