Bemerkungen von Justizministerin MORI Masako (betreffend den Angeklagten Carlos Ghosn) (2) - Vorläufige Übersetzung

2020/1/9
(Vorläufige Übersetzung)

Im Rahmen seiner gestrigen Pressekonferenz hat der Angeklagte Carlos Ghosn eine Reihe kritischer Äußerungen über das Strafrechtssystem in Japan getätigt.

Diese Äußerungen waren größtenteils abstrakt, in ihrer Aussage unklar oder entbehrten vollkommen eines Beweises. Da sie aber weltweit übertragen wurden und international ein falsches Verständnis verbreiten könnten, möchte ich für ein korrektes Verständnis zusätzlich zu den gestern angeführten Punkten einige Punkte allgemeinerer Art anmerken.
Hinzufügen möchte ich zudem, dass die Ermittlungen und prozessualen Aktivitäten in einem konkreten Fall in der Verantwortung und Zuständigkeit der Ermittlungsbehörden liegen sollten, so dass ich als Justizministerin keine diesbezüglichen Äußerungen machen oder meine Ansichten dazu darlegen werde.
 
  • Es wurde kritisiert, das japanische Justizsystem sei eine „Geiseljustiz“. Wie ich gestern bereits ausführte, schreibt Japans Strafrechtssystem unter Gewährleistung der grundlegenden Menschenrechte des Einzelnen ordnungsgemäße Verfahren vor und es wird in angemessener Weise gehandhabt, um die Wahrheit in Bezug auf den verhandelten Fall herauszufinden. Die Kritik ist daher unzutreffend.
  • Der Angeklagte kritisierte zudem, dass die Quote der Schuldsprüche in Japan bei 99 Prozent liegt, so dass kein faires Verfahren möglich sei. Bei den Staatsanwaltschaften in Japan hat es sich eingebürgert, dass, um Unschuldige nicht den Belastungen und Nachteilen eines gerichtlichen Verfahrens auszusetzen, erst dann Anklage erhoben wird, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Aussicht auf einen Schuldspruch aufgrund eindeutiger Beweise besteht. Die Richter fällen ihre Urteile aus einer neutralen und fairen Position heraus. Die Kritik, dass aufgrund der hohen Schuldspruchquote ein faires Verfahren nicht möglich sei, trifft daher nicht zu.
  • Es wurde allgemein die Verhörpraxis kritisiert; beispielsweise habe sich das Verhör über einen langen Zeitraum erstreckt und es finde nicht im Beisein eines Anwalts statt. In Japan hat ein Verdächtiger das Recht zu schweigen sowie ohne Beisein einer anderen Person einen Anwalt zu konsultieren. Zudem werden die Menschenrechte des Verdächtigen stets beachtet; so sind beispielsweise angemessene Pausen einzuhalten, und das Verhör findet in ordnungsgemäßer Weise einschließlich Ton- und Bildaufzeichnungen statt.
  • Es wurde kritisiert, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren verschleppe und daher bis zu einem Urteil mehr als fünf Jahre vergehen würden. Tatsächlich unternimmt die Staatsanwaltschaft vielfältige Anstrengungen, um das Verfahren zügig voranzubringen.
  • Der Angeklagte kritisierte, dass das Verbot, seine Ehefrau während seiner vorübergehenden Freilassung zu treffen, seine Menschenrechte verletze. Sofern keine Fluchtgefahr oder die Gefahr, dass Beweismittel versteckt oder vernichtet werden, besteht, bestehen keine Beschränkungen hinsichtlich der Zusammenkunft mit bestimmten Personen.
  • Es wurde kritisiert, dass die Ermittlungen aufgrund einer Intrige von Vertretern der Nissan Motor Co. und der Regierung von Japan erfolgten. Hierzu ist anzumerken, dass sich die Staatsanwaltschaft keineswegs an einer Intrige interessierter Personen beteiligen und Ermittlungen durchführen würde, die eigentlich nicht Gegenstand von Ermittlungen sind.

Darüber hinaus hat der Angeklagte Ghosn verschiedene weitere Äußerungen über sein eigenes Strafverfahren getätigt, jedoch rechtfertigen diese Äußerungen die Flucht des Angeklagten ins Ausland in keinerlei Weise. 
Sollte der Angeklagte sich zu seinem Fall äußern wollen, steht es ihm frei, dies zusammen mit konkreten Beweisen vor einem Gericht in Japan zu tun. Es ist mein nachdrücklicher Wunsch, dass er diese Äußerungen im Rahmen eines fairen strafrechtlichen Verfahrens in Japan tätigt und sich dem Urteil eines fairen Gerichts stellt.