Filme aus Japan

„Das wandelnde Schloss“

(Japan 2004, 120 Minuten, FSK 6)

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Botschaft von Japan
.Neues aus Japan Nr.10                                September 2005

 

 

 

 

 

Hayao Miyazaki ist inzwischen 64 Jahre alt – offensichtlich ein Alter in dem man auf ein Lebenswerk zurückschauen und trotzdem Kind bleiben kann. Der große alte Mann des japanischen Animationsfilms wird auf den kommenden Filmfestspielen von Venedig mit einer Retrospektive und dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt. Ich möchte mich an dieser Stelle in die Reihe der Gratulanten einreihen und ihm danken, dass er mir immer wieder aufs neue ein Gefühl vermittelt, das Japaner mit „natsukashii“ umschreiben – nämlich sich sehnsuchtsvoll an etwas erinnern.

Sehe ich Miyazakis „Wandelndes Schloss“, dann erinnere ich mich an eine Unmenge geliebter Dinge aus meiner Kindheit und Jugend – beginnend mit dem auf einem Hühnerbein stehenden Hexenhaus der Baba Jaga, eine fürsorglich Eier bratende Großmutter, wunderschöne androgyne Prinzen, Alm-Idyllen, die man nur von Postkarten kannte... Miyazaki selbst scheint es ähnlich zu gehen, er erinnert sich viel und oft, was uns Betrachtern seiner Filme nicht verborgen bleiben kann. Man kann ihm diese „Selbstzitate“ vorwerfen oder goutieren, dass er sich nie wirklich wiederholt – das ist Ansichtssache. Tatsache ist, dass, wer dem „Wandelnden Schloss“ folgt, an den vielen Parallelen zu früheren Miyazaki-Werken wie „Nausicaa“, „Prinzessin Mononoke“ oder „Chihiros Reise ins Zauberland“ nicht vorbeikommt. Sophie ist wie Chihiro ein kleines starkes Mädchen, das zur unfreiwilligen Heldin wird; Hauru ist wie Haku ein verzauberter Zauberer, der der Erlösung harrt; es gibt die vielen wundervollen, herzerwärmenden „supporting acts“, wie den Feuerdämon Calcifer, die Vogelscheuche, Baumgeister, kleine kurzatmige Hunde oder vielarmige Maschinisten. Miyazakis Kreativität ist ungebrochen: die Bilder, die er immer noch in Handarbeit schafft, haben nichts von ihrer Faszination verloren.

Das „Wandelnde Schloss“ beruht auf einem Märchen der britischen Kinderbuchautorin Diana Wynne Jones („Sophie im Schloss des Zauberers“) und entführt uns in ein kleines europäisches Städtchen. Hier lebt die Hutmachertochter Sophie, der im Laufe eines Tages nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Jugend geraubt wird. Um beides wiederzugewinnen macht sie sich auf die Suche nach dem Zauberer Hauru, der in einem gigantischen Wohnmobil durch die Gegend stakst, gleichsam auf der Flucht vor der Welt und sich selbst. Gemeinsam mit dem Feuergeist Calcifer und dem jungen Markl kämpft Sophie nun um den eitlen, narzisstischen Geliebten und um das Gute in der Welt. Wieder ist es eine Parabel auf die allumfassende Erlöserkraft der Liebe, die gepaart mit Verantwortung und schnöder Arbeit jedes Problem löst. Auch dem „Wandelnden Schloss“ fehlt es nicht an einer komplexen Botschaft – die Liebesgeschichte ist eingebettet in eine Zeit zerstörerischen Krieges. Miyazaki lässt faszinierendes Kriegsgerät vor dem feurig roten Horizont auftauchen und unheilschwangere Kriegsgeister das Geschehen um Sophie und Hauro bedrohen. Es wäre kein Märchenfilm, könnte nicht auch in diesem Falle die Liebe den mörderischen Krieg beenden und uns die Illusion immerwährenden Friedens und von Freundschaft unter den Menschen vermitteln.

Als kleiner Hinweis für Freunde japanischer Anime und insbesondere Miyazakis Wunderwerken: Nach und nach werden die Ghibli-Perlen „Nausicaa aus dem Tal der Winde“, „Kikis kleiner Lieferservice“, „Mein Freund Totoro“, „Kiki“, „Laputa“, „Only Yesterday“, „Porco Rosso“ und „Pom Poko“ auf DVD erscheinen.
 

Fazit: Wohl das schwächste der drei letzten Meisterwerke Miyazakis. Aber immer noch hinreißend in seinen märchenhaften Bildern, den liebevoll gezeichneten Charakteren und der gewohnt ambitionierten Geschichte. Wer möchte nicht ein Türschloss haben, mit dem man die einen draußen erwartende Realität auswählen kann?
 

 
 

J.G.(Diese Rezension stellt eine individuelle Meinung dar und vertritt nicht die offizielle Haltung der Botschaft von Japan)  


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