Da die Nachkriegsgeneration der so genannten „Baby-Boomer“ nun vor dem
Eintritt in das Rentenalter steht, wurde eine ganze Reihe von Produkten und
Dienstleistungen mit Blick auf diese relativ vermögende und
freizeitorientierte Verbrauchergruppe entwickelt. Die Angehörigen dieser
Generation sind zwischen 1947-1949 geboren, als es unmittelbar nach dem
Krieg einen großen Zuwachs bei den Geburten gab. Diese Menschen werden
zwischen 2007-2009 sechzig Jahre alt werden und damit das in Japan übliche
Alter für den Eintritt in den Ruhestand erreichen. Die große Zahl von
Ruheständlern ist der Finanzwirtschaft nicht entgangen, die sich eifrig
darum bemüht, den erwarteten Boom bei den Abfindungszahlungen für sich zu
nutzen. Auch Produzenten hoffen auf Profite, indem sie Produkte für Kunden
anbieten, die viel freie Zeit und Geld zur Verfügung haben.
In den Startlöchern
Am 1. Oktober 2004 gab es in Japan 6,79 Millionen Menschen im Alter zwischen
55-57 Jahren. Das waren laut Angaben des Ministeriums für Inneres und
Kommunikation fast 50 % mehr als die 4,63 Millionen Menschen im Alter
zwischen 58-60 Jahren. Die Summe der Abfindungszahlungen, die zwischen
2007-2009 jährlich zur Auszahlung gelangen wird, wird auf 35-60 Billionen
Yen (ca. 318-545 Mrd. US-Dollar) geschätzt.
Für die Finanzinstitute bieten diese Summen ein großes Potential für die
Ausweitung ihrer Geschäftsaktivitäten. Dies gilt insbesondere für
Anlagebanken. Während bei den Aktivitäten der Großbanken und der anderen
normalen Banken die arbeitende Bevölkerung im Mittelpunkt steht, z.B. mit
dem Überweisen der Gehälter oder der Hypotheken, gewinnen die Anlagebanken
ihre Kunden in der Regel erst dann, wenn diese ihre Abfindungen für den
Ruhestand erhalten haben. Zudem haben die Anlagebanken ein Monopol bei der
Vermittlung von Immobilien sowie bei erbschaftsbedingten Transaktionen inne,
wie etwa das Verwalten von Nachlässen, also Geschäftsaktivitäten, die
überwiegend von Kunden mittleren und höheren Alters in Anspruch genommen
werden. Sumitomo Trust & Banking Co., eine der größten Anlagebanken Japans,
hat - erstmals seit vierzehn Jahren wieder - im April eine TV-Werbekampagne
gestartet, die sich an die Zielgruppe der Baby-Boomer richtet.
Auch Wertpapierbanken wollen sich ihren Anteil am Geschäft mit den
Baby-Boomern sichern. Eines der gefragtesten Produkte für diese Kundengruppe
sind so genannte „umfassende Konten“, die es möglich machen, alle Anlagen
eines Investors mittels eines einzigen Kontos zu verwalten. Diese Art von
Konto wird bereits seit längerem von institutionellen Anlegern genutzt, aber
eine Gesetzesänderung vom April 2004 erleichterte es den Brokern, solche
Konten auch Einzelpersonen anzubieten. Viele haben diese neue Möglichkeit
bereits für sich entdeckt. Die Produkte auf diesem Markt sind zumeist auf
Investitionen aus Abfindungszahlungen von zehn Mio. Yen (ca. 91.000
US-Dollar) an aufwärts zugeschnitten. Die hohen Anforderungen haben die
Anleger aber keineswegs entmutigt. Die Mittel, die in diese Produkte
investiert werden, nehmen rasch zu, zusätzlich beschleunigt durch die
Aufhebung des „Payoff“-System im Frühjahr dieses Jahres, so dass der
maximale Betrag der Einlagensicherung für den Fall der Zahlungsunfähigkeit
einer Bank nun bei zehn Millionen Yen pro Kunde liegt. Auch informieren sich
immer mehr Kunden über diese Produkte.
Freie Zeit
Ein weiterer Wirtschaftszweig, der von der großen Zahl von Ruheständlern der
Generation der Baby-Boomer profitieren dürfte, ist die Tourismusbranche. Die
Zahl der Passagiere von Kreuzfahrten, einer bei Ruheständlern beliebten
Urlaubsvariante, stieg 2004 um 25 % auf insgesamt 73.000 (mindestens eine
Übernachtung an Bord). Der Sprecher eines führenden Reisebüros meinte:
„Viele unserer Kunden sind verheiratete Paare, die ihren Eintritt in den
Ruhestand oder ihre Hochzeitsjubiläen feiern.“ Die Branche geht insgesamt
davon aus, dass der beginnende Ruhestand der Baby-Boomer zu einer größeren
Nachfrage führen wird.
Manche aus dieser Altersgruppe entwickeln nostalgische Gefühle beim
Autofahren. Wie der Name vermuten lässt, ist der Roadster der Mazda Motor
Corporation ein Zweisitzer, dessen Design an die sechziger Jahre erinnert,
also die Zeit, in der die Baby-Boomer erwachsen wurden. Es wurden bereits
über 700.000 Mazda Roadster verkauft, vor allem in den Vereinigten Staaten
und Europa.
Für Baby Boomer, die früher einmal davon träumten, Rockstars zu werden, gibt
es inzwischen die von der Yamaha Corporation entwickelte „Stille Gitarre“.
Seit ihrer Einführung Ende 2001 wurden bereits über 24.000 Exemplare
verkauft, eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass Yamaha ursprünglich
von 2.000 verkauften Exemplaren ausgegangen war. Auch die Verlage stellen
sich auf ein Lesepublikum ein, das viel Zeit zum Lesen hat. Der Verlag
Shogakkan Inc. startete im Mai die erste Auflage von Rakuda, einem alle zwei
Monate erscheinenden Magazin für Leser ab 50.
Auch wenn die Generation, die in den letzten Jahrzehnten einen großen
Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Japans geleistet hat, nun in den
Ruhestand geht, sieht es ganz so aus, als würde sie auch für die nächsten Jahre
die Stütze der Wirtschaft des Landes sein: diesmal als Konsumenten und
Anleger ihrer Abfindungszahlungen.
(Quelle: Web Japan)
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