Botschaft von Japan
.Neues aus Japan Nr.12                             November 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ostasiens Hunger nach Energie -
Notwendigkeit für eine internationale Zusammenarbeit

von Akira Kojima


 


 

 

 

 

 

 

Fragen der Energie einschließlich Öl und anderer Ressourcen geben erneut Anlass zur Sorge. Das Problem besteht nicht allein darin, dass Rohöl heute die magische Grenze von  sechzig US-Dollar pro Barrel durchbrochen hat und der Ölpreis ständig neue Rekordhöhen erreicht, so dass man sich weltweit über das wirtschaftliche Wachstum in der nahen Zukunft sorgt. Tatsächlich nehmen die Preise für zahlreiche natürliche Ressourcen im Vergleich mit Industrieerzeugnissen zu, und während spekulative Kräfte dabei helfen, sie nach oben zu treiben, scheinen sie einem großen Wandel unterzogen zu werden, der struktureller Natur ist. Die Entwicklung in China verkompliziert diese Situation zusätzlich. Obwohl das Land der sechstgrößte Erdölproduzent der Welt ist, wächst seine Wirtschaft so rasch, dass es sich in einen riesigen Ölimporteur verwandelt hat und nun verstärkt auch andere natürliche Ressourcen importiert. Innerhalb dieses Prozesses treten nun Friktionen mit anderen Ländern auf.

Anheizen geopolitischer Rivalitäten
Die Welt findet sich nun in einer Situation wieder, in der der Wettlauf um Energieressourcen begonnen hat. Länder wie China und Japan sind dabei im Vorteil, da sie es sich leisten können, die hohen Preise zu bezahlen, um den ständigen Zustrom von Ressourcen aufrecht zu erhalten, während Länder ohne ausreichende Geldmittel plötzlich vom Wachstums- und Entwicklungsprozess abgeschnitten werden. Diese Kluft beim Reichtum verläuft quer durch Asien und zieht sich durch die ganze Welt; sie stellt damit einen Faktor dar, der destabilisierend auf Frieden und Sicherheit wirken kann. Eine weitere Kluft besteht zwischen Asien, das immer mehr vom Öl aus dem Mittleren Osten abhängig wird, und Europa sowie Nordamerika, die nicht in dem Grad von dieser Region abhängig sind; ein Interessenkonflikt dieser beiden Seiten kann nicht ausgeschlossen werden. Zusätzlich besteht der Faktor der Auswirkungen des Energieverbrauchs auf die Umwelt. In einer Reihe von Ländern mit hohem Wachstum, die Energie noch nicht effizient verbrennen können, hat die Umweltverschmutzung ein kritisches Ausmaß erreicht.

Daher ist Energie in komplexer Weise mit Themen aus den Bereichen nationale Sicherheit, Geopolitik und Umwelt verknüpft. Die Zeiten, in denen man die Regelung der Energiefrage allein den Mechanismen des Marktes überlassen konnte, sind lange vorbei. Vielmehr gewinnen im Energiebereich internationale Zusammenarbeit und Anpassung zunehmend an Bedeutung.

Vor etwa zehn Jahren schrieb Kent Calder, ein Experte für Ostasien sowie Energie- und Sicherheitsfragen, in der Ausgabe März/April 1996 von Foreign Affairs einen Artikel unter der Überschrift „Asiens leerer Tank“. Von seinem Blickpunkt etwa fünfzehn Jahre nach den Ölkrisen der siebziger Jahre aus argumentierte Calder folgendermaßen: Obwohl das Interesse an Energiefragen abgenommen hat, hat sich die Situation in diesem Bereich erheblich gewandelt, insbesondere in Ostasien. China, das vor einem Jahrzehnt noch als Ölexporteur ein Viertel seiner Produktion ins Ausland verkaufte, ist seit 1993 ein Netto-Importeur und wird in Zukunft zunehmend von Ölimporten abhängig werden. Auch andere asiatische Staaten weiten ihre Ölimporte aus, um ihr rasches Wirtschaftswachstum zu stützen; ihr nachdrückliches Mitbieten auf den Energiemärkten könnte zu ernster Instabilität der Märkte führen. Indem die Abhängigkeit dieser Länder vom Öl aus dem Mittleren Osten zunimmt, können sich geopolitische Rivalitäten verschärfen. Im Lichte dieser Entwicklung, so Calder damals, sei nun die Zeit für eine Neubewertung der globalen Energiesituation gekommen.

Heute, zehn Jahre später, ist die Energiefrage zu einem möglichen Hindernis für nachhaltiges Wachstum weltweit geworden; zugleich bietet sie auch Anlass für Versuche, den Nationalismus wieder ins Spiel zu bringen. Der jüngste G8-Gipfel in Gleneagles wurde zwar von den Terroranschlägen in London überschattet, aber wir sollten festhalten, dass eines der Themen dieses Gipfels die Weltwirtschaft und Öl war. Während die Führer der G8 letztendlich keine überzeugende Antwort auf die Besorgnis in Bezug auf die Probleme mit dem Öl geben konnten, unterstrich die Erklärung des Vorsitzenden des Gipfels die große Bedeutung und Dringlichkeit dieser Frage mit folgenden Worten: „Höhere und volatilere Ölpreise sind für uns und für gefährdete Entwicklungsländer Anlass zu besonderer Sorge. Wir betonen, dass konkrete Maßnahmen notwendig sind, um Marktschwankungen durch umfassendere, transparentere und zeitnähere Daten zu verringern.

In diesem Jahr meldete sich Calder mit einem Artikel in der März-Ausgabe des japanischen Magazins Gaikô Forum zurück, in dem er das Energieproblem als blinden Fleck innerhalb des japanisch-amerikanischen Sicherheitsbündnisses identifizierte, die sich seit dem 11. September 2001 in bemerkenswerter Weise fortentwickelt hätten. Solange die Länder sich dieses Problems nicht annähmen, so warnte er, würde dies zu ernsten und unnötigen Spannungen in den bilateralen Beziehungen führen. Calders Sorge gilt den Banden über den Pazifik hinweg, aber die Energiefrage könnte auch zu großer Verwirrung in Asien selbst führen, wo der Traum von der Gestaltung einer Gemeinschaft mit dem ersten ostasiatischen Gipfel in Kuala Lumpur im kommenden Dezember der Verwirklichung einen Schritt näher gekommen ist.

Yasuhiro Gotô, Leitartikler der Nihon Keizai Shimbun, meinte in der April-Ausgabe von Kokusai Mondai, dass Asiens Abhängigkeit von Rohöllieferungen von außerhalb der Region 2003 um 60% zugenommen habe. Auch wenn die Region danach streben müsse, diese Zahl zu senken, so fuhr er fort, hätten Projekte zur Erschließung neuer Energieressourcen zu Streitigkeiten über territoriale Hoheit und die Ausschließlichen Wirtschaftszonen geführt. Da die Staaten sich in einem Wettlauf um die Sicherung neuer Energiequellen befänden, würde nun auch das Feuer des Nationalismus stärker aufflackern. Gotô brachte seine Besorgnis über das „Paradox, dass die Anstrengungen der einzelnen Staaten, ihre Energiesicherheit zu verbessern, dazu führt, die Stabilität der Region Asien zu untergraben“ zum Ausdruck. Es kann durchaus zutreffen, dass die Mechanismen des Marktes zur Abstimmung der Interessen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen. In diesem Fall müssen wir uns auf die Suche nach Lösungen machen, die auf der Zusammenarbeit zwischen den Staaten Asien und anderswo beruhen.

Aus der Vogelperspektive
Japan Bedarf an Energie nahm während der Jahre des raschen Wirtschaftswachstums Ende der fünfziger Jahre bis Anfang der siebziger Jahre jährlich um etwa 10% zu. Danach ging diese Quote rasch zurück. Die beiden Ölkrisen in den siebziger Jahren führten zur Verbesserung der Industriestruktur, und technologische Neuerungen trugen dazu bei, Energie einzusparen und effizienter zu nutzen. Als die Preise für Energie in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre fielen, nahm dagegen der Verbrauch - wenn auch langsam - wieder zu. Der Anteil von Öl an Japans Energiehaushalt ist zwar nach den Ölschocks zurückgegangen, liegt aber auch heute noch mit ca. 50% auf relativ hohem Niveau. Fast alles Öl muss importiert werden, und der größte Teil davon kommt aus dem Mittleren Osten. Auch wenn Bemühungen, die Abhängigkeit des Landes vom Öl aus dieser Region zu reduzieren, den Anteil vorübergehend auf bis zu 70% senken konnten, beträgt der Anteil heute wieder ca. 85% und hat damit den Stand vor der ersten Ölkrise 1973-74 erreicht.

Japans Bevölkerung wird in den nächsten Jahren schrumpfen, was zu einem Rückgang beim Energieverbrauch führen dürfte. Der Beratungsausschuss für natürliche Ressourcen und Energie sagt voraus, dass der Energiebedarf 2021 bzw. im Falle eines langsameren Wirtschaftswachstums 2014 seinen Höhepunkt erreichen wird. Dann wird sich die Aufmerksamkeit des Landes von der Befriedigung zusätzlichen Energiebedarfs auf die Sicherung der bestehenden Lieferungen richten. Zugleich werden Anstrengungen für eine noch effizientere Nutzung von Energie, für die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien und für qualitative Verbesserungen in den Bereichen Industrie, Wirtschaftsaktivitäten und Lebensstil unternommen.

Heute schaut die Welt auf die Energiesituation in China, die sich dramatisch wandelt. Während der letzten zehn Jahre ist Chinas Ölverbrauch um das 2,1-fache gestiegen. Aufgrund der gut laufenden Wirtschaft, der zunehmenden Motorisierung und der steigenden Verkaufszahlen für PKW, die 2004 die Fünf-Millionen-Marke überschritten, verbrauchen die Chinesen heute fast sieben Millionen Barrel Öl pro Tag, das ist mehr als Japan. Der Ölbedarf stieg 2004 um 15% und wird 2005 voraussichtlich um weitere 7,5% zunehmen. Etwa 40% der weltweiten zusätzlichen Nachfrage nach Öl kommt heute aus einem einzigen Land, nämlich China. Es wundert daher wenig, dass sich die Aufmerksamkeit der Energiemärkte auf das weitere Vorgehen Chinas richtet.

China ist seit 1993 Nettoimporteur von Öl. 2010 dürften seine Importe 100 Millionen Tonnen erreichen. Zwar verfügt China über reiche Erdgasvorkommen innerhalb seiner Grenzen, jedoch sind die Erschließung und der Transport dieser Ressourcen teuer, so dass der Anteil von Gas am gesamten Energieverbrauch nach wie vor gering ist. Mit Hilfe der derzeit gebauten Pipelines dürfte sich der Verbrauch von Erdgas bis 2010 versechsfachen, jedoch könnten auch die Erdgasimporte weiter zulegen, wenn die Produktion mit der Nachfrage nicht mithalten kann.

Eine weitere Aufgabe ist die Steigerung der Effizienz bei der Nutzung von Energie in China. Es wird geschätzt, dass China heute neunmal mehr Ressourcen als Japan verbraucht, um den gleichen Energieoutput zu erzielen.

In Indonesien, einem Mitglied der Organisation erdölfördernder Länder, ist die Ölproduktion rückläufig. 1993 förderte man dort noch 1,6 Millionen Barrel pro Tag. 2003 lag die Produktion um ein Viertel niedriger bei 1,2 Millionen Barrel. Zudem wurde Indonesien 2004 zum Netto-Importeur. Auch Malaysia engagiert sich bei der Erschließung von Ölfeldern in seinen Seegebieten, allerdings beläuft sich die Produktion auf gerade einmal 900.000 Barrel am Tag. Vietnam wäre zwar in der Lage mehr Öl zu exportieren, aber seine Bereitschaft dazu ist aufgrund des Wachsens der eigenen Wirtschaft eher gering.

In jüngster Zeit erlebte Indonesien eine eigene Ölkrise. Pertamina, das staatliche Ölunternehmen, fungiert als alleiniger Lieferant von Benzin und anderen Ölprodukten. Während die heimische Produktion zurückgeht, verteuerten sich zunehmend die Lieferungen aus dem Ausland. Anfang Juli wurden daher die Benzinlieferungen an die Städte um 5% gekürzt. Indonesien verfolgt eine Politik der Subventionierung des Benzinpreises und stellt Pertamina die Finanzmittel zur Verfügung, die das Unternehmen benötigt. Da aber die Nachfrage nach Benzin rascher zunahm als erwartet, reichten die eingeplanten Finanzmittel nicht aus. Da Indonesien nun zum Nettoimporteur wurde, kann Pertamina nicht länger all das Öl, das benötigt wird, kaufen und dabei die Einnahmen aus seinen Ölexporten verwenden.

Da die eigenen Vorräte auslaufen wird Ostasien als Ganzes zunehmend von Lieferanten außerhalb der Region abhängig, insbesondere vom Mittleren Osten. Etwa die Hälfte aller Energieexporte aus dieser Region gehen nach China, Japan, Südkorea und in andere ostasiatische Länder. Der Ölfluss aus dem Mittleren Osten nach Nordostasien schwillt deutlich an. Calder und andere Experten sorgen sich, dass dieser Trend nicht ausreichend berücksichtigt wird, obwohl er tiefgreifende Auswirkungen auf die Welt im 21. Jahrhundert haben könnte. Im Gegensatz zur hohen und weiter steigenden Abhängigkeit Ostasiens vom Öl aus dem Mittleren Osten beträgt der Grad der Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von dieser Region gerade einmal 23% und in Europa ist er sogar noch niedriger. Es besteht daher das Potential, dass Ostasien und der Westen bei ihrer Haltung gegenüber dem Mittleren Osten getrennte Wege gehen werden, was zu ernsthaften politischen Konflikten führen könnte.

Unzulänglichkeiten in der chinesischen Planung
In jüngster Zeit streiten Japan und China darüber, wie die Gasfeder im Ostchinesischen Meer erschlossen werden sollten. Der Streit ist Teil eines viel größeren Konflikts, der angesichts der großen Veränderungen in der Energiesituation der weiteren Region allmählich Gestalt annimmt.

Derzeit äußert sich Chinas Präsident Hu Jintao bei seinen Auslandsbesuchen regelmäßig auch zum Thema Energie und andere Ressourcen. Bei einer Studiensitzung für das Politbüro der Kommunistischen Partei Ende Juni machten sich Hu und andere Gedanken über die internationale Energiesituation und Chinas diesbezügliche Strategie. Kurz zuvor, Anfang Juni, hatte die Regierung unter der Aufsicht des Staatsrats ein Gremium eingerichtet, das die Führung in Energiefragen übernehmen soll. Den Vorsitz übernahm Ministerpräsident Wen Jiabao, während die stellvertretenden Ministerpräsidenten Huang Ju und Zeng Peiyan ihm assistieren. Laut einem Bericht von Shen Caibin, dem Leiter des Wirtschaftszentrums China beim Mitsui Global Strategic Studies Institute in der Ausgabe von Sekai Shûhô vom 9. August äußerte Wen gegenüber dem Gremium, dass Energie als eine wichtige strategische Frage angesehen werden müsse, da diese mit Chinas Wirtschaftswachstum, der gesellschaftlichen Stabilität und der nationalen Sicherheit verknüpft sei. Er befahl Anstrengungen zur Sicherung von Anteilen an ausländischen Ölfeldern zu unternehmen. Zusätzlich sollen bis Ende des Jahres Pläne für die Vorratshaltung von Öl in Kraft treten.

Die tragenden Säulen der Energiestrategie Chinas sind drei große staatliche Unternehmen. Es sind die China National Petroleum Corp., die China Petroleum and Chemical Corp. (Sinopec) und die China National Offshore Oil Corp. (CNOOC). Alle drei Unternehmen konkurrieren miteinander bei ihrem Streben, ausländisches Öl und Gas zu sichern. CNOOC verursachte kürzlich einen Aufruhr in den Vereinigten Staaten, als es ein Übernahmeangebot für Unocal Corp., ein führendes amerikanisches Ölunternehmen machte. Zweifellos zogen Unocals Anteile in Asien, darunter Öl- und Gasfelder in Indonesien, Thailand und Vietnam, die Aufmerksamkeit von CNOOC an, jedoch zwang sein Vorgehen ein anderes US-Unternehmen, die Chevron Corp., dazu, sein Angebot an Unocal nachzubessern. Auch der US-Kongress schaltete sich ein und verabschiedete eine Resolution, in der das chinesische Angebot abgelehnt wurde, da es die Energiesicherheit der Vereinigten Staaten gefährde. CNOOC zog sich schließlich zurück und überließ Chevron das Feld.

Sinopec hat inzwischen mit dem Iran ein Abkommen im Wert von 100 Mrd. US-Dollar über die Lieferung von Flüssiggas abgeschlossen. Das Abkommen beinhaltet auch die Erschließung des großen Yadavaran Ölfelds (mit einem geschätzten Vorkommen von 15 Mrd. Barrel), dessen Förderung größtenteils nach China gehen wird. Sinopec hat zudem eine Übereinkunft mit einem russischen Partner für ein gemeinsames Vorgehen bei Öl- und Gasprojekten auf Sachalin geschlossen. Dieser Handel wurde während des jüngsten Besuchs von Präsident Hu in Russland im Juli vereinbart.

Bereits vor vielen Jahren hat Japan im Ostchinesischen Meer die Suche nach natürlichen Vorkommen unternommen. Als aber die Vereinigten Staaten Anfang der siebziger Jahre China überraschend anerkannten und so ihre Position bei der Konfrontation mit der Sowjetunion stärkten, folgte dem auch Japan, indem es seine Beziehungen zu China normalisierte. Tokyo entschied damals, es sei besser, die Suche nach Vorkommen einzustellen, um China nicht unnötig zu verärgern. In einem Artikel in der Ausgabe von Sekai Shûhô vom 9. August 2005 führte Kôji Nakatsu aus, dass China auf diesen Zug Japans damit reagierte, dass es sich bereit erklärte, Öl von seinen Feldern in Daqing nach Japan zu liefern. Als China jedoch 1993 zum Nettoimporteur wurde, stellte es diese Lieferungen ein.

Dass China und Japan sich über den Verlauf ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) noch einigen müssen, ist eine weitere Ursache für diplomatische Spannungen. Japan besteht darauf, dass die Grenze zwischen den AWZ beider Länder auf der Mittellinie zwischen beiden Ländern verläuft, während China die Hoheit über den gesamten Kontinentalsockel beansprucht. China erschließt derzeit das Chunxiao Gasfeld nordöstlich von Taiwan, das nach Auffassung beider Staaten in der chinesischen AWZ liegt. Jedoch beantragte Ende April die japanische Teikoku Oil Co. die Erlaubnis für Probebohrungen auf japanischer Seite nahe der Mittellinie. Als Tokyo Mitte Juli dazu die Erlaubnis erteilte, protestierte Beijing dagegen.

Derartige sino-japanische Querelen sind sicherlich nur relativ kleine Unzulänglichkeiten in Chinas groß angelegter Energieplanung. Sollten China und andere Staaten aber in der gleichen Weise weitermachen, bestünde die realistische Gefahr, dass der Wettlauf um Ressourcen in eine ernste Bedrohung für die Sicherheit eskalieren könnte.

Eine Energie- und Umweltunion?
Ein besseres Vorgehen wäre es stattdessen, auf langfristige Sicht ein kooperatives Rahmenwerk mit vielfältigen Funktionen zu schaffen wie z.B. die Gründung einer Union zur Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Umwelt in Nordostasien oder Ostasien.

Es ist offensichtlich, dass Chinas Bedarf an Energie weiter zunehmen wird. Zum Nutzen Japans und ganz Asiens müssen wir Wege und Mittel finden, um China dabei zu helfen, seine Wirtschaft stabil und nachhaltig zu entwickeln sowie sich friedlich an der internationalen Gemeinschaft zu beteiligen. Diese Hilfe könnte unterschiedliche Formen haben, darunter die gemeinsame Erschließung von Energieressourcen, die Förderung effizienten Energieverbrauchs, Zusammenarbeit bei der Vorratshaltung von Öl und Vereinbarungen für das Teilen von Ölreserven bei Energiekrisen.

Im Bereich der Vorratshaltung unterhielt Japan in den Jahren vor den Ölschocks nur eine Reserve für etwa fünfzig Tage. 1975 wurde dann das Erdölbevorratungsgesetz verabschiedet, das Vorgaben für die private Vorratshaltung enthält. Heute reichen die staatlichen und privaten Ölreserven zusammen für ca. 160 Tage. China verfügt zur Zeit über fast keine Vorräte, auch wenn es den Aufbau einer Vorratshaltung plant. Südkorea ist derzeit dabei, Reserven für neunzig Tage aufzustellen, was Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Internationalen Energiebehörde ist. Trotz der bestehenden Planungen würde Nordostasien in erheblichem Maße von einer offiziellen Vereinbarung zur Sicherung und zum Teilen von Vorräten in Notfällen profitieren; das gleiche kann für Ostasien insgesamt gesagt werden, einschließlich Südasien.

Selbst wenn die Anstrengungen zur Sicherung des Energiebedarfs in China und anderen Teilen Nordostasiens von Erfolg gekrönt sein sollten, bleibt das Problem der Auswirkungen des massenhaften Energieverbrauchs auf die Umwelt. Vor allem in China bestehen hier viele Probleme. Da es Japan beim Energieverbrauch bereits eingeholt hat und einen großen Anteil seiner Ressourcen wenig effizient nutzt, wird es immer mehr zu einer Gefahr für die globale Umwelt insgesamt.

Japan und China unterhalten in diesem Bereich sich gegenseitig ergänzende Beziehungen. Da Japan ein Land ist, in dem die große Konzentration von Menschen und Industrien die Kapazitäten der Umwelt belastet und es zudem über keine eigenen Ölvorkommen verfügt, hat es schon früh nach Mitteln für einen sparsamen Verbrauch der Ressourcen gesucht. Die Menschen in Japan arbeiten hart daran, die Technologien des Landes, seine Industriestruktur, seine Wirtschaftsaktivitäten und den Lebensstil so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Daher verfügt Japan mittlerweile über einen reichen Vorrat an Erfahrung, Know-how und Technologien, die China bei seiner nachhaltigen Entwicklung unterstützen könnten.

Das National Institute for Research Advancement, ein japanischer Think Tank, hat im April 2001 das Konzept für eine Nordostasiatische Union zur Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Umwelt vorgestellt. Das Motiv für diesen Vorschlag wird in folgender Textpassage deutlich: „Sicherheit im Energiebereich kann von einem einzigen Land allein nur schwer erreicht werden. Grenzüberschreitende Umweltprobleme können nicht gelöst werden, wenn man nur die eigene Situation betrachtet. Nordostasien besitzt zahlreiche Elemente, die sich zur Bildung sich gegenseitig ergänzender Beziehungen in Bereichen wie Ressourcen, Kapital, Technologie, Arbeit und Märkte anbieten. Die Gestaltung kooperativer Beziehungen innerhalb der Region wäre in höchstem Maße praktikabel, da davon jedes einzelne Land profitieren würde. Auch aus globaler Perspektive wäre die Gestaltung kooperativer Beziehungen in den Bereichen Energie und Umwelt in Nordostasien von großer Bedeutung.“

Wenn wir den Blick unmittelbar auf die langfristigen Perspektiven für Energie und Umwelt richten, erkennen wir, dass den Anstrengungen einzelner Länder Grenzen gesetzt sind bei dem, was sie erreichen können. Daraus ergibt sich unweigerlich die Notwendigkeit für eine multilaterale und regionale Zusammenarbeit.

(Dieser Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe 2005 von Japan Echo und wurde für 'Neues aus Japan' übersetzt. Die Ansichten in diesem Artikel sind die des Verfassers und stellen nicht die Ansichten der Regierung von Japan dar.)

 


Akira Kojima
Studienabschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Waseda Universität. Ab 1965 als Journalist für die Nihon Keizai Shimbun tätig, u.a. als leitender Geschäftsführer und führender Leitartikler. Heute Vorsitzender des Japan Center for Economic Research und Lehrstuhlinhaber für Wirtschaft und Handel am Graduiertenkolleg der Keio Universität. Mitglied des Stiftungsrats des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin. Autor zahlreicher Werke u.a. über die Globalisierung.

                                                                              (Quelle: Gaiko Forum, Oktober 2005)

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