September in Berlin – mit Reis meterweise ins Marathon-Ziel
Wir sind dem Reis schon einmal begegnet – als wir uns in Rätseln verirrt
hatten, im Juli diesen Jahres. Da sind wir diesem quasi heiligen
Grundnahrungsmittel aber nicht gerecht geworden, weswegen wir das jetzt
etwas nachholen wollen, wenn auch nicht besonders wissenschaftlich und
vielleicht anders, als man erwarten würde ...
Das Zeichen selber ist ja recht übersichtlich, ob Sie darin nun eine
einzelne Reispflanze sehen oder in Reihe gesetzte Pflänzchen – vielleicht
spiegeln sich drei im Wasser? - Das bleibt Ihnen überlassen. Sie werden das
kanji in seiner Funktion als Reis nur im Wirtschaftsteil der
Zeitungen finden, wenn es um Ernteerträge oder Preise geht, in den
Speisekarten von Restaurants begegnen Sie sowieso nur dem gekochten Reis –
und der hat ein ganz anderes Zeichen.
Sie werden dieses (ungekochte) Zeichen aber auch in einer anderen Funktion
ständig in der Zeitung lesen können: es steht nämlich für Amerika, für die
USA: bei-koku (koku = Land), entstanden aus der
lautlichen Zuordnung für a-me-ri-ka.
Jetzt im September 2005 bewegen Deutsche wie Japaner aber nicht nur die
politischen Neuwahlen, die in beiden Ländern anstehen, sondern zugleich der
Berlin-Marathon, für den sich auch die japanische Olympiasiegerin Mizuki
NOGUCHI angemeldet hat. Als Naoko TAKAHASHI 2001 in Berlin einen neuen
Weltrekord lief (mit 2:19:46 als erste Frau unter 2:20) wurde das in Japan
live übertragen und erreichte Einschaltquoten von über 50 Prozent.
Vergessen wir jedoch nicht wieder unseren Reis. Der kommt da für uns nicht
statt Bananen und Nudeln als Kohlehydratlieferant zu Bedeutung, sondern als
Maßeinheit: das Schriftzeichen für Meter - sonst nur in dem Silbenalphabet
für Fremdwörter und ausländische Eigenamen
katakana umschrieben - ist
der Reis: 1m = 1 mêtoru = 一 米
Nun wurde früher in Asien nicht in Metern gemessen, und für die chinesischen
bzw. japanischen alten Maßeinheiten gab es natürlich auch jeweils bereits
kanji, aber für die neuen Fremdwörter brauchte man zumindest neue
Zuordnungen. Für den Meter nahm man das Chinesische me
米 = Reis. Angesichts dessen, dass das Hauptnahrungsmittel Reis auch
lange für Steuern und Abgabeleistungen als Zahlungsmittel in Japan herhalten
musste, vielleicht keine allzu fern hergeholte Bedeutungserweiterung.
Aber ebenso wie viele Japaner die Schreibweise mit kanji für den
Kaffee, den kôhî, zwar auf dem Schild eines schicken Cafés erkennen,
beim selber schreiben aber eben doch die katakana verwenden würden,
benutzt man für mêtoru auch eher die katakana-Umschrift oder
gleich das lateinische Kürzel „m“.
Eigenartig wird es aber erst jetzt: für den Marathon brauchen wir ja den
Kilometer oder besser 42 kiromêtoru. Und da haben sich die Japaner
ein ganz eigenes, also nicht aus dem Chinesischen übernommenes Zeichen neu
kreiert, das in schönster Weise sinnig und logisch ist:
1000 m = 1 km = 1 kiro =
一 粁 bestehend aus unserem Reis 米
und dem kanji für tausend 千 (sen)
Tja, es ist eigentlich schade, dass so ein pfiffig ersonnenes Schriftzeichen
in Japan heutzutage in Vergessenheit geraten ist. Und da wir schon dabei
sind, haben Sie etwa noch nichts von einem Dezimeter bzw. einem Hektometer
gehört? Macht nichts - es hat auch noch kaum ein Japaner das kanji
für
100 m = 粨 (hekutomêtoru) und
10 m = 籵 (dekamêtoru ) gesehen – sie sind nicht
mal in jedem Lexikon verzeichnet, aber
100 = 百 (hyaku) und
10 = 十 (jû) kann man sich ja über die
1 = 一 (ichi) hinaus ruhig mal merken.
Hätten Sie nicht Lust, selber ein kanji zu kreieren?
Schicken Sie uns aus den bisher in dieser Rubrik verwendeten kanji
ein selbst kombiniertes und erläutern Sie seine von Ihnen zugewiesene
Bedeutung. Das sinnigste kanji mit der originellsten und zugleich
einsichtigsten Begleiterklärung (3 bis 15 Zeilen) wird von uns prämiert mit
einer trendigen City Bag (einem einriemigen, schwarzen Rucksack mit dezentem
Japan-Logo und praktischer Handytasche im Schulterriemen)!
Schicken Sie Ihren Beitrag (inkl. Name, deutscher Anschrift und
Telefonnummer tagsüber) mit dem Betreff „kanji“ an
info@botschaft-japan.de
oder postalisch an:
Botschaft von Japan, Stichwort „kanji“, Hiroshimastr. 6, 10785 Berlin
(Einsendeschluss ist der 20.09.2005)
Ansonsten wünschen wir allen Marathonteilnehmern viel Erfolg!
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