Kabuki, eine traditionelle Form des japanischen Theaters, ist vor etwa
vierhundert Jahren entstanden. Etwa zur gleichen Zeit schrieb William
Shakespeare in England die Stücke und Sonette, die heute einen Eckstein der
englischen Literatur bilden. Yukio Ninagawa, ein Theaterregisseur, der für
seine Shakespeare-Aufführungen in Japan bekannt ist, hat nun diese beiden
klassischen Stile zusammengeführt. Das Ergebnis ist eine einzigartige
Aufführung von Shakespeares romantischer Komödie „Was ihr wollt" (oder Zwölfte
Nacht). Unter dem Titel „Ninagawa Twelfth Night" wurde das Stück im Juli am
Kabukiza an der Ginza, einem der bekanntesten Kabuki-Theater Japans,
aufgeführt.
Ein neues Kabuki
Ein Grund für die große Aufmerksamkeit, die diese Produktion erhielt -
unabhängig von der Verbindung zweier so unverwechselbarer Genre aus Ost und
West - ist der Mann, der dahinter steht. Ninagawa kann auf eine glanzvolle
Karriere mit Aufführungen von Werken Shakespeares und anderer Autoren
zurückblicken - nicht nur in Japan, sondern weltweit.
Geboren 1935 in Kawaguchi, Präfektur Saitama, gab Ninagawa 1969 sein Debüt
als Regisseur. Während der siebziger Jahre führte er epische Produktionen
auf, die ihm viel Beifall eintrugen und ihn an die Spitze des japanischen
Theaters führten. Mit regelmäßigen Tourneen u.a. in Europa, den Vereinigten
Staaten und Kanada verbreitete sich sein Ruf auch im Ausland. Den Beginn
machte er 1983 mit der klassischen griechischen Tragödie Medea, deren
Aufführung ihm viel Lob bescherte. Ein weiterer Liebling der Kritiker war
1996 sein „Mittsommernachtstraum" in London, während
sein
„König Lear",
aufgeführt von der Royal Shakespeare Company, in London und anderen Orten
1999 und 2000 lange Zeit auf dem Programm stand.
Ninagawa hat eine ganze Reihe von renommierten Auszeichnungen erhalten,
darunter auch den vom Bildungsminister verliehenen Kunstpreis. 1992 verlieh
ihm die Universität Edinburgh den Ehrendoktortitel. Ninagawa hat auch an
Filmen mitgewirkt, z.B. „Ao no Hono" (Das blaue Licht), und fungiert als
Präsident des Toho Gakuen College of Drama and Music.
Seine Kabuki-Version von „Was ihr wollt" - oft als Quintessenz der
Shakespeare’schen Komödie bezeichnet - ist bislang eines seiner gewagtesten
Projekte. Auch wenn Ninagawas Produktion auf einem sorgfältig übersetzten
Textbuch basiert, spielt die Geschichte in Japan und alle Figuren haben
japanische Namen.
Einer der Hauptdarsteller von „Was ihr wollt" und derjenige, der Ninagawa den
Anstoß zu diesem Vorhaben gab, ist Onoe Kikunosuke, ein beliebter junger
Kabuki-Schauspieler. „Ich wollte etwas Neues mit Kabuki machen“, meinte Onoe.
„Ich hatte mir überlegt, welche neuen Stücke in das Kabuki-Repertoire
aufgenommen werden könnten. Ich entschied mich für
'Was ihr wollt', weil es
ein Stück von Shakespeare ist mit einer Geschichte, die etwa so alt ist wie
die Kabuki-Stücke, die selbst Komödiantisches enthalten und die ich sonst
spiele.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Ninagawa und Onoe
zusammenarbeiteten. Onoe trat bereits 2000 in einer griechischen Tragödie
auf, bei der Ninagawa Regie führte.
„Was ihr wollt" verlangt von Onoe eine komplexe schauspielerische Leistung,
weil er rasch zwischen zwei verschiedenen Rollen hin und her wechselt,
nämlich denen eines jungen Mannes und seiner Zwillingsschwester. Für Onoe,
der für seine Fähigkeit, die Rollen schöner Frauen zu spielen, bekannt ist,
stellt dies eine große Herausforderung dar. In dem Stück tritt er an der
Seite seines Vaters Onoe Kikugoro auf, der mit dem Titel „Lebender
Nationalschatz“ ausgezeichnet wurde.
Tradition am Wendepunkt
Die Produktion folgt dem Geist des Kabuki, fügt jedoch auch dreidimensionale
Elemente hinzu: so ist eine ganze Seite der Bühne mit Spiegeln ausgekleidet.
Ninagawa führt Ost und West zusammen und lässt so die Schönheit des Kabuki
entstehen, die diese Produktion auszeichnet.
„Es gibt nichts Schlimmeres als jemanden, der wenig von Kabuki versteht und
versucht, mitzumischen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal daran
versuchen würde, bei Kabuki Regie zu führen“, meinte Ninagawa. Letztendlich
war es Onoes Enthusiasmus für das Projekt, der den Regisseur überzeugte: „Es
war gut, dem klassischen Repertoire etwas Neues hinzuzufügen. Dieses eine
Mal wollte ich bei Kabuki wirklich Regie führen.“
Nach dem Erfolg von „Was ihr wollt" in Tokyo meinte Ninagawa, er wolle diese
Produktion in Zukunft auch in London aufführen.
(Quelle: Web Japan)
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