Fotos: ARAI Akiko

Bild: Das freundlich und zugleich elegant wirkende Interieur des Kanmidokoro Hatsune in Tokyo
In Städten überall in Japan findet man „Kanmidokoro“ (wörtlich „Orte des süßen Geschmacks“). Dabei handelt es sich, wie der Name schon sagt, um Cafés, die sich auf süße Gerichte spezialisiert haben. Entstanden sind sie gegen Ende der Edo-Zeit (1603-1868) zu Beginn des 19. Jh. Damit können sie auf eine längere Geschichte zurückblicken als Japans „Kissaten“ (Teestuben), die zugleich auch Cafés sind. Im Gegensatz zu den Kissaten, die vorwiegend Getränke und Speisen westlichen Ursprungs wie z.B. Kaffee, Kuchen oder Sandwiches anbieten, haben sich Kanmidokoro dem Servieren traditioneller japanischer Süßspeisen verschrieben. Manche bieten auch leichte herzhafte Snacks an. Mit ihren charakteristischen Einrichtungen, die innen wie außen ganz in Holz und Bambus gehalten sind, nehmen diese Cafés ihre Gäste mit auf eine Zeitreise in das alte Japan.

Bild: Der Eingang des Cafés Hatsune
Eine unverzichtbare Zutat für viele der auf den Speisekarten von Kanmidokoro
angebotenen Gerichte ist Azuki-Bohnenpaste. Dieses süße Bohnenmus, für das Azuki-Bohnen mit Wasser und Zucker eingekocht werden, gibt es in zwei Varianten: Koshi-an, bei der die Schalen der Bohnen herausgesiebt werden, und Tsubu-an, bei dem die Schalen in der Paste bleiben.

Bild: Köstlicher milder Tee wird mit Wasser zubereitet, das in einem eisernen Teekessel erhitzt wurde
Süße Shiruko-Suppe wird aus Azuki-Paste zubereitet und zusammen mit gegrilltem Mochi-Reiskuchen serviert. Dieses Gericht bildet bereits eine volle Mahlzeit. Wer auf der Suche nach einem leichten und erfrischenden Dessert ist, für den bietet sich „Mitsumame“ an, eine Kombination aus roten Erbsen und Gelée aus Tengusa-Algen. Über das Ganze kommt dann noch weißer oder brauner Sirup. In den 1930er Jahren verfeinerte ein Kanmidokoro in Ginza dieses Gericht mit einem Löffel Azuki-Paste nach Art eines Eisbechers und gab ihm den Namen „Anmitsu“. Bis heute zählt Anmitsu zu den beliebtesten Gerichten, die in Kanmidokoro angeboten werden.
Anmitsu

Bild: Azuki-Bohnenpaste, Gyuhi (Mochi-Reis aus Reismehl und Malzsirup) und Obst werden farbenfroh arrangiert. Darüber kommt noch weißer oder brauner Sirup, und schon ist das Dessert fertig!

Bild: Verborgen unter den anderen Zutaten findet man Gelée und rote Erbsen. Glänzende Würfel aus Gelée sind die heimlichen Stars von Anmitsu.
Die meisten angebotenen Süßspeisen können nicht im Voraus zubereitet werden. Shiratama – kleine weiße Knödel aus Reismehlteig – verlieren ihre feste Konsistenz, wenn sie nach dem Kochen zu lange aufbewahrt werden. Und Gelée wird rasch weich, nachdem es in Würfel geschnitten wurde. Um die Zutaten in der richtigen Konsistenz zu servieren, werden Shiratama und Gelée erst zubereitet, nachdem die Kunden ihre Bestellung aufgegeben haben. Es sind die bissfesten und doch zugleich weichen Shiratama, die zusammen mit Gelée, süßem Sirup und Azuki-Paste die Sinne entzücken. Nichts kommt der Entspannung bei einem dieser besonderen Gerichte gleich!
Das Kanmidokoro Hatsune wurde 1837 gegründet und befindet sich in der Gegend Ningyo-cho in Tokyo. Laut ISHIYAMA Miyuki, Besitzerin in 8. Generation, findet man die meisten älteren Kanmidokoro in sogenannten Monzen-machi, also im Umfeld bekannter Tempel oder Schreine: „Früher wurden in Japan die Restaurants in den Städten nur von Männern besucht. Damals waren Kanmidokoro tatsächlich die einzigen Orte, an denen Frauen und Kinder sich hinsetzen und eine vergnügliche Zeit verbringen konnten, während sie etwas aßen. Nach dem Besuch in einem Tempel oder Schrein war es für Frauen und Kinder ein großes Vergnügen, bei diesen Süßspeisen-Cafés vorbeizuschauen.“
Kanmidokoro sind hoch geschätzte Orte, um traditionelle handgemachte Süßigkeiten und eine nostalgische Atmosphäre zu genießen. Heute stehen sie allen Besuchern offen, egal ob Mann oder Frau, jung oder alt – jeder, der Süßes mag, ist herzlich willkommen!
Zoni

Bild: Zoni, eine Suppe auf Grundlage einer Brühe mit Mochi-Reiskuchen und weiteren Zutaten, ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil der Feier des japanischen Neujahrsfestes, sondern zugleich auch ein ganz alltägliches Gericht. In vielen Kanmidokoro findet man Zoni als leichte Mahlzeit auf der Speisekarte. Die Abbildung zeigt eine Zoni-Suppe, wie sie im Hatsune angeboten wird – mit Eischnee, Algen und Mitsuba (Japanische Petersilie).
Shiruko

Bild: Shiruko mit Azuki-Bohnenpaste und gegrillten Mochi-Reiskuchen bildet ein herzhaftes und süßes Suppengericht. Ergänzt wird es durch eingelegte Shiso (Schwarznessel) oder anderen kleine Gerichte als Gaumenreiniger.
Das Original dieses Beitrags wurde von niponica, dem Web-Magazin von Web Japan (Außenministerium von Japan), übernommen und für NEUES AUS JAPAN ins Deutsche übersetzt. Den Originalbeitrag (in englischer Sprache) finden Sie hier: https://web-japan.org/niponica/niponica31/en/feature/feature07.html