Botschaft von Japan
Neues aus Japan Nr.22                           September 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Japan setzt auf die Reformdividende

Deutschland und Japan haben ähnliche Probleme,
aber sehr unterschiedliche finanzpolitische Strategien

 

Dieser Artikel von Herrn Dr. Naoki Tanaka erschien am 3. August 2006 im "Handelsblatt". Dr. Naoki Tanaka, Präsident des 21st Century Public Policy Institute, berät die japanische Regierung.

 

 

 

 

 

Nach mehr als fünf Jahren wird die Regierung Koizumi im September Abschied nehmen. Eines der wichtigsten Probleme, mit denen sie zu tun hatte, war die Haushaltskonsolidierung. Koizumi selbst hat sich vor kurzem dazu geäußert: „Bei der Aufstellung des Staatshaushalts für das nächste Haushaltsjahr habe ich stets auch die Zeit in fünf oder zehn Jahren berücksichtigt.“ Und zu der Frage, warum er sich von Anfang an nicht für eine Erhöhung der Verbrauchssteuer eingesetzt habe, meinte er: „Haushaltskonsolidierung beginnt mit Ausgabenkürzungen.“


Meiner Ansicht nach enthalten diese Äußerungen drei interessante Punkte. Der erste ist die grundsätzliche Haltung in Bezug auf die Haushaltskonsolidierung. Die staatliche Neuverschuldung Japans beläuft sich auf etwa 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jährlich. Dies ist auch im internationalen Vergleich nicht wünschenswert und beinhaltet sogar die Möglichkeit des Bankrotts.

Nichtsdestotrotz wurde zunächst darauf verzichtet, die Verbrauchssteuer anzuheben. Vielmehr wurde das Jahr 2011 als das Jahr bestimmt, in dem der Haushalt ausgeglichen sein wird, um dann das Verhältnis der Staatsschulden gegenüber dem BIP zu verringern. Der Schwerpunkt wurde auf Ausgabenkürzungen gelegt. Frühere Regierungen in Japan waren dagegen der Auffassung, dass die Ausgabenpolitik gelockert werden könne und noch genügend Spielraum für Kürzungen bestehe.

Es heißt allgemein, dass Japan während der Ära des Kalten Krieges eine „Friedensdividende“ erhielt. Japan beschränkte seine Verteidigungsausgaben auf etwa 1 Prozent des BIP. In den USA lagen sie lange Zeit bei ca. 6 Prozent und in vielen europäischen Staaten waren es ungefähr 3 Prozent. Nach dem Ende des Kalten Krieges gingen die Verteidigungsausgaben sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten zurück, während sie in Japan weiterhin bei etwa 1 Prozent des BIP lagen. Das heißt, dass die außerordentliche Friedensdividende in den neunziger Jahren nicht mehr anfiel. Japan hätte nun eigentlich eine so genannte „Reformdividende“ anstreben müssen.

Stattdessen weitete man während der wirtschaftlichen Rezession der neunziger Jahre die Ausgaben aus. Die Regierung Koizumi musste daher den Kurs verfolgen, mittels Reformen die Ausgaben zurückzufahren und die daraus resultierende Dividende den Menschen zugute kommen zu lassen. Die Steuerzahler in der Zukunft unter allen Umständen nicht weiter zu belasten ist der zweite interessante Punkt. Der dritte Punkt ist die Äußerung, dass eine mittel- und langfristige Vorstellung von der Wirtschaft erforderlich ist.

Ich denke, man kann dies mit einem Wort als Anti-Keynes-Effekt bezeichnen. Ministerpräsident Koizumi ist es gelungen, den Privathaushalten und Unternehmen durch die Ausgabenkürzungen die Aussicht zu vermitteln, dass die künftigen Belastungen nicht mehr so hoch sein werden. Das war der Grund, warum er mit den Ausgabenkürzungen begonnen hat, obwohl die wirtschaftliche Lage keineswegs einfach war.

Es stellt sich nun die Frage, ob dieser Kurs auch künftig fortgesetzt wird. Koizumi hat sich dazu so geäußert: „Wenn man die Ausgaben immer weiter zurückfährt, werden die Menschen irgendwann ‚Genug!' rufen. Dann ist die Situation gekommen, die Steuern zu erhöhen.“ Man kann sagen, dass Japan derzeit den Schwerpunkt auf Ausgabenkürzungen legt, dass jedoch als nächster Schritt Steuererhöhungen anstehen.

In Deutschland wurde kürzlich beschlossen, die Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf 19 Prozent anzuheben. Dabei geht es einmal um die Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Die Diskussion innerhalb der großen Koalition hat sich auf Steuererhöhungen und nicht auf Ausgabenkürzungen konzentriert. Werden sich die Steuererhöhungen nachteilig auf die Wirtschaft auswirken?

Wie in Japan beginnt die Gesamtbevölkerung abzunehmen. Gerade in dieser Situation muss man darüber nachdenken, welche Auswirkungen Steuererhöhungen haben. Ein wichtiger Punkt, in dem sich Deutschland und Japan unterscheiden, ist die große wirtschaftliche Diskrepanz, die zwischen den alten Bundesländern und dem Gebiet der ehemaligen DDR besteht. Die Regierung ist daher gezwungen, die neuen Bundesländer weiterhin mit Subventionen in unterschiedlichster Form zu unterstützen. Es ist die Aufgabe Deutschlands, sich diesem Problem ohne Vorbehalte zu stellen, doch es wird irgendwie aufgeschoben. Zunächst greift man zum Mittel der Steuererhöhung. Das könnte jedoch negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität Deutschlands, insbesondere auf die Investitionen haben.

Schwierigkeiten hat allerdings auch Japan. Selbst wenn 2011 der Haushalt ausgeglichen sein sollte, würde die anschließende Reduzierung der Staatsschulden im Verhältnis zum BIP eine ehrgeizige Aufgabe darstellen. Angesichts des Rückgangs der Bevölkerung stellt sich dann die Frage, ob Steuererhöhungen sich nicht nachteilig auf die Wirtschaft und insbesondere auf die Investitionstätigkeit auswirken werden. Die Erholung der japanischen Wirtschaft seit 2003 beruht, wie Koizumi es gesagt hat, darauf, dass die privaten Haushalte und Unternehmen, vor allem Letztere, nun wieder optimistischer auf das mittel- und langfristige Erscheinungsbild Japans schauen. Die Investitionen legen zu. Dies geht nun bereits drei Jahre so und scheint auch weiter anzuhalten. Meiner Auffassung nach kann man dies als Effekt der Koizumi-Reformen bezeichnen.

Wenn aber künftig die Diskussion um Steuererhöhungen in den Vordergrund rückt, stellt sich die Frage, ob man die Zuversicht verliert oder nicht. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Deutschland wird zum außerordentlich interessanten Anschauungsmaterial für künftige Steuererhöhungen in Japan.

 

(C) 2006 Handelsblatt


 

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