Fragen der Energie einschließlich Öl und anderer Ressourcen geben erneut
Anlass zur Sorge. Das Problem besteht nicht allein darin, dass Rohöl heute
die magische Grenze von sechzig US-Dollar pro Barrel
durchbrochen hat und der Ölpreis ständig neue
Rekordhöhen erreicht, so dass man sich weltweit über das wirtschaftliche
Wachstum in der nahen Zukunft sorgt. Tatsächlich nehmen die Preise für
zahlreiche natürliche Ressourcen im Vergleich mit Industrieerzeugnissen zu,
und während spekulative Kräfte dabei helfen, sie nach oben zu treiben,
scheinen sie einem großen Wandel unterzogen zu werden, der struktureller
Natur ist. Die Entwicklung in China verkompliziert diese Situation
zusätzlich. Obwohl das Land der sechstgrößte Erdölproduzent der Welt ist,
wächst seine Wirtschaft so rasch, dass es sich in einen riesigen Ölimporteur
verwandelt hat und nun verstärkt auch andere natürliche Ressourcen
importiert. Innerhalb dieses Prozesses treten nun Friktionen mit anderen
Ländern auf.
Anheizen geopolitischer Rivalitäten
Die Welt findet sich nun in einer Situation wieder, in der der Wettlauf um
Energieressourcen begonnen hat. Länder wie China und Japan sind dabei im
Vorteil, da sie es sich leisten können, die hohen Preise zu bezahlen, um den
ständigen Zustrom von Ressourcen aufrecht zu erhalten, während Länder ohne
ausreichende Geldmittel plötzlich vom Wachstums- und Entwicklungsprozess
abgeschnitten werden. Diese Kluft beim Reichtum verläuft quer durch Asien
und zieht sich durch die ganze Welt; sie stellt damit einen Faktor dar, der
destabilisierend auf Frieden und Sicherheit wirken kann. Eine weitere Kluft
besteht zwischen Asien, das immer mehr vom Öl aus dem Mittleren Osten
abhängig wird, und Europa sowie Nordamerika, die nicht in dem Grad von
dieser Region abhängig sind; ein Interessenkonflikt dieser beiden Seiten
kann nicht ausgeschlossen werden. Zusätzlich besteht der Faktor der
Auswirkungen des Energieverbrauchs auf die Umwelt. In einer Reihe von
Ländern mit hohem Wachstum, die Energie noch nicht effizient verbrennen
können, hat die Umweltverschmutzung ein kritisches Ausmaß erreicht.
Daher ist Energie in komplexer Weise mit Themen aus den Bereichen nationale
Sicherheit, Geopolitik und Umwelt verknüpft. Die Zeiten, in denen man die
Regelung der Energiefrage allein den Mechanismen des Marktes überlassen
konnte, sind lange vorbei. Vielmehr gewinnen im Energiebereich
internationale Zusammenarbeit und Anpassung zunehmend an Bedeutung.
Vor etwa zehn Jahren schrieb Kent Calder, ein Experte für Ostasien sowie
Energie- und Sicherheitsfragen, in der Ausgabe März/April 1996 von Foreign
Affairs einen Artikel unter der Überschrift „Asiens leerer Tank“. Von seinem
Blickpunkt etwa fünfzehn Jahre nach den Ölkrisen der siebziger Jahre aus
argumentierte Calder folgendermaßen: Obwohl das Interesse an Energiefragen
abgenommen hat, hat sich die Situation in diesem Bereich erheblich gewandelt,
insbesondere in Ostasien. China, das vor einem Jahrzehnt noch als
Ölexporteur ein Viertel seiner Produktion ins Ausland verkaufte, ist seit
1993 ein Netto-Importeur und wird in Zukunft zunehmend von Ölimporten
abhängig werden. Auch andere asiatische Staaten weiten ihre Ölimporte aus,
um ihr rasches Wirtschaftswachstum zu stützen; ihr nachdrückliches Mitbieten
auf den Energiemärkten könnte zu ernster Instabilität der Märkte führen.
Indem die Abhängigkeit dieser Länder vom Öl aus dem Mittleren Osten zunimmt,
können sich geopolitische Rivalitäten verschärfen. Im Lichte dieser
Entwicklung, so Calder damals, sei nun die Zeit für eine Neubewertung der
globalen Energiesituation gekommen.
Heute, zehn Jahre später, ist die Energiefrage zu einem möglichen Hindernis
für nachhaltiges Wachstum weltweit geworden; zugleich bietet sie auch Anlass
für Versuche, den Nationalismus wieder ins Spiel zu bringen. Der jüngste
G8-Gipfel in Gleneagles wurde zwar von den Terroranschlägen in London
überschattet, aber wir sollten festhalten, dass eines der Themen dieses
Gipfels die Weltwirtschaft und Öl war. Während die Führer der G8
letztendlich keine überzeugende Antwort auf die Besorgnis in Bezug auf die
Probleme mit dem Öl geben konnten, unterstrich die Erklärung des
Vorsitzenden des Gipfels die große Bedeutung und Dringlichkeit dieser Frage
mit folgenden Worten: „Höhere und volatilere Ölpreise
sind für uns und für gefährdete Entwicklungsländer Anlass zu besonderer
Sorge. Wir betonen, dass konkrete Maßnahmen notwendig sind, um
Marktschwankungen durch umfassendere, transparentere und zeitnähere Daten zu
verringern.“
In diesem Jahr meldete sich Calder mit einem Artikel in der März-Ausgabe des
japanischen Magazins Gaikô Forum zurück, in dem er das Energieproblem als
blinden Fleck innerhalb des japanisch-amerikanischen Sicherheitsbündnisses
identifizierte, die sich seit dem 11. September 2001 in bemerkenswerter
Weise fortentwickelt hätten. Solange die Länder sich dieses Problems nicht
annähmen, so warnte er, würde dies zu ernsten und unnötigen Spannungen in
den bilateralen Beziehungen führen. Calders Sorge gilt den Banden über den
Pazifik hinweg, aber die Energiefrage könnte auch zu großer Verwirrung in
Asien selbst führen, wo der Traum von der Gestaltung einer Gemeinschaft mit
dem ersten ostasiatischen Gipfel in Kuala Lumpur im kommenden Dezember der
Verwirklichung einen Schritt näher gekommen ist.
Yasuhiro Gotô, Leitartikler der Nihon Keizai Shimbun, meinte in der April-Ausgabe
von Kokusai Mondai, dass Asiens Abhängigkeit von Rohöllieferungen von
außerhalb der Region 2003 um 60% zugenommen habe. Auch wenn die Region
danach streben müsse, diese Zahl zu senken, so fuhr er fort, hätten Projekte
zur Erschließung neuer Energieressourcen zu Streitigkeiten über territoriale
Hoheit und die Ausschließlichen Wirtschaftszonen geführt. Da die Staaten
sich in einem Wettlauf um die Sicherung neuer Energiequellen befänden, würde
nun auch das Feuer des Nationalismus stärker aufflackern. Gotô brachte seine
Besorgnis über das „Paradox, dass die Anstrengungen der einzelnen Staaten,
ihre Energiesicherheit zu verbessern, dazu führt, die Stabilität der Region
Asien zu untergraben“ zum Ausdruck. Es kann durchaus zutreffen, dass die
Mechanismen des Marktes zur Abstimmung der Interessen an die Grenzen ihrer
Möglichkeiten stoßen. In diesem Fall müssen wir uns auf die Suche nach
Lösungen machen, die auf der Zusammenarbeit zwischen den Staaten Asien und
anderswo beruhen.
Aus der Vogelperspektive
Japan Bedarf an Energie nahm während der Jahre des raschen
Wirtschaftswachstums Ende der fünfziger Jahre bis Anfang der siebziger Jahre
jährlich um etwa 10% zu. Danach ging diese Quote rasch zurück. Die beiden
Ölkrisen in den siebziger Jahren führten zur Verbesserung der
Industriestruktur, und technologische Neuerungen trugen dazu bei, Energie
einzusparen und effizienter zu nutzen. Als die Preise für Energie in der
zweiten Hälfte der achtziger Jahre fielen, nahm dagegen der Verbrauch - wenn
auch langsam - wieder zu. Der Anteil von Öl an Japans Energiehaushalt ist
zwar nach den Ölschocks zurückgegangen, liegt aber auch heute noch mit ca.
50% auf relativ hohem Niveau. Fast alles Öl muss importiert werden, und der
größte Teil davon kommt aus dem Mittleren Osten. Auch wenn Bemühungen, die
Abhängigkeit des Landes vom Öl aus dieser Region zu reduzieren, den Anteil
vorübergehend auf bis zu 70% senken konnten, beträgt der Anteil heute wieder
ca. 85% und hat damit den Stand vor der ersten Ölkrise 1973-74 erreicht.
Japans Bevölkerung wird in den nächsten Jahren schrumpfen, was zu einem
Rückgang beim Energieverbrauch führen dürfte. Der Beratungsausschuss für
natürliche Ressourcen und Energie sagt voraus, dass der Energiebedarf 2021
bzw. im Falle eines langsameren Wirtschaftswachstums 2014 seinen Höhepunkt
erreichen wird. Dann wird sich die Aufmerksamkeit des Landes von der
Befriedigung zusätzlichen Energiebedarfs auf die Sicherung der bestehenden
Lieferungen richten. Zugleich werden Anstrengungen für eine noch
effizientere Nutzung von Energie, für die Entwicklung umweltfreundlicher
Technologien und für qualitative Verbesserungen in den Bereichen Industrie,
Wirtschaftsaktivitäten und Lebensstil unternommen.
Heute schaut die Welt auf die Energiesituation in China, die sich dramatisch
wandelt. Während der letzten zehn Jahre ist Chinas Ölverbrauch um das
2,1-fache gestiegen. Aufgrund der gut laufenden Wirtschaft, der zunehmenden
Motorisierung und der steigenden Verkaufszahlen für PKW, die 2004 die
Fünf-Millionen-Marke überschritten, verbrauchen die Chinesen heute fast
sieben Millionen Barrel Öl pro Tag, das ist mehr als Japan. Der Ölbedarf
stieg 2004 um 15% und wird 2005 voraussichtlich um weitere 7,5% zunehmen.
Etwa 40% der weltweiten zusätzlichen Nachfrage nach Öl kommt heute aus einem einzigen
Land, nämlich China. Es wundert daher wenig, dass sich die Aufmerksamkeit
der Energiemärkte auf das weitere Vorgehen Chinas richtet.
China ist seit 1993 Nettoimporteur von Öl. 2010 dürften seine Importe 100
Millionen Tonnen erreichen. Zwar verfügt China über reiche Erdgasvorkommen
innerhalb seiner Grenzen, jedoch sind die Erschließung und der Transport
dieser Ressourcen teuer, so dass der Anteil von Gas am gesamten
Energieverbrauch nach wie vor gering ist. Mit Hilfe der derzeit gebauten
Pipelines dürfte sich der Verbrauch von Erdgas bis 2010 versechsfachen,
jedoch könnten auch die Erdgasimporte weiter zulegen, wenn die Produktion
mit der Nachfrage nicht mithalten kann.
Eine weitere Aufgabe ist die Steigerung der Effizienz bei der Nutzung von
Energie in China. Es wird geschätzt, dass China heute neunmal mehr
Ressourcen als Japan verbraucht, um den gleichen Energieoutput zu erzielen.
In Indonesien, einem Mitglied der Organisation erdölfördernder Länder, ist
die Ölproduktion rückläufig. 1993 förderte man dort noch 1,6 Millionen
Barrel pro Tag. 2003 lag die Produktion um ein Viertel niedriger bei 1,2
Millionen Barrel. Zudem wurde Indonesien 2004 zum Netto-Importeur. Auch
Malaysia engagiert sich bei der Erschließung von Ölfeldern in seinen
Seegebieten, allerdings beläuft sich die Produktion auf gerade einmal
900.000 Barrel am Tag. Vietnam wäre zwar in der Lage mehr Öl zu exportieren,
aber seine Bereitschaft dazu ist aufgrund des Wachsens der eigenen
Wirtschaft eher gering.
In jüngster Zeit erlebte Indonesien eine eigene Ölkrise. Pertamina, das
staatliche Ölunternehmen, fungiert als alleiniger Lieferant von Benzin und
anderen Ölprodukten. Während die heimische Produktion zurückgeht,
verteuerten sich zunehmend die Lieferungen aus dem Ausland. Anfang Juli
wurden daher die Benzinlieferungen an die Städte um 5% gekürzt. Indonesien
verfolgt eine Politik der Subventionierung des Benzinpreises und stellt
Pertamina die Finanzmittel zur Verfügung, die das Unternehmen benötigt. Da
aber die Nachfrage nach Benzin rascher zunahm als erwartet, reichten die
eingeplanten Finanzmittel nicht aus. Da Indonesien nun zum Nettoimporteur
wurde, kann Pertamina nicht länger all das Öl, das benötigt wird, kaufen und
dabei die Einnahmen aus seinen Ölexporten verwenden.
Da die eigenen Vorräte auslaufen wird Ostasien als Ganzes zunehmend von
Lieferanten außerhalb der Region abhängig, insbesondere vom Mittleren Osten.
Etwa die Hälfte aller Energieexporte aus dieser Region gehen nach China,
Japan, Südkorea und in andere ostasiatische Länder. Der Ölfluss aus dem
Mittleren Osten nach Nordostasien schwillt deutlich an. Calder und andere
Experten sorgen sich, dass dieser Trend nicht ausreichend berücksichtigt
wird, obwohl er tiefgreifende Auswirkungen auf die Welt im 21. Jahrhundert
haben könnte. Im Gegensatz zur hohen und weiter steigenden Abhängigkeit
Ostasiens vom Öl aus dem Mittleren Osten beträgt der Grad der Abhängigkeit
der Vereinigten Staaten von dieser Region gerade einmal 23% und in Europa
ist er sogar noch niedriger. Es besteht daher das Potential, dass Ostasien
und der Westen bei ihrer Haltung gegenüber dem Mittleren Osten getrennte
Wege gehen werden, was zu ernsthaften politischen Konflikten führen könnte.
Unzulänglichkeiten in der chinesischen Planung
In jüngster Zeit streiten Japan und China darüber, wie die Gasfeder im
Ostchinesischen Meer erschlossen werden sollten. Der Streit ist Teil eines
viel größeren Konflikts, der angesichts der großen Veränderungen in der
Energiesituation der weiteren Region allmählich Gestalt annimmt.
Derzeit äußert sich Chinas Präsident Hu Jintao bei seinen Auslandsbesuchen
regelmäßig auch zum Thema Energie und andere Ressourcen. Bei einer
Studiensitzung für das Politbüro der Kommunistischen Partei Ende Juni
machten sich Hu und andere Gedanken über die internationale Energiesituation
und Chinas diesbezügliche Strategie. Kurz zuvor, Anfang Juni, hatte die
Regierung unter der Aufsicht des Staatsrats ein Gremium eingerichtet, das
die Führung in Energiefragen übernehmen soll. Den Vorsitz übernahm
Ministerpräsident Wen Jiabao, während die stellvertretenden
Ministerpräsidenten Huang Ju und Zeng Peiyan ihm assistieren. Laut einem
Bericht von Shen Caibin, dem Leiter des Wirtschaftszentrums China beim
Mitsui Global Strategic Studies Institute in der Ausgabe von Sekai Shûhô vom
9. August äußerte Wen gegenüber dem Gremium, dass Energie als eine wichtige
strategische Frage angesehen werden müsse, da diese mit Chinas
Wirtschaftswachstum, der gesellschaftlichen Stabilität und der nationalen
Sicherheit verknüpft sei. Er befahl Anstrengungen zur Sicherung von Anteilen
an ausländischen Ölfeldern zu unternehmen. Zusätzlich sollen bis Ende des
Jahres Pläne für die Vorratshaltung von Öl in Kraft treten.
Die tragenden Säulen der Energiestrategie Chinas sind drei große staatliche
Unternehmen. Es sind die China National Petroleum Corp., die China Petroleum
and Chemical Corp. (Sinopec) und die China National Offshore Oil Corp. (CNOOC).
Alle drei Unternehmen konkurrieren miteinander bei ihrem Streben,
ausländisches Öl und Gas zu sichern. CNOOC verursachte kürzlich einen
Aufruhr in den Vereinigten Staaten, als es ein Übernahmeangebot für Unocal
Corp., ein führendes amerikanisches Ölunternehmen machte. Zweifellos zogen
Unocals Anteile in Asien, darunter Öl- und Gasfelder in Indonesien, Thailand
und Vietnam, die Aufmerksamkeit von CNOOC an, jedoch zwang sein Vorgehen ein
anderes US-Unternehmen, die Chevron Corp., dazu, sein Angebot an Unocal
nachzubessern. Auch der US-Kongress schaltete sich ein und verabschiedete
eine Resolution, in der das chinesische Angebot abgelehnt wurde, da es die
Energiesicherheit der Vereinigten Staaten gefährde. CNOOC zog sich
schließlich zurück und überließ Chevron das Feld.
Sinopec hat inzwischen mit dem Iran ein Abkommen im Wert von 100 Mrd. US-Dollar über
die Lieferung von Flüssiggas abgeschlossen. Das Abkommen beinhaltet auch die
Erschließung des großen Yadavaran Ölfelds (mit einem geschätzten Vorkommen
von 15 Mrd. Barrel), dessen Förderung größtenteils nach China gehen wird.
Sinopec hat zudem eine Übereinkunft mit einem russischen Partner für ein
gemeinsames Vorgehen bei Öl- und Gasprojekten auf Sachalin geschlossen.
Dieser Handel wurde während des jüngsten Besuchs von Präsident Hu in
Russland im Juli vereinbart.
Bereits vor vielen Jahren hat Japan im Ostchinesischen Meer die Suche nach
natürlichen Vorkommen unternommen. Als aber die Vereinigten Staaten Anfang
der siebziger Jahre China überraschend anerkannten und so ihre Position bei
der Konfrontation mit der Sowjetunion stärkten, folgte dem auch Japan, indem
es seine Beziehungen zu China normalisierte. Tokyo entschied damals, es sei
besser, die Suche nach Vorkommen einzustellen, um China nicht unnötig zu
verärgern. In einem Artikel in der Ausgabe von Sekai Shûhô vom 9. August
2005 führte Kôji Nakatsu aus, dass China auf diesen Zug Japans damit
reagierte, dass es sich bereit erklärte, Öl von seinen Feldern in Daqing
nach Japan zu liefern. Als China jedoch 1993 zum Nettoimporteur wurde,
stellte es diese Lieferungen ein.
Dass China und Japan sich über den Verlauf ihrer Ausschließlichen
Wirtschaftszonen (AWZ) noch einigen müssen, ist eine weitere Ursache für
diplomatische Spannungen. Japan besteht darauf, dass die Grenze zwischen den
AWZ beider Länder auf der Mittellinie zwischen beiden Ländern verläuft,
während China die Hoheit über den gesamten Kontinentalsockel beansprucht.
China erschließt derzeit das Chunxiao Gasfeld nordöstlich von Taiwan, das
nach Auffassung beider Staaten in der chinesischen AWZ liegt. Jedoch
beantragte Ende April die japanische Teikoku Oil Co. die Erlaubnis für
Probebohrungen auf japanischer Seite nahe der Mittellinie. Als Tokyo Mitte
Juli dazu die Erlaubnis erteilte, protestierte Beijing dagegen.
Derartige sino-japanische Querelen sind sicherlich nur relativ kleine
Unzulänglichkeiten in Chinas groß angelegter Energieplanung. Sollten China und
andere Staaten aber in der gleichen Weise weitermachen, bestünde die
realistische Gefahr, dass der Wettlauf um Ressourcen in eine ernste
Bedrohung für die Sicherheit eskalieren könnte.
Eine Energie- und Umweltunion?
Ein besseres Vorgehen wäre es stattdessen, auf langfristige Sicht ein
kooperatives Rahmenwerk mit vielfältigen Funktionen zu schaffen wie z.B. die
Gründung einer Union zur Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Umwelt
in Nordostasien oder Ostasien.
Es ist offensichtlich, dass Chinas Bedarf an Energie weiter zunehmen wird.
Zum Nutzen Japans und ganz Asiens müssen wir Wege und Mittel finden, um
China dabei zu helfen, seine Wirtschaft stabil und nachhaltig zu entwickeln
sowie sich friedlich an der internationalen Gemeinschaft zu beteiligen.
Diese Hilfe könnte unterschiedliche Formen haben, darunter die gemeinsame
Erschließung von Energieressourcen, die Förderung effizienten
Energieverbrauchs, Zusammenarbeit bei der Vorratshaltung von Öl und
Vereinbarungen für das Teilen von Ölreserven bei Energiekrisen.
Im Bereich der Vorratshaltung unterhielt Japan in den Jahren vor den
Ölschocks nur eine Reserve für etwa fünfzig Tage. 1975 wurde dann das
Erdölbevorratungsgesetz verabschiedet, das Vorgaben für die private
Vorratshaltung enthält. Heute reichen die staatlichen und privaten
Ölreserven zusammen für ca. 160 Tage. China verfügt zur Zeit über fast keine
Vorräte, auch wenn es den Aufbau einer Vorratshaltung plant. Südkorea ist
derzeit dabei, Reserven für neunzig Tage aufzustellen, was Voraussetzung für
eine Mitgliedschaft in der Internationalen Energiebehörde ist. Trotz der
bestehenden Planungen würde Nordostasien in erheblichem Maße von einer
offiziellen Vereinbarung zur Sicherung und zum Teilen von Vorräten in
Notfällen profitieren; das gleiche kann für Ostasien insgesamt gesagt werden,
einschließlich Südasien.
Selbst wenn die Anstrengungen zur Sicherung des Energiebedarfs in China und
anderen Teilen Nordostasiens von Erfolg gekrönt sein sollten, bleibt das
Problem der Auswirkungen des massenhaften Energieverbrauchs auf die Umwelt.
Vor allem in China bestehen hier viele Probleme. Da es Japan beim
Energieverbrauch bereits eingeholt hat und einen großen Anteil seiner
Ressourcen wenig effizient nutzt, wird es immer mehr zu einer Gefahr für die
globale Umwelt insgesamt.
Japan und China unterhalten in diesem Bereich sich gegenseitig ergänzende
Beziehungen. Da Japan ein Land ist, in dem die große Konzentration von
Menschen und Industrien die Kapazitäten der Umwelt belastet und es zudem
über keine eigenen Ölvorkommen verfügt, hat es schon früh nach Mitteln für
einen sparsamen Verbrauch der Ressourcen gesucht. Die Menschen in Japan
arbeiten hart daran, die Technologien des Landes, seine Industriestruktur,
seine Wirtschaftsaktivitäten und den Lebensstil so umweltfreundlich wie
möglich zu gestalten. Daher verfügt Japan mittlerweile über einen reichen
Vorrat an Erfahrung, Know-how und Technologien, die China bei seiner
nachhaltigen Entwicklung unterstützen könnten.
Das National Institute for Research Advancement, ein japanischer Think Tank,
hat im April 2001 das Konzept für eine Nordostasiatische Union zur
Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Umwelt vorgestellt. Das Motiv
für diesen Vorschlag wird in folgender Textpassage deutlich: „Sicherheit im
Energiebereich kann von einem einzigen Land allein nur schwer erreicht
werden. Grenzüberschreitende Umweltprobleme können nicht gelöst werden, wenn
man nur die eigene Situation betrachtet. Nordostasien besitzt zahlreiche
Elemente, die sich zur Bildung sich gegenseitig ergänzender Beziehungen in
Bereichen wie Ressourcen, Kapital, Technologie, Arbeit und Märkte anbieten.
Die Gestaltung kooperativer Beziehungen innerhalb der Region wäre in
höchstem Maße praktikabel, da davon jedes einzelne Land profitieren würde.
Auch aus globaler Perspektive wäre die Gestaltung kooperativer Beziehungen
in den Bereichen Energie und Umwelt in Nordostasien von großer Bedeutung.“
Wenn wir den Blick unmittelbar auf die langfristigen Perspektiven für
Energie und Umwelt richten, erkennen wir, dass den Anstrengungen einzelner
Länder Grenzen gesetzt sind bei dem, was sie erreichen können. Daraus ergibt
sich unweigerlich die Notwendigkeit für eine multilaterale und regionale
Zusammenarbeit.
(Dieser Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe 2005 von Japan Echo
und wurde für 'Neues aus Japan' übersetzt.
Die Ansichten in diesem Artikel sind die des Verfassers und stellen nicht
die Ansichten der Regierung von Japan dar.)
Akira Kojima
Studienabschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Waseda Universität. Ab
1965 als Journalist für die Nihon Keizai Shimbun tätig, u.a. als leitender
Geschäftsführer und führender Leitartikler. Heute Vorsitzender des Japan Center for
Economic Research und Lehrstuhlinhaber für Wirtschaft und Handel am
Graduiertenkolleg der Keio Universität. Mitglied des
Stiftungsrats des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin. Autor zahlreicher Werke u.a. über
die Globalisierung.
(Quelle: Gaiko Forum, Oktober 2005)
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