Letzten Monat sprachen wir an dieser Stelle über „richtige Männer“ und ihre
Darstellung in japanischen Klassikern, wie „Die sieben Samurai“. Ich möchte
dieses Mal zumindest das Sujet erneut aufgreifen und Ihnen einen meiner
persönlichen Favoriten des modernen japanischen Films vorstellen: Hiroyuki
Nakanos „Samurai Fiction“.
„Samurai Fiction“ ist eine launige Persiflage auf die altbewährten
Samurai-Dramen um Kampf, Rache und Vergeltung. In einer Zeit des Friedens
(1696) begegnen uns die Samurai des Nagashima-Clans beim friedvollen
Go-Spiel und der hingebungsvollen Perfektionierung ihrer Kampfkünste, als
sie aus ihrer kontemplativen Ruhe aufgeschreckt werden. Das anvertraute
Schwert des Shoguns ist verschwunden; entwendet von dem zu seinem Schutz
bestellten Kazamatsuri – einem Schwertkünstler, der sich somit nicht nur
frech an fremden Eigentum vergriff, sondern zudem seinen Lehnsherrn böse
verriet. Zur Wahrung der Ehre und des Gesichts wird – um den kostbaren
Verlust zu vertuschen - eine Kopie des Schwertes angefertigt und der
hitzköpfige Sohn des obersten Clansherren, Heishiro (Mitsuru Fukikoshi)
macht sich auf, den abtrünnigen Dieb zu stellen...
Soweit klingt der Plot nicht eben originell, solcherart Geschichten glauben
wir bereits mehrfach gesehen zu haben. Haben wir aber nicht – denn die
visuelle Umsetzung dieser Geschichte überrascht und erheitert immer wieder
aufs neue. Regisseur Nakano drehte ursprünglich Musikvideos und ist bei uns
am ehesten durch seinen Clip zu Deelites "The Groove is in the Heart"
bekannt. Er verbindet in seinem Film die traditionellen Elemente des
Jidaigeki (Geschichtsdramas) mit einer Videoclip-Ästhetik, die einfach nur
fasziniert. Der Film besteht aus schwarz-weißen Bildern, nur unterbrochen
durch die in Rot getauchte Leinwand, wenn Blut fließt; er verfügt über
Zooms, Kamerafahrten (Heishiro und seine zwei Jugendfreunde jagen in einer
Einstellung der enteilenden Kamera hinterher, dass einem selbst als
Zuschauer der Atem ausgeht), Zeitlupen und vor allem einen hinreißenden
Soundtrack (von Tomoyasu Hotei, der gleichzeitig Kazamatsuri darstellt), die
ihn zu einer perfekten Show machen.
Die Handlung ist zudem gespickt von skurrilen Gestalten, wie drei völlig
abgedrehten Yakuza, einer Femme Fatale in Gestalt der Chefin eines
Freudenhauses und Geliebten des Bösewichts und einem sich aus Falltüren
herablassenden Ninja-Verschnitts von einem in die Jahre gekommenen
Hausdiener ... Auch Heishiro und seine Freunde gehen weit über das Maß
hinaus, das ein Kurosawa zur Darstellung jugendlichen Ungestüms gebilligt
hätte (wie Thomas Willmann so schön in seiner entsprechenden Kritik
schrieb): die drei sind hemmungslos albern, infantil und Heishiro zudem ein
Held, der beim Anblick eines entblößten Frauenbeins Nasenbluten bekommt.
Doch dank des weisen Ronin Hanbei Mizuguchi – einem Lehrmeister vergleichbar
den Protagonisten aus „Tasogare-seibei“ und „Kakushi ken“, der der Gewalt
abgeschworen hat - und seiner entzückenden Tochter wird die Jagd nach dem
Schwert für den jungen Hagestolz der Weg zum Erwachsenwerden und für uns
eine durchaus vergnügliche Unterhaltung.
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